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Uni-Professor zur Hilfe für Edward Snowden: „Außenpolitik nicht Potsdams Angelegenheit“

Die Fraktion Die Andere will, dass Potsdam die Haftung für die Lebenshaltungskosten des Whistleblowers Edward Snowden übernimmt, sollte der in Deutschland Asyl beantragen. Ob das Toleranzedikt da greift?

Wenn der in Moskau festsitzende Whistleblower Edward Snowden in einer deutschen Botschaft die Einreise nach Deutschland aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen beantragt, soll Potsdam die Haftung für die Lebenshaltungskosten des Amerikaners übernehmen – das will die Fraktion Die Andere vom Potsdamer Stadtparlament beschließen lassen. Ist das nach Ihrer Ansicht möglich?

Ich halte den Antrag für unzulässig. Wenn die Stadtverordneten etwas beschließen, muss es sich um eine örtliche Angelegenheit der Stadt Potsdam handeln, eine Sache, über die die Stadt auch entscheiden darf. Damit hat der Antrag aber gar nichts zu tun. Es geht hier um die Asyl- und Außenpolitik. Dafür ist die Bundesregierung zuständig. Deshalb dürfte der Antrag meines Erachtens gar nicht auf die Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung gesetzt werden.

Thorsten Ingo Schmidt lehrt und forscht seit 2009 als Professor für Öffentliches Recht an der Uni Potsdam. Zuvor war der 1972 in Kassel geborene Verwaltungsrichter in Hannover.

Die Fraktion Die Andere beruft sich auf das Neue Potsdamer Toleranzedikt, mit dem sich die Stadt für Menschenrechte und den Schutz vor politischer Verfolgung einsetzt

Das wäre der einzige Ansatz. Aber auch damit kann die Stadt Potsdam ihre eigene Zuständigkeit nicht über die verfassungsrechtlichen Grenzen hinaus erweitern. Mich erinnert das Ganze an die 1980er-Jahre in Westdeutschland, zu Zeiten des Nato-Doppelbeschlusses und der Nachrüstung, als Städte sich zu atomwaffenfreien Zonen erklärt haben, was ebenfalls unzulässig war.

Nun geht es bei dem Antrag auch um eine Haftungsübernahme für einen Ausländer, wie sie Deutsche unterschreiben, die Freunde aus ärmeren Ländern einladen, damit diese überhaupt ein Visum bekommen. Kann man den Antrag nicht so verstehen?

Auch wenn man den Antrag in dieser Weise deutet, müsste die Einladung immer noch im Zusammenhang mit der Stadt Potsdam stehen. Als Privatperson können sie einladen, wen sie wollen. Die Stadt Potsdam ist aber, anders als eine Privatperson, kein Grundrechtsträger. Sie kann sich nur auf die kommunale Selbstverwaltung berufen. So eine Garantie könnte die Stadt übernehmen, wenn der Einzuladende etwa eine kulturelle oder wissenschaftliche Leistung für die Einwohner Potsdams erbrächte und so der Bezug zu den örtlichen Angelegenheiten bestände. Zwar handelt es sich im Fall Snowden um eine Haftungsübernahme aus achtenswerten, humanitären Motiven, dafür ist Potsdam aber nicht zuständig. Die Stadt darf durch ihr Verhalten nicht die außenpolitischen Positionen der Bundesrepublik untergraben.

Edward Snowden war in dieser Woche nicht das einzige Thema mit außenpolitischem Bezug. Am Dienstag wurde am Rathaus die Flagge „Bürgermeister für den Frieden“, die sich gegen Atomwaffen richtet, gehisst. Ein ähnlich gelagertes Thema?

Das ist genauso unzulässig. Es kann nicht jede Kommune ihre eigene Nebenaußenpolitik betreiben.

Die Fragen stellte Ingmar Höfgen

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