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Versuchspflanzen. Eine junge Mitarbeiterin aus China sortiert „Arabidopsis thaliana“ für molekularbiologische Untersuchungen. Die „Ackerschmalwand“ war die erste Pflanze, deren gesamte genetische Information aufgedeckt werden konnte.

© G. Schenke

Landeshauptstadt: Unkraut als Modell für Forschung

Umweltministerin Tack besuchte Pflanzenphysiologen in Golm – Direktor fordert Entwicklungskonzept

Golm – Aus zahllosen kleinen Blumentöpfen sortiert eine chinesische Mitarbeiterin zarte Pflänzchen nach ihrem Entwicklungszustand aus. „Arabidopsis thaliana“ laute der wissenschaftliche Name und für eine Chinesin ist er auf Deutsch sogar noch unaussprechlicher: „Ackerschmalwand“. Es ist eine etwa zehn Zentimeter hohe Pflanze aus der Familie der Kreuzblütler.

„Das ist eines unserer Referenzobjekte – ein Unkraut“, sagt Mark Stitt, Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts (MPI) für Molekulare Pflanzenphysiologie in Golm. Der mit seinen Turnschuhen und schulterlangen blonden Locken von Kopf bis Fuß unkonventionell wirkende Professor mit englischem Akzent führte am Freitag Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) durch das Institut am Golmer Mühlenberg. Wie die weiße Maus bei den Tieren diene „Arabidopsis“ bei den Pflanzen als Versuchsobjekt der Forschung. Der Grund: Es sei die erste Pflanze, deren gesamte genetische Information im Jahre 2000 aufgedeckt werden konnte. Allerdings erfolgte diese Entdeckung nicht am MPI. Aber die Analyse von genetischem Material gehört auch hier zum Methodenstandard in den Forschungslaboren.

Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherministerin Tack zeigt sich sehr interessiert an den Forschungsergebnissen und fragte: „Wie können wir sie nutzbar machen?“ Schließlich habe das Parlament den Auftrag für eine Nachhaltigkeitsstrategie erteilt. Stitt erläutert in einem Vortrag, wie die Grundlagenforschung funktioniert. Zum Beispiel stehe die Entwicklung einer besseren und umfassenderen Analytik auf dem Programm. Natürlich hätten die Wissenschaftler zahlreiche Anwendungen im Visier bis hin zur Entwicklung von Antidepressiva für die Medizin.

Der Weg dahin scheint steinig. Die Kompliziertheit der Materie lässt keine einfachen Lösungen zu. „Zwanzigtausend Gene und dreißigtausend Eiweiße und dazu die Verknüpfungen ...“, beschreibt der Wissenschaftler die Situation. Zum Beispiel haben molekulare Pflanzenphysiologen aus Golm zusammen mit Forschern aus Brasilien und Argentinien einen neuen Marker für die Erbsubstanz getestet. Es handelt sich um ein grün fluoreszierendes Protein, das neue Möglichkeiten im molekularen Bereich ermöglicht – ein winziger Baustein zur Erforschung des Wirkgefüges in der Pflanzenzelle.

Mehr als 400 Mitarbeiter hat das Institut, die Hälfte des wissenschaftlichen Personal kommt aus dem Ausland. Den größten Anteil stellen die Polen. Mit der Jagiellonian-Universität Kraków gibt es eine Kooperationsvereinbarung über eine gemeinsame Forschungsgruppe. Wissenschaftsstaatssekretär Martin Gorholt (SPD), der zusammen mit Tack nach Golm kam, war voller Anerkennung über das Renommee, das die hiesigen Forschungen genießen. Das Land beteilige sich am finanziellen Etat zu 25 Prozent. Anita Tack brachte die „Umweltzertifizierung von Institutsgebäuden“ ins Spiel und verwies damit auf Einsparmöglichkeiten. „Wir arbeiten daran“, sagt Stitt. Und: „Wenn wir 50 000 Euro sparen können, sind wir gemacht.“ Der Rundgang zeigte, dass die Klimatisierung der zahlreichen „Phytotrone“ – Räume, in denen die Pflanzen unter konstanten Bedingungen wachsen – große Energiefresser sind.

Stitt sprach auch die weitere Entwicklung des Campus an. Ohne Weiterentwicklung gebe es keine Perspektive im Konkurrenzbetrieb der Wissenschaftsstandorte. „Es genügt nicht, etwas zu bauen und dann ist wieder eine Weile Schluss; wir brauchen vielmehr ein Entwicklungskonzept“, fordert er.

Günter Schenke

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