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Der von Abrissverfügungen bedrohte Hof am Eichengrund, Groß Glienicke

© Henri Kramer

Update

Umstrittenes Nutzungsverbot: Immer mehr Stadtpolitiker wollen Kitabauernhof in Groß Glienicke retten

Die Stadt will die Nutzung eines ungenehmigten Hofs umgehend verbieten. Der Streit spitzt sich zu. Von "Psychoterror" ist die Rede. Die Fraktion Die Andere und die CDU wollen den Hof kurzfristig retten.

Potsdam - Der Druck auf die Bauverwaltung wächst: Mit zwei Dringlichkeitsanträgen wollen die Fraktionen von CDU und Die Andere den ungenehmigt errichteten Hof Fruth in Groß Glienicke retten, der von einem durch das Rathaus erlassenen Nutzungsverbot akut bedroht ist. Den Antrag verbreitete die CDU am Montag, die Fraktion Die Andere schon am vergangenen Donnerstag. 

Demnach soll die Bauverwaltung laut Die Andere auf Räumungs- und Vollstreckungsmaßnahmen auf dem Gelände am Eichengrund 1 solange verzichten, bis im Rahmen des von den Stadtverordneten beschlossenen B-Plan-Verfahrens geklärt ist, "welche Nutzungen künftig auf dem Areal zulässig sein sollen". Das Vorgehen der Verwaltung, die auf dem Nutzungsverbot für das Gelände ab Mitte September besteht, stelle eine "unbillige Härte für den Grundstückseigentümer" dar, argumentiert Die Andere. Betroffen sei damit nicht nur der Kitabauernhof vor Ort, sondern auch ein Therapiehof für Kinder und Erwachsene. Auch der Ortsbeirat habe sich für den Erhalt ausgesprochen, erklärt Die Andere weiter.

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Auch die CDU erklärte in ihrem Antrag, Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) solle den Vollzug der Nutzungsuntersagung  aussetzen, ebenso die angedrohten Zwangsgelder. Auch seien die gerichtlichen Verfahren noch nicht abgeschlossen. Das Vorgehen der Verwaltung sei daher, auch mit Blick auf die Landesverfassung, "sachlich, politisch und menschlich nicht vereinbar".

Die Zeit drängt

Über die Anträge wird in der Stadtverordnetenversammlung am Mittwoch beraten. Der Beschluss eilt aus Sicht der Antragsteller, weil schon Mitte September die von der Stadt erlassenen Nutzungsuntersagungen gelten sollen. Erst vor etwas mehr als einer Woche hatte die Stadtverwaltung dies klargestellt. Man orientiere sich dabei an einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg "zur Befolgung der Nutzungsuntersagungen", so die Stadt damals. Zu den neuen Vorstößen hat die Stadtverwaltung bisher keine Stellung bezogen: Man wolle das nicht kommentieren, hieß es bereits vergangenen Donnerstag zu dem Antrag von Die Andere. 

Es gibt keine Genehmigung - aber die Behörden waren mehrfach vor Ort

Wie berichtet kämpft der Inhaber des Gutshofs, Michael Fruth, seit Jahren um die in den 2000er-Jahren wieder hergerichtete Anlage - wie seine Vertreter mehrfach erklärt haben, seien auch Mitarbeiter der Stadtverwaltung damals vor Ort gewesen, hätten mündlich zugestimmt. Das bestätigte jetzt auch ein Sprecher des Rathauses den PNN, schränkte aber ein: "In den vergangenen 15 Jahren waren diverse Dienststellen der Landeshauptstadt vor Ort, weit überwiegend nicht das Baugeschehen betreffend."

Doch eine offizielle Baugenehmigung wurde nie erteilt, daher handelt es sich laut Rathaus um eine "illegal errichtete bauliche Anlage" im dortigen Landschaftsschutzgebiet. Zum ungenehmigten Betrieb zählt eine KfZ-Werkstatt, eine gewerbliche therapeutische Einrichtung der Tochter des Inhabers nebst einer kleineren Privatwohnung und Pferdehaltung. Der Eigentümer Fruth sieht sich nun in seiner Existenz bedroht und verweist unter anderem darauf, dass vor Ort schon zu DDR-Zeiten eine Schweinemast existierte - und er das Areal wieder ansehnlich hergerichtet habe.

Ein Fall für das Landesverfassungsgericht

Inhaber Fruth hatte zuletzt noch auf eine Beschwerde beim Landesverfassungsgericht zur Rettung seines Anwesens gesetzt. Dazu werde man innerhalb von zwei Monaten Stellung nehmen, so die Verwaltung. Doch für die Nutzungsverbote habe das "keine aufschiebende Wirkung" - sie werden also vollzogen, so das Rathaus. Auch den Inhabern teilte die Bauverwaltung zuletzt in einem den PNN vorliegenden Schreiben mit, vor Ort werde nur noch "eine Nutzung des Grundstücks zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken  möglich sein". Die jetzigen Nutzungen seien aber - bis auf den von einer Kita frequentierten Kinderbauernhof - formell illegal, so die Auffassung der Verwaltung. Daher hat sie auch Abrissverfügungen erlassen - hierzu seien aber noch Klageverfahren noch nicht abgeschlossen, sagte ein Rathaussprecher den PNN. Aktuell geht es also um die Nutzungsuntersagung für den Hof.

Fruth-Vertreter spricht von "Psychoterror" seitens der Stadt

Dagegen hat die Fruth-Seite, vertreten durch den langjährigen Chef der Bauaufsicht des Landes Brandenburg, Gerd Gröger, nun erneut Widerspruch eingelegt. Gröger sagte den PNN, an die Anordnung einer sofortigen Vollziehung würden rechtlich besonders hohe Ansprüche gestellt, da so die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage durchbrochen würde. Die Nutzungsuntersagungen seien unter anderem ein Eingriff in die Berufsfreiheit - auch deswegen führe man die Verfassungsbeschwerde. Vor allem werde die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt, so Gröger. Auch seien Nutzungen in einem Landschaftsschutzgebiet durchaus möglich, wenn "die beabsichtigte Handlung den Charakter des Gebietes nicht verändert und dem besonderen Schutzzweck nicht oder nur unerheblich zuwiderläuft", zitiert Gröger die Vorschriften vor Ort. 

Der betroffene Gutshof in Groß Glienicke.
Der betroffene Gutshof in Groß Glienicke.

© Ottmar Winter

Der ehemalige Behördenchef kann das Vorgehen der Bauverwaltung längst nicht mehr nachvollziehen: "Die Bauverwaltung legt es wohl darauf an, die berufliche Existenz von Herrn Fruth und seiner Tochter zu zerstören. Was da abläuft, mit einer Fülle von Bescheiden gegen Herrn Fruth, obwohl ein einziger Bescheid ausgereicht hätte, ist Psychoterror. Diese unnötige Flut von Untersagungsbescheiden hat nur den Zweck, Herrn Fruth wirtschaftlich infolge der für den Rechtsschutz aufzubringenden Gelder so unter Druck zu setzen, bis er sich den Untersagungsbescheiden widerstandslos beugt." So betreibt die Tochter von Fruth dort eine tiergestützten Ergotherapie mit Pferden. Doch auch das ist laut einem Rathaussprecher nicht erlaubt: "Dies erfolgt ohne die erforderliche baurechtliche Genehmigung und könnte wegen seiner Lage im Außenbereich und im Landschaftsschutzgebiet auch nicht nachträglich genehmigt werden." In der Umgebung des Hofs sind inzwischen einige Protestbanner aufgehangen worden. Auch eine Internetseite soll über die Anlage informieren.

In Gefahr: Der Kita-Bauernhof in Groß Glienicke.
In Gefahr: Der Kita-Bauernhof in Groß Glienicke.

© Ottmar Winter

Rathaus weist Kritik  zurück

Die Stadtverwaltung hatte diese Kritik bereits zurückgewiesen: Das Vorgehen diene ausschließlich dazu, die notwendigen Verfahren effektiv, zweckmäßig und zügig durchzuführen.“ Eine Zusammenfassung der verschiedenen Anordnungen und Vollstreckungsentscheidungen sei „nicht sachgerecht“ und auch nicht in Betracht gezogen worden, erklärte die Pressestelle des Rathauses bereits im Februar.

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