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Notunterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine in der Metropolishalle des Filmpark Potsdam. Etwa 230 Personen übernachten zur Zeit in den Kabinen.

© Andreas Klaer

Ukraine-Flüchtlinge in Potsdam: 180 Menschen unter einem Dach

Die Babelsberger Metropolishalle ist die größte Unterkunft für Geflüchtete in der Landeshauptstadt. Sie ist zu rund 60 Prozent belegt. Ein Besuch vor Ort.

Potsdam - Bis zum Krieg war Yelizaveta Pivtoratska im Callcenter einer Fluggesellschaft angestellt. Die junge Frau lebte mit Ehemann und Kind in Saporischschja, einer der größten Städte im Süden der Ukraine. Nun ist alles anders: Sie ist mit ihrem Kind nach Potsdam geflohen – und arbeitet nun als Helferin in der Metropolishalle in Babelsberg, um dort andere geflüchtete Ukrainer:innen zu unterstützen. „Ich bin froh, dass ich mich gleich einbringen kann“, sagt sie auf Englisch.

Yelizaveta Pivtoratska ist aus Saporischschja in der Ukraine nach Potsdam geflüchtet.
Yelizaveta Pivtoratska ist aus Saporischschja in der Ukraine nach Potsdam geflüchtet.

© Andreas Klaer

Froh darüber ist auch Constanze Kaden, die Leiterin der von der Flüchtlingshilfe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) betriebenen Halle. „Es hilft sehr, wenn jemand die Sprache kann.“ Kaden und Pivtoratska waren am Donnerstag Teilnehmer:innen eines offiziellen Pressetermins der Potsdamer Stadtverwaltung, bei dem Sozialdezernentin Brigitte Meier (SPD) vorstellte, wie die Lage in der größten Flüchtlingsunterkunft der Landeshauptstadt aktuell ist.

Constanze Kaden, Leiterin der Flüchtlingsunterkunft in der Metropolishalle.
Constanze Kaden, Leiterin der Flüchtlingsunterkunft in der Metropolishalle.

© Andreas Klaer

Vor Ort war es in der Mittagszeit vor allem ruhig. „Am Abend ist hier immer mehr los.“ Derzeit ist die kurz vor Ostern eröffnete Halle zu 60 Prozent belegt, 180 von 300 Schlafplätzen sind besetzt, unter anderem von 52 Kindern. Doch die Zahl der Geflüchteten, die eine Unterkunft benötigen, steigt, sagte Meier. Wegen des anstehenden Sommergeschäfts würden immer mehr Flüchtlinge ihre bisherigen Quartiere in Hotels und Pensionen verlieren, wo das Rathaus sie nach Beginn des Kriegs untergebracht hatte. 

Zwischenzeitlich waren so mehr als 600 Menschen untergekommen, jetzt sind es noch 285. Einige Ukrainer:innen hätten den Umzug in die Babelsberger Halle nicht gewollt und seien in andere Städte weitergereist, sagte Meier.

80 Wohnkabinen gibt es in der Metropolishalle, ausgestattet mit Betten, Tisch, Spind und Lampe. Nach oben sind sie offen.
80 Wohnkabinen gibt es in der Metropolishalle, ausgestattet mit Betten, Tisch, Spind und Lampe. Nach oben sind sie offen.

© Andreas Klaer

In der Tat ist die 3000 Quadratmeter große Metropolishalle nur karg eingerichtet. Es gibt 80 durchnummerierte Kabinen, in jeder stehen drei bis vier Betten, zwei schmale Metallschränke und ein Tisch plus Lampe. Nach oben sind die Kabinen offen, nachts wird das Licht in der Halle herunter gedimmt. Manche haben nur einen Vorhang als Tür, vor Ort konnte man so in einige der belegten Räume die Koffer sehen, mit denen die Bewohner vor dem russischen Angriffskrieg nach Deutschland flohen. Es sei eben nur eine Notunterkunft, sagte Meier – doch alle Beteiligten würden das Beste aus der Lage machen. „Anfangs war es nachts noch zu kalt, das ist jetzt besser“, sagte Kaden.

Der Lernraum kann rund um die Uhr genutzt werden

Zur Verfügung steht auch ein Raum mit insgesamt 20 Waschmaschinen und Trocknern sowie abschließbaren Schränken, ebenso ein Spielplatz in einem vor neugierigen Blicken mit einem Sichtschutz abgetrennten Bereich vor der Halle. Gleich in der Nähe sind die Waschcontainer.

Auch einen Lernraum habe man eingerichtet, sagte Leiterin Kaden, der inzwischen 24 Stunden am Tag genutzt werden könne. Über W-Lan würden Kinder und Jugendliche dort am Online-Unterricht teilnehmen können, der noch immer von der Ukraine aus angeboten werde. „Einige sind da sehr aktiv“, so Kaden. Spenden würden nicht benötigt, gern aber seien Potsdamer willkommen, die etwas mit den Jugendlichen unternehmen wollen.

Empfang in der Unterkunft, die eigentlich eine Veranstaltungshalle ist.
Empfang in der Unterkunft, die eigentlich eine Veranstaltungshalle ist.

© Andreas Klaer

Für viele Erwachsene ist der Alltag in Deutschland hingegen zunächst mit Formalitäten verbunden. Das berichteten zwei der Bewohnerinnen, Ina und Tatjana, die eine Kunstlehrerin aus dem jetzt heftig umkämpften Charkiw, die andere eine Seniorin aus Kiew.

„Es brauchte viel Zeit, die Dokumente alle auszufüllen“, berichtete Ina in ukrainischer Sprache, das Übersetzen für die PNN übernahm DRK-Helferin Pivtoratska. Das Leben in der Notunterkunft sei in Ordnung, machten beide deutlich – doch wolle man, sobald sich die Lage in der Ukraine wieder normalisiere, sofort zurück in die Heimat. Teile der Familien seien noch in der Ukraine, ihr Sohn zum Beispiel in der Armee, berichtete Tatjana. Ina wiederum sagte, sie versuche, sich zum Beispiel in den wunderschönen Potsdamer Parks abzulenken. Kaden sagte, über ihre Handys würden die Flüchtlinge Kontakt nach Hause halten und sich über die Lage in den Kriegsgebieten informieren.

Ina,  Kunstlehrerin aus dem jetzt heftig umkämpften Charkiw, und Tatjana, Seniorin aus Kiew, leben jetzt in der Metropolishalle.
Ina,  Kunstlehrerin aus dem jetzt heftig umkämpften Charkiw, und Tatjana, Seniorin aus Kiew, leben jetzt in der Metropolishalle.

© Andreas Klaer

Auch Yelizaveta Pivtoratska muss häufig an die Heimat denken. Ihr Mann ist als humanitärer Helfer in Saporischschja tätig, eine der Frontstädte im Südosten der Ukraine, in der zum Beispiel zuletzt auch Flüchtlinge aus Mariupol ankamen. „Wir haben täglich Kontakt“, so die Helferin.

Sie kümmert sich in der Metropolishalle zum Beispiel darum, dass Probleme bei der Unterbringung behoben werden, vermittelt aber auch Beratungen oder Arzttermine. In der Halle selbst müssen die Bewohner möglichst eine Maske tragen, dreimal wöchentlich finden Corona-Tests statt. Menschen, die zu besonders vulnerablen Gruppen gehören, versuche man in Einzelunterkünften unterzubringen, so Dezernentin Meier. Versorgt werden die Flüchtlinge mit Lunchpaketen und einer warmen Mahlzeit am Mittag, ein Buffet könne man coronabedingt nicht anbieten.

Kurz vor Ende des Pressetermins sagte Yelizaveta Pivtoratska etwas scherzhaft, den Deutschen seien offenbar Zukunftspläne sehr wichtig. Sie werde jedenfalls häufig nach ihren Plänen gefragt: „Dann sage ich aber immer gleich: Stopp, bei uns ist doch Krieg.“

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