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Unter Druck: Potsdamer IHK-Chef vor Rückzug

Vetternwirtschaft, Privilegien und Verschwendung – Kammer bestätigt neue Vorwürfe gegen Stimming

Potsdam - Nach neuen Hinweisen auf Vetternwirtschaft und Verschwendung steht der Präsident der Potsdamer Industrie- und Handelskammer, Victor Stimming, vor dem Rückzug. Nach PNN-Informationen will Stimming auf einer wegen der Affäre vorgezogenen IHK-Vollversammlung am heutigen Mittwoch verkünden, dass er abtreten wird – offiziell aus gesundheitlichen Gründen.

Stimming, der seit 1995 die mit 77 000 Unternehmen größte IHK Brandenburgs führt, ist weiter unter Druck geraten. Die IHK musste PNN-Informationen bestätigen, wonach eine Firma der Stimming-Familie einen Kammer-Auftrag beim aktuellen Projekt zur Sanierung der Villa Carlshagen in Potsdam als Sitz einer neuen IHK-Stiftung erhalten hat. Bestätigt wurde auch, dass er als ehrenamtlicher Präsident eine Aufwandsentschädigung erhält, zu deren Höhe keine Angaben gemacht wurden. Nach PNN-Informationen sind es mehr als 20 000 Euro, aber weniger als 40 000 Euro jährlich. Bestätigt wurde auch, das von Stimming geführte Präsidium der IHK im Jahr 2012 in Malta tagte und dass eine IHK-finanzierte Altersversorgung für den Präsidenten – für ein Ehrenamt – in Vorbereitung war, jetzt aber auf Eis liegt. Die IHK finanziert sich aus Pflichtbeiträgen von Firmen.

Stimming war 2012 als Präsident für fünf Jahre wiedergewählt worden. Das Präsidentenamt lässt sich die IHK, zu der der Westen des Landes gehört, einiges kosten. In den letzten Wochen war Stimming bereits in die Kritik geraten, weil die Kammer ihm neben einem Oberklasse-Dienstwagen eine Sekretärin der IHK in seiner Baufirma HIB in Brandenburg an der Havel finanziert. Nach Argumentation der Kammer, um „das Arbeitspensum des IHK-Präsidenten in einer Normalbeschäftigung zu ermöglichen“. Bei den anderen Kammern im Land ist beides nach PNN-Recherchen nicht üblich. Stimming selbst warb in einem Brief vom 15. November an die Mitglieder der IHK-Vollversammlung um Verständnis für die bereitgestellte Mitarbeiterin. Er habe nicht die Zeit, jedes Mal nach Potsdam zu reisen: „Dann kann ich mein eigenes Unternehmen nicht mehr führen.“

Die Potsdamer IHK, die als vermögend gilt, saniert derzeit die Villa Carlshagen an der Havel als repräsentativen Sitz einer geplanten neuen IHK-Stiftung. Bereits am Bau des IHK-Gebäudes in der Potsdamer Innenstadt vor einigen Jahren war die Firma des Stimming-Sohnes beteiligt. Zudem war dem Präsidenten selbst danach für seinen Einsatz ein Honorar über 31 000 Euro gezahlt worden. Auch jetzt ist die Familie wieder im Geschäft: „Zur Projektsteuerung und gezielten Aufwandsreduzierung in der vor dem Bau liegenden Phase des Vorhabens ist das Baubüro Dr. Stimming & Partner GmbH beauftragt“, bestätigte die IHK den PNN. Geschäftsführer der Firma ist laut Handelsregister Stimmings Sohn, Hauptgesellschafter der Firma HIB in Brandenburg, in der der IHK-Präsident Geschäftsführer und Hauptgesellschafter ist. Dem Vernehmen nach geht es um einen Auftrag in Höhe von rund 40 000 Euro. Zum Auftragsvolumen macht die IHK keine Angaben.

Neben der offiziell bestätigten Präsidiumssitzung im Jahr 2012 auf der sonnigen Mittelmeerinsel Malta birgt auch die geplante kammerfinanzierte Altersversorgung für Ex-Präsidenten einigen Sprengstoff. Die Vorbereitungen dafür waren in vollem Gange. „Es gibt einen Präsidiumsbeschluss zu einer möglichen Versorgungszusage für Präsidenten“, bestätigt die IHK. „Die Zusage ist bisher aber nicht wirksam zustandegekommen. Es gibt bis heute keine ausformulierte und unterzeichnete Erklärung.“

Die Vollversammlung, das Parlament der IHK mit 77 Mitgliedern, verlangt Aufklärung. In den Reihen rumort es wegen der großzügigen Ausgabenpraxis und immer neuer publik werdender Details. Es werden Forderungen laut, das Finanzgebaren der IHK durch den Landesrechnungshof oder externe Wirtschaftsprüfer untersuchen zu lassen. Gegenüber den PNN sagten am Dienstag beide IHK-Vizepräsidenten, Johannes Werner, Chef der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, und die Potsdamer Hoteldirektorin Beate Fernengel, das Aufklärung nötig sei. „Die Mitglieder haben darauf Anspruch, weil sie die IHK bezahlen“, sagte Werner. (mit axf)

Lesen Sie mehr dazu in der Mittwochausgabe der Potsdamer Neuesten Nachrichten und ab 22 Uhr unter pnn.de/e-paper.

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