zum Hauptinhalt
Umgenäht. Jennifer Haase zeigt Alexander Kelsch, wie man an der Nähmaschine aus alten Klamotten neue Kissenbezüge fertigt. Kelsch will damit sein Sofa individuell gestalten, gegen einen Unkostenbeitrag kann er sein Werk mitnehmen. Sonst werden die Accessoires verkauft und die Einnahmen gespendet.

© Sebastian Gabsch

Upcycling im Werkhaus Potsdam: Aus alten Klamotten werden neue Sachen

Im Werkhaus Potsdam können alte Kleider in kostenfreien Kursen zu neuen Accessoires werden. Das dient mehreren guten Zwecken.

Potsdam - Wer auch immer das buntkarierte Hemd einst trug: Er hätte bestimmt nicht gedacht, dass es eines Tages als Sofakissen eine neue Verwendung finden würde. Doch genau dazu will Alexander Kelsch es machen. Der 21-Jährige ist zusammen mit seiner Bekannten Carina Hauck ins Werkhaus Potsdam in Babelsberg gekommen, um sich in das Projekt „vergissmeinnicht“ einzubringen. „In Berlin gibt es dieses Projekt der Youngcaritas Berlin, Brandenburg und Vorpommern schon seit 2012“, erzählt Jennifer Haase, während sie Kelsch und Hauck zeigt, wie sie an der Nähmaschine einfädeln und das Pedal für die Nadel bedienen müssen. „Irgendwann dachte ich mir, dass es toll wäre, das auch in Potsdam zu haben“, sagt sie.

In der Textilwerkstatt des Werkhaus Potsdam habe sich schließlich die Möglichkeit dazu ergeben. Seit Anfang Mai kann freitags von 16 bis 19 Uhr jeder vorbeikommen, der Lust hat, bei der 26-Jährigen das Nähen von Kissenbezügen, Taschen und Rucksäcken, Geldbörsen oder Kinderkleidung zu lernen. Geld kostet das nicht, Bedingung ist aber, das Genähte zu spenden. Die Accessoires – etwa sogenannte Rucksakkos, Rucksäcke aus Herrensakkos – werden von der Youngcaritas Berlin auf Märkten verkauft. Der Erlös kommt Flüchtlingshilfen, Seelsorgeprojekten oder bedürftigen Kindern zugute.

Kleidung retten, die sonst im Müll landen würde

Mit Stoffunikaten Geld für caritative Zwecke einzunehmen, ist jedoch nur ein Teil der Projektidee. Der andere ist das Ziel des Upcyclings von Kleidung, die normalerweise im Müll landen würde, obwohl sie von Bekleidungsunternehmen unter einem hohen Ressourceneinsatz und oft auf Kosten der Umwelt produziert worden ist. So stammen die Stoffe aus Kleiderspenden, die aufgrund von Verschleißerscheinungen oder einem Überangebot nicht direkt an Dritte weitergegeben werden können. In der Potsdamer Textilwerkstatt, einem gemütlichen Raum mit einem großen Arbeitstisch in der Mitte, stapeln sich große Boxen davon, sortiert nach Stoffarten und Mustern. Nählustige, die sich an „vergissmeinnicht“ beteiligen wollen, können sich aussuchen, was ihnen gefällt und sich kreativ in allen Farben und Formen ausprobieren. „Ich finde die Idee der Weiterverwertung total super“, sagt Alexander Kelsch, und auch Carina Hauck, die an diesem Tag ebenfalls ein Kissen schneidern will, erklärt: „Deswegen bin ich auch hergekommen.“

Wer von dem, was in der Textilwerkstatt genäht werden kann, etwas für sich selbst behalten möchte, kann auch das tun. Für einen Unkostenbeitrag für Anleitung und Material, sofern Wissen und Stoffe nicht vorhanden sind, gibt Sylvia Glöß Anleitung. „Unsere Werkstatträume sind offen für alle, die in Eigenarbeit etwas schaffen wollen“, erklärt sie. Neben der Textilwerkstatt gibt es noch eine Fahrrad-, Holz-, Keramik-, Theater- und Metallwerkstatt, außerdem spezielle Kinderangebote, die genutzt werden können.

Wertschätzung für Handarbeit steigt

„In Berlin hat es etwa anderthalb Jahre gedauert, bis sich der Nähkurs etabliert hat“, erzählt Haase. Für Potsdam hofft sie, dass es sich ähnlich entwickelt, und dass sich neben Nähinteressierten auch Leute anschließen, die anderen etwas an der Nähmaschine beibringen können oder sich in der Vermarktung einbringen möchten. Neben der guten Sache finde sie vor allem toll, dass sich in solchen Kursen auch Gemeinschaft bilden und Freundschaften entwickeln würden. Beim Verkauf der selbstgenähten Sachen auf Märkten erlebe sie zudem häufig, dass sich etwas in den Köpfen der Käufer bewege: „Die Wertschätzung für die Handarbeit und die investierte Zeit steigt oft, wenn man das Projekt erklärt“, sagt sie.

Reizvoll ist aus Sicht Haases, dass das Nähen im Großen und Ganzen nicht schwierig sei. „Für ein Kissen brauchen Anfänger gut eine Stunde“, sagt sie. Es sei wie das Erlernen des Autofahrens: Wie ein Fahrzeug habe auch eine Nähmaschine ein Fußpedal, mit dem man irgendwie geradeaus und um die Ecken fahre – halt nur mit der Nadel auf einem Stoff und nicht auf der Straße. Das findet auch Andreas Kelsch, der schon nach etwa 20 Minuten die Kissenhülle für seine Sofakreation in den Händen hält. „Das ist einfacher, als ich dachte“, sagt er, als er sie mit Schaumstoff auffüllt. „Ich komme auf jeden Fall wieder.“

Weitere Infos >>

Andrea Lütkewitz

Zur Startseite