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Premiere. Zum ersten Mal sind auch Journalisten aus dem arabischen Sprachraum und aus Nordafrika beim internationalen Jugendmedienworkshop M100 Sanssouci dabei.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Unendliches Potenzial gegen die Angst Workshop für junge Journalisten aus aller Welt

Babelsberg - Es gibt so viel zu besprechen. Sie kommen nachts nicht mal richtig zum Schlafen, weil sie so viel diskutieren müssen, sagt die 26-jährige Wafia Adouane aus Algerien.

Babelsberg - Es gibt so viel zu besprechen. Sie kommen nachts nicht mal richtig zum Schlafen, weil sie so viel diskutieren müssen, sagt die 26-jährige Wafia Adouane aus Algerien. Die junge Frau arbeitet dort als Journalistin bei einer unabhängigen Zeitung. Diese Woche nimmt sie am Jugendmedienworkshop 2012 teil, der im Rahmen der Medienwoche M 100 Sanssouci Colloquium im Babelsberger Medienzentrum stattfindet.

130 Nachwuchsjournalisten hatten sich für die 20 Plätze beworben, die Auswahl fiel der Jury unter Projektleiterin Sabine Sasse schwer. Die Qualität der Bewerbungstexte sei meist sehr überzeugend gewesen, ausschlaggebend für eine Zusage war aber auch die Motivation. Zum ersten Mal seit 2005 kamen neben Teilnehmern aus ganz Europa unter anderem auch Nachwuchsjournalisten aus den Staaten des sogenannten arabischen Frühlings wie Algerien, Tunesien, Ägypten und Syrien. Punktuell habe es dabei Probleme mit der Visabeschaffung gegeben. Aber alle konnten pünktlich anreisen, das Auswärtige Amt, Sponsor für Reisekosten und Unterkunft der Teilnehmer, hatte notfalls unkompliziert geholfen, sagte Sasse.

Wafia Adouane sagt, zeitweise brach in Algerien die Internetseite der Botschaft zusammen, sodass sie das Visum nicht rechtzeitig beantragen konnte. Hier in Deutschland ist sie von der Ordnung und Sauberkeit beeindruckt. Alles sei außerdem so grün – „und die Menschen sind so pünktlich! Wenn wir uns für zehn Uhr verabreden, kommen wir um eins!“, sagt sie und lacht. Aber im Grunde nutzen alle Teilnehmer die Gelegenheit, Vorurteile aus dem Weg zu räumen, erzählt sie. Was sie verbindet, ist die Leidenschaft für moderne Medien und Kommunikation und deren Einsatz für Demokratie. Vor ihnen auf den Tischen im Seminarraum stehen Laptops und Notebooks, Kabel mit internationalen Steckern und Adaptern werden verstöpselt. Am Dienstag hat die Gruppe Berlin besucht, den Sender Deutsche Welle und das Außenministerium.

Am gestrigen Mittwoch sollte exemplarisch zum unverfänglichen Thema „Wasser“ eine Medienkampagne erstellt werden. Workshoptrainer Asiem El-Difraoui gibt den Rahmen vor: Zuerst ein Brainstorming, jeder berichtet, welche Rolle Wasser in seinem Land spielt, ob es Probleme gibt. „Lasst uns eine Mind Map erstellen“, schlägt eine junge Frau vor. Dann werden Arbeitsbereiche festgelegt: „Wer hat Erfahrung mit Schnitttechnik, mit Interviews, mit Recherche?“, fragt El-Difraoui: „Welche Tools wollt ihr nutzen? Welche Überschrift bekommt das Projekt?“ Auf Englisch werden die Ideen zusammengetragen, hinter jedem jungen Gesicht, das für ein ganzes, manchmal krisen- und gewaltgeschütteltes Land steht, verbirgt sich, scheint es, unendliches Potenzial.

Maryam Jaafar ist 22, in Bagdad arbeitet sie als Journalistin und Website-Redakteurin, hat über Ehrenmorde, Kinderhandel oder Bomben berichtet. Junge Frauen, sagt sie, müssen noch viel mehr ermutigt werden, etwas für ihre berufliche Karriere zu tun, unabhängig zu werden. „Sie gehen zwölf Jahre zur Schule und absolvieren vier Jahre Kolleg, aber danach verlieren sie die Hoffnung. Und fallen in das alte Rollenmuster“, sagt Jaafar. Dabei sei in der irakischen Verfassung die Gleichberechtigung von Mann und Frau festgehalten, es gibt sogar Frauenquoten. Doch die meisten Mädchen bräuchten mehr Rückhalt von ihren Familien, ist sie überzeugt. Sie hat diese Unterstützung bekommen, schon 2011 war sie für drei Monate in Brüssel.

So sehr ihnen Europa, Deutschland und Potsdam gefallen, zuerst einmal sind die Nachwuchsjournalisten hier, um etwas für ihre Heimatländer mitzunehmen. Auf die Fragen, woher er kommt, wohin er geht, kann Ibrahim Fayad zwar keine eindeutigen Antworten geben. Sein ganzes Leben passt derzeit in einen Rucksack. Doch irgendwann will der 24-jährige Syrer wieder zurück nach Hause, vielleicht schon im September. „Ich habe keine Angst mehr“, sagt der angehende Politologe, der im Winter nach Tschechien will, um dort seinen Master zu machen. „Die Angst vor dem politischen Regime macht einen fertig, aber jetzt ist sie weg, und damit ist auch das Regime tot“, erklärt Ibrahim Fayad. Ob sie hier darüber untereinander sprechen, die jungen Menschen aus den „countries in transition“? Nein, das müssen sie nicht, sagt Mohamed Rahmo aus Marokko. Die Hoffnung und ihr Wille, die Zivilgesellschaft wieder aufzubauen, verbindet sie, auch ohne dass es ausgesprochen werden muss. Mithilfe der neuen Medien werden sie in Kontakt bleiben. Steffi Pyanoe

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