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Veranstaltungsreihe Potsdamer Wohnzimmerkultur startet: Die PoWoKu bleibt auf dem Teppich

Zwei Potsdamer haben einen alternativen Kultursalon gegründet. Sie wollen Wohnzimmer, Gärten und Dachböden zur Bühne machen. Der Auftakt war bereits erfolgreich.

Potsdam - Klingeln bei L., hatte es geheißen. Aber die Haustür steht ohnehin offen. Ausnahmsweise, mit einem Hinweis an die Nachbarn: Wir schließen später ab! Drinnen duftet es nach gebackenem Kuchen. Man folgt dem Duft ins zweite OG, jetzt klingeln. Dann Überraschung: Hinein geht’s ohne Parole. Keine Überraschung: Es ist eine WG, im toten Winkel im Flur stehen leere Bierflaschen, an der Wand ein riesiges Schuhregal, gegenüber ein ViP-Liniennetzplan. Man duzt sich. „Hallo, ich bin Tobias“, sagt einer, und dann ist man angekommen. Mittendrin in der ersten Veranstaltung „Potsdamer Wohnzimmerkultur“ (PoWoKu). Ein Projekt von Tobias Beyer und Christian Leonhardt.

Kultur unmittelbar erleben

„Wir wollen was machen für Leute, die sich von der Hochkultur nicht so angesprochen fühlen. Die Kultur lieber unmittelbarer erleben wollen“, sagt Tobias Beyer. Deshalb soll einmal im Monat an einem privaten Ort zu einem kulturellen Event eingeladen werden. Lesungen, Musik, Theater, Performance, Tanz, alles ist denkbar, solange es umsetzbar ist. Es muss dabei nicht zwangsweise in einem Wohnzimmer stattfinden, auch wenn das Projekt so heißt. „Es geht auch ein Garten oder Dachboden, wir sind da ganz offen“, sagt Beyer. „Ich bin schon super heiß auf exotische Orte.“ Beyer studiert Lehramt, Deutsch und LER, ist 27 Jahre alt und promoviert gerade über Songtexte. Christian Leonhardt, 28 Jahre alt und Student der Kulturarbeit an der FH Potsdam. Vor zwei Jahren hat er zusammen mit Kommilitonen den Potsdamer Generationenchor ins Leben gerufen. Jetzt stellt er sein WG-Zimmer für den ersten Kulturabend zur Verfügung – in einem alten Mietshaus in Potsdam-West. Eingeladen oder besser zugelassen wurden 30 Gäste, mehr geht nicht, sagt der Gastgeber. Und natürlich die Künstler. Dominik Grittner hat an der Filmuniversität Babelsberg Drehbuchschreiben studiert. Und wird an dem Abend eine Kurzgeschichte und eine Novelle lesen. Der Potsdamer Singer-Songwriter Kamal und Ton, Kevin Noack, hat eine Gitarre mitgebracht und wird ein kleines Konzert geben. Als Bühne dient ein kleiner Teppich, extra dafür angeschafft, sagt Beyer. Der PoWoKu-Teppich soll künftig an allen Orten dabei sein.

Auch Oma Paschulke darf gerne vorbeikommen

Zunächst sammeln sich die Gäste in der Küche. Nicht alle kennen sich, auch wenn alle derselben Altersgruppe – Student bis fast-fertig-Student – angehören. „Das soll sich noch ändern, zu unseren Konzerten sollen auch Nachbarn und Oma Paschulke kommen“, sagt Beyer. Dann geht es los, Viertel vor acht platziert man sich auf Sitzmöbeln oder Isomatten. Der Vortrag dauert in etwa so lang wie ein Flaschenbier. Dominik Grittner liest erst eine Geschichte, in der viel masturbiert wird, dann „Wenn wir alle doch nur schweigen könnten“, eine Novelle, die er bereits im Literaturmagazin youngspeech.de veröffentlicht hat. Über einen 15-Jährigen, der in seine Stiefmutter verknallt ist. Auch eine absolut nervige Lehrerin kommt im Text vor, das ist witzig, die Zuschauer, man ahnt es, können mit dem Thema etwas anfangen. Nach der Lesung ist Zeit zum Quatschen. Grittner bittet um Feedback für seinen Text. Und Beyer, Moderator des Abends, will wissen, wie man sich die Arbeit als Drehbuchautor vorstellen muss.

In der Pause treffen sich die Raucher auf dem Balkon, in der Küche wird der selbst gebackene PoWoKu-Gründungskuchen angeschnitten. Dann ist Kamal und Ton dran. Der Potsdamer ist mit seinen Liedern schon im Planetarium und auf dem Theaterschiff aufgetreten. Hier rauscht alle 20 Minuten die Straßenbahn vorbei, es wird langsam dunkel, das WG-Zimmer ist von sanft-melancholischem Gitarren-Singer-Songwriter-Pop erfüllt. Eigenes Material und Coversongs, Thunderstruck von AC/DC und Teardrop von Massive Attack. Die Frauen sind hin und weg, es gibt eine Zugabe.

Veranstalter sind überzeugt, dass sich das Projekt in Potsdam etablieren wird

„Es war eine sehr schöne Atmosphäre“, sagt WG-Gastgeber Leonhardt später. Die meisten Gäste seien von der Qualität der Beiträge überrascht gewesen. Und wollen wiederkommen. Wegen der Kultur und weil man hier neue Leute kennenlernt. Beyer und Leonhardt sind überzeugt, dass das Projekt sich in Potsdam etablieren wird. In vielen größeren Städten gebe es bereits solche alternativen Kultursalons. „In Magdeburg läuft es seit drei Jahren“, sagt Beyer. Bei ihnen habe sich schon eine Band aus Stuttgart gemeldet, die gern mal in Potsdam spielen würde.

Eine Gage bekommen die Künstler für die Auftritte nicht. Der Eintritt ist frei, in einer alten Polizeimütze wird allerdings etwas Geld, eine kleine Aufwandsentschädigung, gesammelt.

Bis früh gegen 2 Uhr bleiben dieses Mal die Gäste. „Weil es unsere Einstiegsparty war“, sagt Leonhardt. In der Regel soll die Veranstaltung, wie jedes andere Kulturevent, ein festes Ende haben, schon wegen der Nachbarn. Am schönsten wäre es natürlich, die würden einfach dazukommen.

Die nächste PoWoku findet am 24. Juni statt. Der Ort wird nur angemeldeten Gästen verraten, Kontakt über Facebook, per Mail an wohnzimmerkulturpotsdam@gmail.com oder Telefon: 0151/252 704 78.

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