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Die Stadt plant einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst für die Mitarbeiter im Bereich Kinderschutz.

© Andreas Klaer

Überlastungsanzeigen gestellt: Mitarbeiter im Jugendamt sollen mehr Dienste machen

Die Stadt plant einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst für die Mitarbeiter im Bereich Kinderschutz. Die sind besorgt, weil sie sich ohnehin schon überlastet fühlen.

Potsdam - Ärger mit Jugendhilfe-Trägern, keine rechtsgültige neue Kitasatzung, zuletzt Probleme mit dem Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende: Immer wieder war in den vergangenen Monaten von Schwierigkeiten im Jugendamt die Rede, vor allem wegen Personalnot. Doch nun soll die derart überlastet wirkende Behörde gerade im sensiblen Bereich Kinderschutz noch zusätzliche Aufgaben übernehmen.

Es geht um eine 24-Stunden-Bereitschaftsdienst, den die Mitarbeiter im Bereich Kinderschutz abdecken sollen. „Im kommenden Jahr beabsichtigt der Fachbereich auch außerhalb der Dienstzeiten eine Rufbereitschaft einzuführen“, bestätigte Rathaussprecherin Christine Homann auf PNN-Anfrage. Diesen gesetzlich geregelten Schutzauftrag hätte in Potsdam bisher ein freier Sozialträger der Jugendhilfe oder die Polizei ausgeübt, so die Stadtsprecherin. Nun soll das Jugendamt diese Aufgabe schultern.

Fachliches Verständnis, ansonsten wenig Begeisterung

Die Planungen habe die seit Anfang des Jahres zuständige Jugenddezernentin Noosha Aubel (parteilos) zuletzt den Mitarbeitern verkündet, wie den PNN von Betroffenen anonym geschildert wurde. Dabei sei das Vorhaben fachlich zwar auf Verständnis gestoßen – die Aussicht aber, künftig in einer schon jetzt stressigen Arbeitsstelle noch eine weitere derart umfassende Aufgabe zu übernehmen, habe nur für wenig Gegenliebe gesorgt. Beim Personalrat seien bereits Beschwerden eingegangen, zumal sich die Belastung schon in den vergangenen Jahren im Zuge des Wachstums der Stadt erhöht habe. So sind gerade die Mitarbeiter im Kinderschutz fast tagtäglich zum Beispiel mit Verdachtsfällen auf Verwahrlosung konfrontiert, müssen bei Gefahr im Verzug auch über die Herausnahme von Kindern aus Familien entscheiden und dann schnell Heimplätze für die Betroffenen finden. Diese Pflichtaufgabe Kinderschutz sei gewährleistet, betonte Sprecherin Homann.

Aubel: Erreichbarkeit muss gewährleistet sein

Dezernentin Aubel sagte auf PNN-Anfrage, für nächstes Jahr seien zusätzliche Stellen in Planung, auch für den Bereitschaftsdienst. Derzeit befinde man sich mit den Mitarbeitern des Amtes in Gesprächen zur konkreten Ausgestaltung der Aufgaben, am Montag soll ein weiteres Treffen stattfinden. So sei die Erreichbarkeit und Erstberatung während der Dienstzeiten derzeit nicht gegeben, sagte Aubel – dies sei aber eben notwendig. Die Rufbereitschaft müsse die Stadt als hoheitliche Aufgabe übernehmen, sagte sie.

Dabei befindet sich das Jugendamt, das seit Jahren schon wegen der Platznot auf dem Rathauscampus in einer Außenstelle am Palais Lichtenau untergebracht ist, in einer Ausnahmesituation. Das beginnt bei der Leitung, die kommissarisch Reiner Pokorny übernommen hat, der frühere Chef-Statistiker im Rathaus und mit Jugendhilfe-Themen zuvor nicht betraut. Ferner seien im gesamten rund 150-köpfigen Fachbereich, der neben dem Kinderschutz auch die Themen Kitas, Sport, Unterhalt, Elterngeld und Adoptionen abdecken soll, derzeit 14 Posten nicht besetzt, zehn Stellen schreibe man gerade aus. Darunter sind nach PNN-Informationen auch weitere Führungspositionen. Auch ein neuer Kinderschutzbeauftragter muss gesucht werden, hatte Amtsleiter Pokorny unlängst im Jugendhilfeausschuss erklärt.

17 Überlastungsanzeigen wurden gestellt

Dazu kommt: Anfang des Jahres hatte das Amt unter Dezernentin Aubel noch den Bereich Schule extra erhalten, im Zuge der von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) nach seinem Amtsantritt forcierten Umgestaltung der Stadtverwaltung. Seitdem seien 17 Überlastungsanzeigen von Jugendamtsmitarbeitern gestellt worden, so Sprecherin Homann. Schon vorher war die Zahl der Krankschreibungen stark gestiegen – von 24,4 Krankentagen pro Mitarbeiter im ersten Halbjahr 2017 auf 29 Tage im Vergleichszeitraum 2018. Für 2019 lägen noch keine Auswertungen vor, so Homann.

Die Auswirkungen der Engpässe sind spürbar. So hatten Träger der Jugendhilfe schon vor Monaten öffentlich kritisiert, dass ihre Anträge für die Verhandlung von Kostensätzen, etwa für Kinderheime, nicht mehr bearbeitet wurden – weswegen den Trägern Mehrkosten entstünden. Diese Rückstände waren laut Stadt durch Krankheit, Weggang von Mitarbeitern und längere Stellenbesetzungsverfahren entstanden – inzwischen habe man aber durch mehr Personal einen großen Teil der Jugendhilfe-Anträge abarbeiten können, so Sprecherin Homann. In einem halben Jahr soll der Antragsstau demnach behoben sein.

Private Träger zweifeln an Vorhaben der Stadt

Ferner war unlängst bekannt geworden, dass es dem Jugendamt wegen Personalproblemen derzeit nur noch in geringem Maß gelingt, den sogenannten Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende von den säumigen Müttern und Vätern wieder einzutreiben. Dies bedeutet für die Stadt angesichts von Millionenkosten für diese Leistung deutliche finanzielle Verluste. Probleme gibt es bekanntlich auch im Kita-Bereich: Hier sah sich das Amt zuletzt nicht in der Lage eine rechtsgültige neue Kitasatzung zu erarbeiten, auch wegen erheblicher juristischen Unklarheiten. Als weitere neue Aufgabe für das Jugendamt hatten die Stadtverordneten den Aufbau eigener städtischer Kitas auf den Weg gebracht. Hier wurde laut Sprecherin Homann nun eine Projektgruppe gebildet, „die dieses Vorhaben konzeptionell entwickelt und schließlich umsetzt“. Zur Verwaltung der Einrichtungen würden – ohne pädagogisches und technisches Personal – bis zu drei weitere Mitarbeiter benötigt. Auch hier will Amtschefin Aubel schon im kommenden Jahr möglichst die erste Stadt-Kita öffnen. Die privaten Kitaträger in Potsdam hatten öffentlich angezweifelt, ob das Jugendamt wirklich in der Lage ist, selbst auch noch Kitas zu betreiben. 

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