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Im Sozialrathaus können Flüchtlinge einen Antrag auf Asylbewerberleistungen stellen – für viele die einzige Möglichkeit, um an Bargeld zu kommen. 

© Ottmar Winter

Ukrainer und Ämter unter Druck: Wo es bei der Flüchtlingsaufnahme in Potsdam noch hapert

Geld, Registrierung, Kita- und Schulplatz: Ukrainer:innen müssen viele Behördengänge bewältigen. Nicht überall klappt es gut.

Die Aufnahme hunderter Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine stellt die Stadt Potsdam an vielen Stellen vor enorme Aufgaben. Die PNN geben einen Überblick, wo es hapert – und wo Lösungen in Sicht sind. 

Wie kommen die Flüchtlinge an Geld?

Ein Problem: Viele geflüchtete Ukrainer:innen sind nun mittellos. So können deutsche Kreditinstitute die Banknoten der ukrainischen Landeswährung Hrywnja in der Regel nicht entgegennehmen. Das sagte eine Sprecherin der Mittelbrandenburgischen Sparkasse den PNN. 

Es handele sich um eine klassische Binnenwährung, die wegen des Krieges außerhalb der Landesgrenzen nicht gehandelt werde. Man unterstütze aber die Kommunen im Geschäftsgebiet bei Auszahlungen von Barschecks für Sozialleistungen an Flüchtlinge, die noch kein Konto hier haben. 

Es habe zuletzt aber auch immer mehr Anfragen zur Kontoeröffnung von geflüchteten Menschen aus der Ukraine gegeben. Dazu habe man bereits Handzettel in der Landessprache erstellt. Voraussetzung für ein Konto sei ein Personalausweis oder Reisepass – und ein Termin in einer der MBS-Geschäftsstellen. 

Klappt es an der Anlaufstelle Sozialrathaus?

Eine der zentralen Anlaufstellen für Geflüchtete in Potsdam ist das Sozialrathaus in der Behlertstraße 3b. Dort können sie einen Antrag auf Asylbewerberleistungen stellen – für viele die einzige Möglichkeit, um an Bargeld zu kommen.

Ehrenamtliche Übersetzer helfen Ukrainer:innen vor dem Sozialrathaus beim Ausfüllen der Anträge.
Ehrenamtliche Übersetzer helfen Ukrainer:innen vor dem Sozialrathaus beim Ausfüllen der Anträge.

© Ottmar Winter

Die Organisation vor Ort scheint sich eingespielt zu haben – funktioniert aber nur dank des großen Engagements von ehrenamtlichen Helfern. So war am Freitagvormittag ein halbes Dutzend Unterstützer da: Zwei Mitglieder des Seniorenbeirats schenkten Kaffee und Tee aus, verteilten Kreide und kleine Spielzeuge an die Kinder. Rund 15 Personen saßen oder standen um die eigens aufgestellten Bierbänke draußen im Hof des Gebäudes mit den ausgehändigten Anträgen.

Mehrere Übersetzerinnen halfen den Ukrainer:innen beim Ausfüllen der Papiere. So auch Irina. Sie stammt aus Russland, lebt aber seit 15 Jahren in Potsdam. „Ich wollte irgendwie helfen, deshalb habe ich mich bei der Stadt gemeldet“, sagte sie den PNN. 

Während ihrer zwei freien Tage übersetzte sie nun vor dem Verwaltungsgebäude: Denn die Anträge, die für die ukrainischen Geflüchteten deutlich verkürzt und vereinfacht wurden, liegen nur auf Deutsch vor und müssen vor Ort abgegeben werden. Nach der Bewilligung erhalten die Personen einen Anruf und können in der Behlertstraße das ausgezahlte Geld abholen. 

Wie läuft es in der Ausländerbehörde?

Noch nicht rund. Die Ausländerbehörde kommt ins Spiel, wenn Ukrainer:innen dauerhaft in Potsdam bleiben wollen. Das sollten die Geflüchteten bei der Anmeldung zur Unterbringung angeben, heißt es auf der Homepage der Stadt. Stehe ein Platz zur dauerhaften Unterkunft zur Verfügung, erhalte die Person einen Registrierungstermin bei der Ausländerbehörde. 

Ohne geht dort nichts: Ein Security-Mitarbeiter am Eingang des Gebäudes in der Helene-Lange-Straße fragt jeden, der sich der Tür nähert, ob er einen Termin hat. Online warnt das Amt, die Erreichbarkeit sei wegen Corona nur eingeschränkt. 

Ein Potsdamer, der drei Personen aus der Ukraine aufgenommen hat, beschwerte sich in einem Brief an das Rathaus, die Erreichbarkeit der Behörde sei „katastrophal“. Telefonisch habe man keine Chance, auf E-Mails komme nur eine automatische Antwort die eine Rückmeldung in vier Wochen ankündige. Das gesamte Vorgehen sei „eine Frechheit“, heißt es in dem Brief, der den PNN vorliegt. 

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Ein Stadtsprecher sagte, das Arbeitsaufkommen in der Behörde habe sich enorm erhöht – er nannte 1600 Termine in dem Amt seit Kriegsbeginn. Zugleich werde man nächste Woche zusätzliche Mitarbeiter aus der Arbeitsagentur einsetzen können. Allerdings sei Extrapersonal nicht einfach zu rekrutieren, so der Sprecher – weil in der Ausländerbehörde spezielle rechtliche Kenntnisse nötig seien. 

Die Vorsitzende des Migrantenbeirats, Fereshta Hussain, spricht aber von einem schon länger bestehenden Problemen mit langen Wartezeiten und fehlendem Service in der Behörde. Schon beim Umgang mit afghanischen Ortskräften sei das ein Problem gewesen, schilderte sie auf PNN-Anfrage. Andere Bereiche wie das Sozialrathaus oder die nun teilweise in ukrainischer Sprache gehaltene Stadt-Internetseite funktionierten viel besser.

Gesundheitsschutz in Kitas und Schulen? 

Erste Kinder sind nach Angaben des Jugendamts schon in Kindertagesstätten untergekommen, nach sechs Wochen soll auch ein Schulbesuch möglich sein. Doch vorher wird es einen Gesundheitscheck geben. Alle ukrainischen Minderjährigen, die nun in Kitas und Schulen in Potsdam gehen wollen, würden zuvor im Bergmann-Klinikum auf Tuberkulose und andere Infektionen untersucht. Das kündigte Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos) jetzt im Jugendhilfeausschuss an. 

Es solle ferner möglichst eine Schuleingangsuntersuchung im Gesundheitsamt erfolgen. Es habe bereits Rückmeldungen von Eltern gegeben, dass Sorge wegen möglichen Ansteckungsgefahren herrsche, weil die Ukraine als Tuberkuloseland gelte. Auch die Corona-Impfquote dort sei niedriger als in Deutschland, hier wolle man ein Impfangebot unterbreiten – auch für Masern. Kurzfristig wolle man Eltern-Kind-Gruppen aufbauen, um Mütter und ihren Söhnen und Töchtern das Ankommen in Potsdam zu erleichtern, so Aubel. 

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