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Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen drei Personen wegen Untreue. 

© Ottmar Winter PNN

Untreueverdacht in der Schlösserstiftung: „Wie in einem Selbstbedienungsladen“

Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt gegen drei Mitarbeiter der Schlösserstiftung wegen des Verdachts der Untreue. Im Haus gibt es Unmut. Was bislang bekannt ist und wie es nun weiter geht. 

Potsdam - Jahrelange Kungelei mit massivem wirtschaftlichen Schaden: Die mutmaßlichen Untreue-Straftaten mehrerer Mitarbeiter der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ziehen Kreise. Was bisher bekannt ist - ein Überblick.

Worum geht es?

Der Material-Disponent des Schirrhofes – der Bauhof der Schlösserstiftung – soll über viele Jahre mit Stiftungsgeld Werkzeug, Maschinen und Baumaterial bestellt haben. Dieses verkaufte er dann offenbar an Kollegen weiter und behielt das Geld. „Die SPSG zahlte also für Waren, die sie nie benötigt oder erhalten hat“, schrieb der Generaldirektor der Schlösserstiftung, Christoph Martin Vogtherr, Anfang Februar in einem Brief an alle Mitarbeiter.

Wie flogen die möglichen Straftaten auf?

Im November wurde laut Stiftungssprecher Frank Kallensee „eine Rechnung identifiziert, die keinem konkreten Vorhaben der Stiftung zugeordnet werden konnte“. Daraufhin sei eine umfassende Überprüfung eingeleitet worden. „Im Zuge der Ermittlungen haben sich zahlreiche Hinweise auf strafbare Handlungen eines Mitarbeiters [...]ergeben“, heißt es in dem Brief von Vogtherr an die rund 500 Mitarbeiter. Die Stiftung stellte Strafanzeige gegen den Material-Disponenten. Von dem Mitarbeiter sowie einem weiteren Beschäftigten habe man sich getrennt. Kai Schlegel, Direktor der Generalverwaltung der Schlösserstiftung, sagte den PNN, man untersuche einen Zeitraum von zehn Jahren. Auch Vorfälle aus der Zeit davor würden betrachtet.

Wozu ermittelt die Staatsanwaltschaft?

Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Korruption in Neuruppin ermittelt gegen drei Mitarbeiter der Stiftung wegen des Verdachts der Untreue. „Wir ermitteln gemeinsam mit dem Landeskriminalamt“, sagte Oberstaatsanwalt Frank Winter. In diesem Zuge seien bereits Durchsuchungen in Privat- und Stiftungsräumen durchgeführt worden. Zu rechnen sei mit langwierigen Ermittlungen, da diese sich durch eine „extreme Kleinteiligkeit“ auszeichneten, so Winter. Jede einzelne Rechnung des Bereichs aus den letzten fünf Jahren – ältere Vorfälle sind verjährt – müsse mit dem Lieferschein abgeglichen und eine mögliche Zweckentfremdung geprüft werden.

Ein Mitarbeiter des Schirrhofes soll jahrelang betrogen haben. 
Ein Mitarbeiter des Schirrhofes soll jahrelang betrogen haben. 

© Ottmar Winter PNN

Sind weitere Mitarbeiter involviert?

Zwar schreibt Vogtherr in seinem Brief, die Abnehmer der Waren „handelten offenbar in der Annahme, mit dem Geld würden die Forderungen gegen die Stiftung ausgeglichen werden“. Doch daran gibt es auch intern Zweifel. „Das wäre schon ausgesprochen naiv zu glauben, dass alles rechtens läuft, wenn einer mit Bargeld in der Tasche zu einem Kollegen geht und ihm Werkzeug abkauft“, sagte ein Stiftungsmitarbeiter dieser Zeitung. Er hält dies für ebenso unwahrscheinlich wie die Tatsache, dass der Chef des Schirrhofs und damit der Vorgesetzte des Material-Disponenten über all die Jahre nichts mitbekommen haben soll. „Er hätte das merken müssen“, sagte der Mitarbeiter. „Entweder er hat seinen Job nicht gemacht, oder er hat sich selbst etwas zu schulden kommen lassen.“

Um wie viel Geld geht es?

Weder die Staatsanwaltschaft noch die Stiftung wollen sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen zu der Schadenshöhe äußern. In seinem Mitarbeiterbrief schreibt Vogtherr von einem „erheblichen Schaden“. Nach PNN-Informationen ist unter Mitarbeitern der Schlösserstiftung von einem Betrag in Millionenhöhe die Rede.

Welche Schritte sind geplant?

Die Aufklärung läuft auf drei Ebenen. Neben den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kümmert sich intern die Generalverwaltung mit der Innenrevisorin um die Sicherung von Beweisen. In seinem Brief ruft Stiftungschef Vogtherr zudem alle Mitarbeiter, die sich privat Material über den ehemaligen Disponenten beschafft haben dazu auf, sich selbst bei der Generalverwaltung zu melden. Einige Hinweise habe es bereits gegeben, sagte deren Direktor Kai Schlegel. Als drittes wurde im Januar eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt. Ihre Aufgabe ist es, „Risiken im Beschaffungsprozess des Schirrhofes zu identifizieren, die das Vorgehen des ehemaligen Beschäftigten erst ermöglicht haben“, so Sprecher Kallensee. So sollen, sagt Schlegel, „Schwachstellen gefunden und Empfehlungen für die Zukunft gegeben werden“.

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Warum blieb der Fall so lange unentdeckt?

Das ist nun Gegenstand der internen und externen Ermittlungen. „Wir wollen verstehen, warum das Vier-Augen-Prinzip hier nicht funktioniert hat“, sagt der Direktor der Generalverwaltung Schlegel. Eigentlich müssten Rechnungen, für die Stiftungs- und damit letztendlich Steuergeld ausgegeben wird, immer von einer zweiten Person gegengezeichnet werden.

Wie reagiert der Stiftungsrat?

Das Brandenburger Kulturministerium – Ministerin Manja Schüle (SPD) ist stellvertretende Vorsitzende des Stiftungsrates – hat sich am Dienstag hinter die von den Ländern Brandenburg und Berlin sowie dem Bund getragene Stiftung gestellt. Diese habe „schnell und konsequent die erforderlichen Schritte zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts eingeleitet“, hieß es.

Wie ist die Stimmung intern?

In der Belegschaft der Schlösserstiftung ist der mutmaßliche Untreuefall bereits seit November ein großes Thema. Seit der Material-Disponent, mehr als zehn Jahre im Amt, nicht mehr auf seinem Posten war, mehrten sich die Spekulationen. „Es ist unfassbar, dass es auf dem Schirrhof offenbar lief wie in einem Selbstbedienungsladen“, sagte ein Mitarbeiter den PNN. Besonders heikel aus seiner Sicht: Der Chef des Schirrhofs, seit 40 Jahren für die Stiftung tätig, sei auch seit vielen Jahren Vorsitzender des Personalrats. Auch andere Beteiligte seien Mitglieder im Personalrat – ebenso wie die Innenrevisorin. Diese solle nun zur internen Aufklärung beitragen. Aufgrund dieser Verflechtungen befürchtet der Mitarbeiter eine Befangenheit. „Ich habe Zweifel an der Transparenz und mache mir wie viele ehrliche Mitarbeiter Sorgen um den Ruf der Stiftung.“

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