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Baustelle der Garnisonkirche.

© Andreas Klaer

Umstrittenes Bauprojekt: Keine Annäherung beim Garnisonkirchen-Streit

Ein kritischer Lernort will in Potsdam zur Auseinandersetzung mit der Geschichte der Garnisonkirche beitragen. Der Historiker Paul Nolte wirft den Initiatoren Abschottung vor. 

Potsdam/ Berlin - Im Streit über den Wiederaufbau des Potsdamer Garnisonkirchturms ist weiter keine Annäherung zwischen Befürwortern und Kritikern in Sicht. Nach der Eröffnung eines kritischen Lernorts zur Geschichte der Kirche und des Wiederaufbaus hat der Historiker Paul Nolte den Initiatoren vorgeworfen, die Ausrichtung der kirchlichen Träger des Bauprojekts auf Friedens- und Versöhnungsarbeit zu ignorieren und sich „gegen die Wahrnehmung der Wirklichkeit“ abzuschotten. Der wissenschaftliche Beirat des neuen Lernorts wies die Vorwürfe prompt zurück.

"Tatsachenverdrehungen, Wirklichkeitsverlust und Verschwörungstheorien"

Es sei bedauerlich, dass Nolte, seinerseits Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Garnisonkirchenstiftung, die in der Ausstellung geäußerte Kritik am Wiederaufbauprojekt „als Tatsachenverdrehungen, Wirklichkeitsverlust und Verschwörungstheorien abtut“, erklärten der Sozialwissenschaftler Micha Brumlik und die Historikerin Annette Leo jetzt in Berlin. Der Ausstellung sei eine längere Forschungs- und Archivarbeit vorausgegangen, mit deren Ergebnissen die Kritik begründet werde. Brumlik und Leo sind Sprecher des wissenschaftlichen Beirats des kritischen Lernorts.

"Identifikationsort für Rechtsradikale"

„Die historische Garnisonkirche diente schon viele Jahre vor dem 'Tag von Potsdam' im März 1933 als Identifikationsort für Rechtsradikale“, betonten Brumlik und Leo. Der Wiederaufbau sei zudem lange aus rechtsradikalen Kreisen vorangetrieben worden. Mit ihrer Übernahme des Projektes habe die kirchliche Stiftung zwar die Versöhnungs- und Friedensthematik als wesentlichen neuen Inhalt eingeführt, betonten die Wissenschaftler. Dies werde auch in der aktuellen Ausstellung des Lernorts mit dem Titel „rechtsradikale Einschreibungen“ dargestellt. Zugleich gebe es jedoch beim Turmbau „bis heute wesentliche Kontinuitäten zum Ursprungskonzept“. „Herzlich laden wir den wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Garnisonkirche Potsdam zu einer gemeinsamen Besichtigung der Ausstellung und einem Gespräch hierzu ein“, erklärten Brumlik und Leo: „Gerade wer sich einer Versöhnungs- und Friedensthematik angenommen hat, sollte seine Kritiker nicht diffamieren, sondern zu einem sachlichen Dialog bereit sein.“

Nolte: "Kaum diskursfähig"

Nolte sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), von „rechtsradikalen Einschreibungen“ bei dem Wiederaufbau des Garnisonkirchturms zu sprechen wie die Kritiker, grenze „an das, was wir momentan als Verschwörungsmythen diskutieren: Realitätsleugnung plus Überzeugtheit von geheimnisvollen bösen Kräften“. Dies sei „kaum diskursfähig“, sagte der Historiker. Zuletzt hatte die Stiftung zum Beispiel Plakate gegen Islamophobie am Zaun der Baustelle für den Kirchturm anbringen lassen. 

Der Garnisonkirchenstiftung empfehle er zugleich „größtmögliche Offenheit und ein sehr kritisches Hinschauen“, sagte Nolte: „Die Stiftung muss sich der schwierigen Geschichte dieser Kirche stellen, darf sich darauf aber nicht beschränken.“ Die Stiftung sollte nicht zuletzt in der im Turm geplanten Ausstellung „die Garnisonkirche in den Kontext preußischer und deutscher Geschichte stellen“. Die Geschichte müsse dabei „in ein Lernen für die demokratische Gegenwart und Zukunft“ transformiert werden, bei dem Wunden sichtbar blieben, sagte Nolte. Ein Konzept für die Ausstellung werde derzeit entwickelt. Darin würden auch die aktuelle Baugeschichte und die Kontroversen um den Wiederaufbau „ihren Platz finden“.

Yvonne Jennerjahn

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