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Spitzenforschung im Go:in. Das Start-up Ripac hat sich auf veterinärmedizinische Infektionsdiagnostik spezialisiert. Firmenchef Alexander Repp (hinten l.) erklärt IHK-Chefin Beate Fernengel und Standortmanager Friedrich Winskowski die Arbeit der Firma.

© A. Klaer

Unternehmen in Platznot: Golmer Forschungsfirmen kritisieren die Stadt

Die gekündigten Unternehmen aus dem Gründerzentrum Go:in werfen dem Rathaus Versäumnisse vor. Die Stadt plant neues Büro- und Laborgebäude

Von Peer Straube

Golm - Nach der Kündigung der Mietverträge von vier Spitzen-Start-ups im Golmer Gründerzentrum Go:in erheben die betroffenen Unternehmen schwere Vorwürfe gegen die Stadt. Jahrelang sei man vom Rathaus in der falschen Sicherheit gewiegt worden, es werde für die Firmen eine Ausweichlösung am Standort geschaffen, sagten Vertreter der vier Unternehmen Ripac, MK Factory, Gilupi und Nanolytics am Donnerstag bei einem Vor-Ort-Termin mit der Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK), Beate Fernengel. Vor wenigen Wochen habe es dann geheißen, ein Verbleib am Standort sei doch nicht möglich. Scharfe Kritik äußerte auch Friedrich Winskowski, der von der Stadt und dem Land eingesetzte Standortmanager des Golmer Wissenschaftsparks. Die Stadt habe geschlafen, sagte er und warf dem Rathaus „Versagen in der Wirtschaftspolitik“ vor. Dass im Wissenschaftspark neue Büroräume und Labore für Start-ups gebraucht werden, sei seit Jahren klar. Trotzdem sei es versäumt worden, für Ersatz zu sorgen, sagte Winskowski.

Wie berichtet, müssen die vier Forschungsunternehmen aus Bereichen der Spitzentechnologie mit ihren insgesamt 60 Mitarbeitern das Go:in verlassen, weil die Förderung nach acht Jahren ausläuft. Die Kündigungen wurden bereits ausgesprochen, das erste Unternehmen muss zum Jahresende ausziehen, die anderen bis Ende März 2015. Das Go:in wurde aus Mitteln des Bundes, des Landes und der EU zu 80 Prozent gefördert und 2006 eröffnet. Die Betreibergesellschaft gehört je zur Hälfte der Stadt Potsdam und dem Landkreis Potsdam-Mittelmark. Die Start-ups, oft sind es Ausgründungen der ansässigen Wissenschaftseinrichtungen, können dort zu günstigen Konditionen Büros und Labore mieten.

Toralf Schirmag von der Potsdamer Wirtschaftsförderung räumte gegenüber den PNN am Donnerstag ein, dass das Ziel, für die Firmen bis zum Zeitpunkt des Auslaufens der Mietverträge eine Ersatzlösung in Golm zu schaffen, nicht erreicht worden sei. Man sei im Rathaus aber keineswegs untätig gewesen. Seit fünf Jahren versuche die Stadt, Investoren für einen Neubau zu gewinnen. Allerdings sei die Rendite beim Bau eines Büro- und Laborgebäudes so gering, dass sich niemand gefunden habe. Daran werde sich auch in nächster Zeit „nichts ändern“, sagte Schirmag.

Die Stadt wolle daher in Vorleistung gehen und die kommunale Technologie- und Gewerbezentren Potsdam GmbH (TGZP) damit beauftragen, ein neues Büro- und Laborgebäude mit einer Nutzfläche von 2500 Quadratmetern zu planen und dafür eine Baugenehmigung zu beantragen. Die Planungskosten von 350 000 Euro sollen von der TGZP und von der Stadt getragen werden, die Beschlussvorlage soll den Stadtverordneten noch in diesem Jahr vorgelegt werden, sagte Schirmag. Wenn nach der Planung Klarheit über die Baukosten herrsche, müsse entschieden werden, ob die Stadt selbst baut oder sich zumindest einen Partner sucht. Dabei hofft die Stadt auch auf finanzielle Unterstützung vom Land.

Für die vier gekündigten Unternehmen gibt es unterdessen Hoffnung auf einen Verbleib am Standort. Eines der vier werde womöglich sogar übergangsweise im Go:in bleiben können. Dem Vernehmen nach handelt es sich um das auf Forschung im Bereich der Veterinärmedizin spezialisierte Unternehmen Ripac, das gerade einen bedeutenden Forschungsauftrag des Bundes an Land gezogen habe. Dafür würden speziell zertifizierte Räume benötigt, die es im Go:in gebe, hieß es. Dass man „im Einzelfall“ über eine Ausnahmeregelung verhandele, bestätigte auch Matthias Haensch, Sprecher der Landesförderbank ILB. Allerdings müsse wegen der Förderrichtlinien auch der Bund seine Zustimmung geben. Den anderen drei Unternehmen sollen Räume anderswo im Stadtgebiet angeboten werden, etwa auf dem Biotechnologiecampus auf Hermannswerder.

Alle betroffenen Unternehmen wollen nach eigener Aussage vorzugsweise in Golm bleiben, nicht zuletzt, weil sie Kooperationen mit den ansässigen Max-Planck- und Fraunhofer-Instituten oder der Universität Potsdam eingegangen sind und das Know-how am Standort wirtschaftliche Vorteile bringt. Allerdings müssten die Voraussetzungen stimmen. Einen Umzug in ein Ausweichquartier, bis in Golm ein neues Büro- und Laborgebäude steht, kommt für die meisten nicht infrage. Im benachbarten Werder etwa sei die Gewerbemiete um die Hälfte niedriger, sagte Christian Schilling von der Firma Nanolytics, die neue Messmethoden für die Pharmaindustrie entwickelt.

Eine Abwanderung der Firmen wäre aus Sicht des Standortmanagers fatal. Der Stadt würden wichtige Gewerbesteuereinnahmen verloren gehen, weil die Unternehmen jetzt so weit seien, mit marktfähigen Produkten Geld zu verdienen. IHK-Chefin Fernengel erklärte, sie wolle in der Politik „auf höchster Ebene“ um Unterstützung für die Firmen werben.

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