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Das umstrittene Glockenspiel wurde vor fast zwei Jahren abgeschaltet.

© Andreas Klaer

Umstrittenes Geläut auf der Plantage: Glockenspiel-Nachbau unter Denkmalschutz gestellt

Das 2019 abgeschaltete Geläut war einst für die Potsdamer Garnisonkirche gedacht. Das Landesamt für Denkmalpflege hält es für ein Zeitzeugnis einer 30-jährigen stadtpolitischen Debatte. 

Potsdam - Das umstrittene Glockenspiel auf der Plantage ist in die Denkmalliste des Landes aufgenommen worden. Wie die Stadt Potsdam mitteilte, wurde das Rathaus durch den Leiter des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLDAM) darüber informiert. Laut Begründung des Landes handelt es sich um ein Denkmal der jüngeren Zeitgeschichte. 

"Als Musikinstrument besitzt es mit 40 hochwertig gegossenen und klingenden Glocken musikgeschichtliche und -technische Bedeutung. Wesentlich und vielschichtig ist die geschichtliche Bedeutung des Glockenspiels", teilte das Landesamt mit. Mit der Entscheidung sei aber keine Positionierung zum Wiederaufbau der Garnisonkirche verbunden.

Allerdings empfiehlt das BLDAM, das Glockenspiel auf dem Plantagenplatz zu bewahren, zu pflegen "sowie in geeigneter Weise zu kontextualisieren". Die Stadt Potsdam war nicht in die Begutachtung einbezogen worden. Weil das Geläut samt Gestell nun unter Denkmalschutz steht, fürchtet das Rathaus eine Gefährdung der Pläne zur Umgestaltung der Flächen rund um die Plantage.

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Original wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört

Das Glockenspiel war einst für die Garnisonkirche gedacht. Ursprünglich stammt das Geläut aus Iserlohn (Nordrhein-Westfalen). Nach dem Mauerfall kam es in die brandenburgische Landeshauptstadt. Am 14. April 1991, dem 46. Jahrestag der Zerstörung Potsdams, wurde es auf der Plantage eingeweiht. Die „Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel“ unter Ex-Oberstleutnant Max Klaar hatte das Carillon aufstellen lassen.  

Das Glockenspiel war wegen seiner teils revanchistischen Inschriften 2019 abgeschaltet worden. Es handelt sich um einen Nachbau des Originals, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Wertvoll für das Verständnis der Fakten ist laut des Landesamtes das im Jahr 2020 von der Landeshauptstadt Potsdam in Auftrag gegebene und im Frühjahr 2021 abgeschlossene Gutachten des Historikers Dominik Juhnke vom Leibniz-Institut für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF).

Als zeithistorisches Zeugnis der Vor- und Nachwendezeit um 1989 dokumentiere das Glockenspiel die gesellschaftlichen Debatten in Potsdam und die der rechtskonservativen Kreise in Westdeutschland, so Dr. Christine Onnen, Dezernatsleiterin Inventarisation und Dokumentation im BLDAM: "Seine Existenz muss dazu beitragen, am Original diese jüngste Geschichte auch künftig aufzuarbeiten."

Gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche wenden sich mehrere - darunter auch christliche - Initiativen. Die Gegner sehen in dem historischen Bau ein Symbol des Militarismus und einen Treffpunkt rechtsnationaler Bewegungen in den 1920er und 1930er Jahren. Sie erinnern auch an den „Tag von Potsdam“, als am 21. März 1933 Reichspräsident Hindenburg dem neuen Reichskanzler Hitler vor der Kirche die Hand reichte. (mit dpa)

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