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Trump und Putin in Potsdam: Tag der Mahnung am Alten Markt

Auf dem Alten Markt waren Samstag Gedenken an die „Nacht von Potsdam“ und Satire nah beieinander.

Potsdam - Spöttischen Protest und stilles Gedenken – beides konnten Besucher am Samstag rund um den Alten Markt erleben. Tagsüber bestimmten Gegner des Wiederaufbaus der Garnisonkirche den Takt mit einer Satireaktion. Bei dieser aus ihrer Sicht „größten Massenversöhnung aller Zeiten“ drückten und umarmten sich Stunden lang Hunderte verkleidete Persönlichkeiten, die sich wohl im realen Leben nie vertragen würden: Da gaben sich Putin und Trump die Hand, oder es versöhnte sich ein Arzt mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Zu der Aktion hatte das neue „Komitee für preuszische Leichtigkeit“ (KPL) aufgerufen. Die Teilnehmer konnten sich mit Masken verkleiden und sich vor einem Plakat mit dem Garnisonkirchturm im Hintergrund beim Versöhnen ablichten lassen. Insgesamt kamen 231 Versöhnungen zustande.

Wie die Mitglieder des „Komitees“ erklärten, sei die Satireaktion Kritik am aus ihrer Sicht ungenügenden Versöhnungskonzept der Stiftung Garnisonkirche. Denn auf die Frage, wer sich im künftigen Versöhnungszentrum der Garnisonkirche mit wem versöhnen könne oder solle, gäbe es keine konkrete Antwort. „Wir sind hier, um die Garnisonkirche voranzubringen und ihr Versöhnungskonzept in die Tat umzusetzen“, sagte der Künstler Marcus Große. Zum aus einer Handvoll Potsdamern bestehenden „Komitee“ gehören neben Große auch Oberbürgermeisterkandidat Lutz Boede (Die Andere) und Carsten Linke vom Verein zur Pflege antimilitaristischer Traditionen in Potsdam. Das Versöhnungszentrum halten die Mitglieder des „Komitees“ für einen Vorwand, um für den Wiederaufbau der Garnisonkirche Unterstützung zu bekommen. „Das Versöhnungskonzept, das die Stiftung vor sich herschiebt, ist nur ein Feigenblatt. Eigentlich wollen die Befürworter doch nur die Schönheit der Kirche wieder“, meint Große.

Mehr Aufmerksamkeit am Jahrestag der Bombardierung

Die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche hatte dagegen jüngst von einer „Akzentuierung der konkreten Friedens- und Versöhnungsarbeit“ gesprochen. Man plane die Arbeit mit Schulklassen, Workshops und Gesprächsreihen. Dies werde jetzt schon in kleinerem Umfang praktiziert. Unter anderem gehe es um vielerlei Arten der Versöhnung – auch Versöhnung in der Stadtgesellschaft. Dabei wird die Fördergesellschaft es wohl weiterhin auch mit dem „KPL“ zu tun haben. Konkrete Pläne für Aktionen gäbe es bisher nicht, sagte Linke. Doch er könne sich vorstellen, dass es zum 50. Jahrestag der Sprengung der Garnisonkirche im Mai und Juni 1968 zu Protest kommen könne. Auf die Frage, warum der Jahrestag der Bombardierung Potsdams für die Aktion gewählt wurde, sagte Björn Rugenstein, einer der Teilnehmer: "Die Befürworter des Nachbaus der Garnisonkirche nutzen den Jahrestag, damit sie mehr Aufmerksamkeit erhalten. Wir nutzen das, um mehr Aufmerksamkeit auf die Leere der Versöhnungsabsicht der Stiftung Garnisonkirche zu lenken." Versöhnung diene dort "vor allem als Mittel zum Zweck ,Turmbau'". 

Ganz andere Töne schlug die Stiftung Garnisonkirche am Samstag an. Um 18 Uhr hatte sie zu einem Gedenkgottesdienst anlässlich des 73. Jahrestags der „Nacht von Potsdam“ in der Nagelkreuzkapelle geladen. Zum Gedenken an die Bombardierung Potsdams wurde im Anschluss das Mozart-Requiem in der Nikolaikirche aufgeführt. Im Potsdam Museum standen zuvor in einer Gedenkveranstaltung mit Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) Zeitzeugenberichte über die Bombennacht im Mittelpunkt. Bei dem Bombenangriff kamen in der Nacht vom 14. zum 15. April 1945 fast 1600 Menschen ums Leben, fast 1000 Gebäude in der Innenstadt wurden völlig zerstört oder schwer beschädigt, darunter auch die Garnisonkirche. Rund 60 000 Menschen wurden obdachlos. Um 22.16 Uhr läuteten in Erinnerung an das Ertönen des Fliegeralarms in der „Nacht von Potsdam“ die Glocken verschiedener Kirchen. Zeitgleich hatte die Stiftung Garnisonkirche vor dem Hintergrund der Eskalation in Syrien zu einem Friedensgebet vor der Nikolaikirche eingeladen. Die „Nacht von Potsdam“ am 14. April 1945 habe gezeigt, zu wie viel sinnlosem Leid kriegerische Aggression führe, erklärte Stiftungsvorstand Wieland Eschenburg.

Jakobs: Erinnerung allein an die Bombardierung greift „viel zu kurz“ 

Auf das Gedenken ging auch Oberbürgermeister Jakobs in seiner wöchentlichen Kolumne auf der Potsdam-Seite im Internet (www.potsdam.de) ein. Die Bombardierung Potsdams sei eine der größten Zäsuren in der Stadtgeschichte gewesen. In der aktuell eröffneten Ausstellung zum Lebenswerk des Fotografen Max Baur im Potsdam Museum könnten sich die Potsdamer auch Bilder ansehen, die nach dieser Nacht entstanden und das ganze Ausmaß der Verwüstungen belegten. „Wir gedenken heute der Toten und der Opfer dieser Nacht. Wir tun dies in Stille und mit dem Versprechen verbunden, dass dies für uns eine ewige Mahnung bleiben soll“, schreibt Jakobs. Zugleich sei die „Nacht von Potsdam“ nicht ohne den „Tag von Potsdam“ denkbar – das Treffen von Reichspräsident Paul von Hindenburg und Adolf Hitler am 21. März 1933 vor und in der Garnisonkirche.

Daher greife eine Erinnerung allein an die Bombardierung „viel zu kurz“ – es müssten auch deutsche Luftangriffe wie auf Coventry oder Rotterdam genannt werden, so Jakobs. Und: „Wie nah wir in der Landeshauptstadt diesen schrecklichen Tagen auch 73 Jahre später noch sind, können wir immer wieder erleben, wenn Weltkriegsbomben in Potsdam gefunden werden, es sind bereits 187 seit der Wiedervereinigung.“ Und weiter: „Die Schrecken der Vergangenheit mögen unter einer Patina der Jahrzehnte versteckt sein, doch sie sind immer noch gegenwärtig. Sie bleiben relevant.“

Richtigstellung

In einer früheren Version hatten wir den Eindruck erweckt, dass Dr. Björn Rugenstein dem Komitee angehöre. Wir stellen richtig, dass dieser weder Mitglied ist oder war. Die Redaktion.

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