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Aufgeregt. Am Freitag geht es für Katharina Klassen nach St. Petersburg. Die 22-Jährige ist Mitglied des Organisationsteams für die Straßenfußball-Tour. In drei russischen Städten wird die Brandenburgische Sportjugend deutsche und russische Sportler mit Fußball-Turnieren zusammenbringen.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Über Grenzen kicken

Jugendliche fahren zur WM nach Russland und veranstalten Straßenturniere – mit besonderen Regeln

Katharina Klassen war zwölf Jahre alt, als sie das erste Mal in Potsdam an einem Straßenfußball-Turnier von der Brandenburgischen Sportjugend (BSJ) teilnahm. Gerade erst war sie mit ihrer Familie aus der Ukraine nach Deutschland gekommen und wollte so vor allem neue Freunde finden und die Sprache lernen.

Am Freitag wird Klassen, mittlerweile 22 und gerade mit dem Abitur fertig geworden, ins Flugzeug Richtung St. Petersburg steigen – wieder geht es um Straßenfußball. Diesmal jedoch ist die junge Potsdamerin Mitglied des Organisationsteams. Die am Donnerstag startende Fußballweltmeisterschaft nimmt der Landessportbund Brandenburg (LSB) mit der BSJ zum Anlass, deutsche und russische Jugendliche zu einer besonderen Begegnung einzuladen.

Im Rahmen einer Straßenfußball-Tour, die in zwölf Tagen durch drei WM-Spielorte führen wird, sollen mehr als 400 Jugendliche beider Länder durch den Sport zusammengebracht werden. Vorurteile abbauen und neue Freundschaften finden – so lautet das Ziel der „Deutsch-Russischen Fußballbrücken“. Das Projekt wird vom BSJ gemeinsam mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und dem Deutsch-Russischen Forum organisiert. Gefördert wird es vom Auswärtigen Amt, dem DFB, dem Land Brandenburg, der Friedrich Christian Flick-Stiftung und der Deutschen Sportjugend.

„Ich kann natürlich bei sprachlichen Missverständnissen helfen“, erklärt Klassen, die Deutsch und Russisch fließend beherrscht. „Aber ich bin in jeder Hinsicht für die Teilnehmer da, zum Beispiel, wenn die Teamer Fragen haben.“ Teamer – das sind die Personen, die bei den fünf bis acht Minuten dauernden Spielen die Funktion des Schiedsrichters innehaben und doch ausdrücklich nicht so genannt werden. „Ein Teamer leitet das Spiel und schaut, ob die Fair Play-Regeln eingehalten werden,“ erklärt Klassen.

Bei dem Projekt der BSJ, das es bereits seit 2000 gibt, treten Teams aus vier Personen auf einem zehn mal 15 Meter großen Feld gegeneinander an. Zuvor legen sie ihre eigenen drei Fairness-Regeln fest. „Das kann zum Beispiel sein: ’Ich helfe dir hoch, wenn du hingefallen bist’ oder ’Wenn du mit dem Ball in der Ecke bist, lasse ich dich in Ruhe!’“, erzählt Klassen. Mädchentore zählen doppelt. Die Einhaltung dieser Regeln überprüft der Teamer. „Und er bewertet die Spiele – nicht nur nach sportlicher Leistung, sondern auch nach Fair Play-Gesichtspunkten.“ 

Die junge Frau mit den langen braunen Locken ist dem Projekt seit ihrer ersten Begegnung treu geblieben. „Ich wollte sofort wissen, wie das alles organisiert wird“, erinnert sie sich an ihr erstes Straßenfußballerlebnis. Als Jugendliche ließ sie sich selbst zur Teamerin ausbilden, später war sie der BSJ so verbunden, dass sie dort einen eineinhalbjährigen Freiwilligendienst absolvierte. So war sie auch dabei, als der BSJ erste Straßenfußballturniere in russischen Partnerstädten organisierte oder Schulungen für Teamer durchführte. Nun hat sie ihr Abitur in der Tasche, hofft auf einen Praktikumsplatz beim Deutsch-Russischen Forum und organisiert die Straßenfußball-Tour nach Russland mit.

Nach St. Petersburg geht es für die rund 30 deutschen Teilnehmer zwischen 18 und 27 Jahren nach Rostow am Don, den Abschluss bildet Sotschi, wo sie auch ein Spiel der Deutschen Nationalmannschaft gegen Schweden besuchen werden. Das Gros der Teilnehmer kommt aus Potsdam und Umgebung, einige weitere aus der ganzen Republik. Und die russischen Jugendlichen sind genauso begeistert von dem Konzept: „Wir haben fast 80 Teamanmeldungen aus allen drei Städten“, sagt Klassen. „Das ist megageil, da findet ein richtiger Austausch zwischen den Jugendlichen statt. Sport spricht alle Sprachen“, sagt die junge Organisatorin.

„Sport ist manchmal mehr als Politik, er hat einen verbindenden Charakter“, so beschrieb es auch Andreas Gerlach, Vorsitzender des Landessportbundes Brandenburg. Das Programm stellte er gestern gemeinsam mit Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke) und BSJ-Jugendsekretär Robert Busch im Rahmen einer Pressekonferenz im Haus des Sports in Potsdam vor. Görke ergänzte im Hinblick auf die angespannte Situation mit Russland: „Das passt wirklich wie die Faust aufs Auge. Sport kann Brücken bauen, selbst wenn der Dialog auf anderen Ebenen ins Stocken geraten ist.“ Für ihn sei das Projekt eine gute Möglichkeit, erneut für den Dialog mit Russland zu werben. Daher geht es bei dem Projekt neben Fußball eben auch um den Austausch – so werden die jungen Teilnehmer etwa am 22. Juni, dem Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg, mit einer gemeinsamen Kranzniederlegung in Orljonok gedenken.

Klassen ist schon in Aufbruchsstimmung. „Ich stehe total hinter dem Projekt. Man holt Jugendliche von der Straße und zeigt, wie man miteinander gewaltfrei kommunizieren kann.“

Anne-Kathrin Fischer

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