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Umweltzerstörung, Toleranz und die Garnisonkirche: Freidenker treffen sich monatlich in Potsdam

Garnisonkirche, Umweltzerstörung, Toleranz: Einmal monatlich trifft sich in Potsdam eine Gruppe Freidenker, um über ihre Sicht auf die Welt zu diskutieren. Und das hat Tradition.

Potsdam - Drei Lametta-Girlanden sind noch von einer Silvesterfeier übrig. Sie hängen unter der Zimmerdecke des separaten Raums im China Haus an der Zeppelinstraße. Unter ihnen sitzen an einem länglichen Tisch im gelben Licht rot-goldener Deckenlampen Mitglieder und Sympathisanten des Freidenker-Verbandes Brandenburg. Die zwölf Personen sind an diesem Donnerstag im Januar zusammengekommen, um sich auf Diskussionsthemen für 2019 zu verständigen. Auch wollen sie die Lage der Gesellschaft besprechen.

Mitglieder mit atheistischer oder agnostischer Weltanschauung

„Wir verfolgen keine politischen Ziele“, sagt der Vorsitzende Ralf Lux. „Wir möchten nur unsere Sicht auf die Welt publik machen.“ Der Freidenker-Verband setzt sich aus Mitgliedern mit atheistischer oder agnostischer Weltanschauung zusammen. Das sind Personen, die entweder gar nicht an einen Gott glauben, oder die Existenz eines solchen für sich offenlassen. Laut Ralf Lux möchte sich der Verband für ein friedliches Miteinander zwischen religiösen und religionsfreien Menschen einsetzen.

Dafür nehmen die Freidenker unter anderem am Ostermarsch teil, engagieren sich in der Friedensbewegung oder informieren an Ständen auf Veranstaltungen zum Weltfriedenstag. „2017 gab es auf dem Bassinplatz ’Die Nacht der Freiheit’ mit dem Untertitel ’Religionen stellen sich vor’“, sagt Lux. Durch die Freidenker wurde daraus „Religionen und Weltanschauungen stellen sich vor.“ Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder zur Diskussion in der „Potsdamer Runde“ in besagtem China-Restaurant.

Seine Ursprünge hat der Begriff „Freidenker“ im 17. Jahrhundert in der französischen und englischen Aufklärung. In Deutschland taten sich erstmals im 19. Jahrhundert freichristliche Gruppierungen unter dieser Bezeichnung zusammen. „Die Deutsche Revolution von 1848 gab den Anstoß dazu“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Brandenburger Verbands, Ulf Rassmann.

In der NS-Zeit waren Freidenker verboten

Während der Weimarer Republik (1918 bis 1933) soll der Bundesverband mehr als 300.000 Mitglieder gehabt haben, sagt Rassmann. Davon gehörte rund ein Drittel zur SPD, ein weiteres Drittel zur KPD (Kommunistischen Partei Deutschlands) und das letzte Drittel der Mitglieder sei parteilos gewesen. Zu dieser Zeit habe es in Luckenwalde (Landkreis Teltow-Fläming) sogar eine Schule gegeben, die von Freidenkern gegründet wurde. Unter den Nationalsozialisten war die Freidenkerei zur „Bekämpfung politischer Ausschreitungen“ verboten. In der Bundesrepublik Deutschland entstand 1951 in Braunschweig ein neuer Verband. In der DDR wurde erst am 7. Juni 1989 in Ost-Berlin wieder ein Verband gegründet.

„Der Wahrheitsanspruch einiger Religionen wird von uns hinterfragt. Dennoch ist Toleranz für andere Meinungen bei uns sehr wichtig“, sagt Lux. Die Anwesenden bei der Potsdamer Runde kommen aus Potsdam, Berlin, Königs Wusterhausen, Wusterwitz und Frankfurt (Oder). Jeder von ihnen kann vorschlagen, was der Verband in diesem Jahr diskutieren soll. Am Ende stehen auf der Ideen-Liste die Themen „70 Jahre DDR“ und „100 Jahre Bauhaus - Infrastruktur 1“, aber auch „künstliche Intelligenz“ sowie „Gesellschafts- und Umweltprobleme durch den Kapitalismus“.

Eines der Mitglieder, der Diplom-Astronom im Ruhestand Frank Baier, sagt zum letzten Punkt der Liste: „Wir haben so ein unverschämtes Glück, in diesem riesigen Weltall auf dieser Erde zu leben. Aber wir tun alles dafür, sie kaputt zu bekommen.“ Ewiges Wirtschaftswachstum würde den Planeten zerstören. Das Gesellschaftssystem müsse nun geändert werden, um noch etwas zu retten.

Baier beschäftigt sich aber auch mit etwas lokaleren Themen. In Potsdam setzt er sich mit einer Gruppe aus Freidenkern, Christen und Humanisten jedes Berufsstandes gegen den umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche ein. „Dabei geht es nicht um die Religion, sondern darum, dass diese Kirche immer für Kriege und Konflikte stand“, sagt Baier. Unter anderem fand dort am 21. März 1933 der Staatsakt zum „Tag von Potsdam“ statt, bei dem Adolf Hitler seine Position als Reichskanzler festigte. „Ein solches Gebäude kann man einfach nicht wieder aufbauen.“ 

Vivien Tharun

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