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Die Menschen flanieren wieder über die Brandenburger Straße, die größte Einkaufsstraße in Potsdam.

© Ottmar Winter

Unternehmer in Potsdam: Sorgen vor einem neuen Corona-Lockdown

Die Coronakrise hat Potsdams Unternehmer stark zugesetzt, aber auch auf neue Wege geführt. Zudem gibt es eine große Sorge.

Von Florian Kistler

Potsdam - Der Corona-Kater hat die Potsdamer Läden noch fest im Griff. Auch wenn inzwischen wieder fast alle Geschäfte und Gastronomen geöffnet haben, sei man noch weit von der Normalität entfernt. „Es entwickelt sich inzwischen wieder positiv, aber vor der Coronakrise war natürlich alles anders“, sagt Bärbel Schälicke von der AG Innenstadt. Schön zu sehen sei, dass viele Stammkunden inzwischen wieder den Weg in die Läden finden und auch die Innenstadt wieder aufblühe. „Es kommen auch wieder mehr Touristen, die jetzt nicht weit weg in den Urlaub fahren können und stattdessen Wochenendausflüge machen“, so Schälicke.

"Es kann ja jederzeit wieder anders werden"

Gleichzeitig sei die Sorge aber groß, wie es in Zukunft weitergehe. Ein erneuter Lockdown würde bei den meisten zu großen finanziellen Problemen führen. „Wir wissen nicht, was die nächsten Tage oder Wochen passiert, es kann ja jederzeit wieder anders werden“, sagt Schälicke. Fragt man bei der Stadt nach, so gab es von Jahresbeginn bis Ende Mai 565 Gewerbeanmeldungen und 722 -abmeldungen. Dass es vermehrt zu Insolvenzen gekommen sei, verneint das Amtsgericht Potsdam. Demnach gebe es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum keinen ungewöhnlichen Anstieg der Fälle.

Bärbel Schälicke von der AG Innenstadt.
Bärbel Schälicke von der AG Innenstadt.

© Ottmar Winter

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Das könnte auch am Corona-Soforthilfe-Programm der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) liegen. Viele Potsdamer Läden und Firmen konnten die Zeit, in der sie überhaupt keine Kunden hatten, damit finanziell überbrücken. So auch Daniel Schirbach, der mit seiner Agentur „Pro Sport Service“ Reisen und Unterbringung von Sportlern und Mannschaften koordiniert und managed. „Ich habe 9000 Euro Corona-Soforthilfe erhalten. Das Geld reicht zum Überleben. Ich habe meinen laufenden Kosten heruntergefahren, soweit es ging“, so Schirbach. Aktuell herrsche bei ihm noch immer stillstand. „Da im Profisport aktuell wenig passiert, ist auch bei mir nicht viel los.“ Wie es weitergeht? Ungewiss. „Das kommt vor allem auf die Branche an, wie schnell sie sich wieder öffnet. Wenn es wieder Auswärtsspiele und internationale Turniere gibt, dann habe ich auch wieder Aufträge.“

Unbürokratische Auszahlung überraschte

Die Corona-Hilfe der ILB ist am 25. März gestartet. Insgesamt wurden bis zum Ende am 31. Mai in ganz Brandenburg knapp 76.000 Anträge eingereicht. In 63.500 Fällen wurde die Soforthilfe auch ausgezahlt. In Potsdam sind es laut Auskunft der ILB rund 5200 Anträge gewesen. Zusagen in Höhe von 46 Millionen Euro wurden Seitens der ILB in der Landeshauptstadt getätigt.

Tillmann Stenger, Vorstandsvorsitzende der ILB.
Tillmann Stenger, Vorstandsvorsitzende der ILB.

© Ottmar Winter

Der Vorstandsvorsitzende der ILB, Tillmann Stenger, versicherte zu Beginn des Programms, dass die Soforthilfe „so zügig wie möglich bearbeitet und die Zuwendung so schnell als möglich ausgezahlt“ werde. Hört man sich bei den selbstständigen Potsdamern um, dann waren viele von der unbürokratischen Auszahlung überrascht. „Das Geld war eine Woche nach dem Antrag da. Das hätte ich nicht gedacht, das war eine super Sache“, sagt Gastronomin Lena Mauer, die in Potsdam die „Theaterklause“ an der Zimmerstraße, das „Café Midi“ im Treffpunkt Freizeit am Neuen Garten, die „fabrik-Küche“ an der Schiffbauergasse sowie das „Otto“, die Kantine des Hans Otto Theaters, betreibt. Sie hat 30.000 Euro von der ILB erhalten. Allerdings sei die Hilfe nur ein „schneller Tropfen auf den heißen Stein“ gewesen. „Das Geld war rasch aufgebraucht“, so Mauer. Auch jetzt, nachdem die Gastronomiebetriebe wieder öffnen durften, lege das Gesamtgeschäft immer noch 50 Prozent unter dem vor der Pandemie. „Das liegt vor allem am Catering, das wir anbieten, da läuft im Moment gar nichts“, so Mauer. Von den 38 Beschäftigen sind aktuell noch 27 übrig, etwa 40 Prozent seien in Kurzarbeit. Durch den Corona-Umbruch habe sich die strategische Ausrichtung geändert. „Wir setzen jetzt mehr auf unsere Läden und die Belieferung von Kitas mit Essen“, sagt Mauer.

Lena Mauer
Lena Mauer

© Sebastian Gabsch

Auch bei Sabine Noack von der Activity Schauspielschule für Kinder und Jugendliche laufe es derzeit nur schleppend. „Wir haben ein paar Workshops, aber die Gruppen in den kommenden Wochen schwächeln etwas.“ Noack bietet seit Ende Mai wieder Kurse an. Mit den 9000 Euro Corona-Soforthilfe habe sie die laufenden Kosten decken können. „Bis jetzt reicht das Geld, aber langsam wird es knapp. Wir werden jetzt versuchen, neue Zuschüsse zu beantragen. Das geht aber über den Steuerberater und die Wirtschaftsprüfung“, so Noack.

Etwas vorbereitet auf den nächsten Lockdown

Wenn man so will, kann man der Coronakrise zumindest etwas Positives abgewinnen. Der Zusammenhalt unter den Läden wurde gestärkt. Als die Pandemie Potsdam fest im Griff hatte und Geschäfte geschlossen bleiben mussten, gründete sich der Zusammenschluss „Potsdamer Lebensqualität“. Das Ziel: den Kunden einen gemeinsamen Lieferdienst anbieten, der Ware von verschiedenen Läden gemeinsam ausliefert oder zur Abholung vor Ort zusammenstellt. „Das wurde gut angenommen. Natürlich war die Frequenz nicht ganz hoch, aber die Nachfrage war da“, so Dietmar Teickner, der seit 17 Jahren das „Lakritzkontor“ in der Jägerstraße führt und den Zusammenschluss koordiniert. Vor einigen Tagen ist „Potsdamer Lebensqualität“ in einen Verein übergegangen. „Im Moment ruht der Lieferservice etwas. Wir haben aber jetzt die Strukturen geschaffen. Sollte es noch einmal zu einem Lockdown kommen, dann sind wir bereit dafür“, so Teickner. Mit dem neuen Verein und der dazugehörigen Internetseite www.ici-potsdam.de wolle man jetzt auch für die Innenstadt werben und zeigen, dass es sich lohnt, dort einzukaufen.

Schälicke von der AG Innenstadt konnte ebenfalls etwas Positives an der Corona-Pandemie beobachten. „Die Läden präsentieren ihre Produkte jetzt vielmehr im Internet, beispielsweise auf Instagram.“ Darauf hätten die meisten früher weniger Wert gelegt. „Die Kunden können so sehen, was es alles gibt und dann vor Ort einkaufen“, so Schälicke.

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