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Treffen auf dem Pfingstberg: Neujahrsgruß am Belvedere in Potsdam

Hunderte Potsdamer haben sich am ersten Tag des neuen Jahres auf dem Pfingstberg getroffen. Mit dabei auch einige, die sich schon zu DDR-Zeiten für das Areal einsetzten.

Potsdam - Pünktlich um halb elf hebt sich am Neujahrsmorgen der trübe Wolkenschleier vom Belvedere auf dem Pfingstberg. Da haben die Ehrenamtlichen vom Förderverein Pfingstberg in Potsdam e.V. schon längst in heillosem Optimismus damit begonnen, den großen Grill mit Eierkohlen anzuheizen, die 350 Würste in der Kühlbox daneben gestellt, Punsch und den Apfelsaft erhitzt. Das Trio Intermezzo schleppt seine Instrumente den Berg mit den schön geschwungenen Wegen hoch.

Die Mitglieder, Anja und Andreas Zühlke und Christoph Lipke, wärmen Trompete, Flügelhorn und Posaune. Der Platz vor dem strahlend buttergelben Belvedere füllt sich mit entspannt plaudernden Potsdamern jeden Alters. Familien sind da, Paare, Touristen, viele kennen sich. Gut 350 Besucher werden das Konzert mit seinem Ritt durch die Jahrhunderte hören. „Das ist für uns ein Muss“, sagt eine ältere Dame vergnügt. „Solange wir den Berg noch heraufkommen, sind wir hier!“

Das Trio enttäuscht sie auch dieses Mal nicht – musikalisch führt Christoph Lipke die Gäste nämlich unter anderem in den Zyklus „Das Ferienlager“ von Vaclav Lidl aus den 60er-Jahren. „Da ist alles dabei“, schwärmt er. „Die Fahrt mit dem Bus, die Ankunft vor dem Schloss, sogar eine Fuchsjagd, auf die alle gemeinsam gehen, nachher das romantische Sitzen vor dem Lagerfeuer.“ 17 Stücke spielt das Trio, kostenlos für die Besucher. Ein Geschenk des Vereins an die Gäste, die nachher großzügig die Spendenkasse füllen und die Würste verzehren. Die Schatzmeisterin des Fördervereines, Andrea Eichenberg, wirbt: „Wir haben im vergangenen Jahr 18 neue Mitglieder im Verein begrüßt.“ Doch es sei immer noch Platz. „Wenn Sie immer schon einmal Schlossherr sein wollten, dann kommen Sie einfach zu uns.“

60 aktive Ehrenamtler tragen den Förderverein Pfingstberg in Potsdam e.V. derzeit, doch nun kommen viele von ihnen in die Jahre, die Pflege der Gebäude und Wege fällt etlichen von ihnen zunehmend schwer. „Eine Zeitlang lag das Durchschnittsalter bei 60 Jahren“, sagt Holger Burkhardt, der routiniert die Würste über den Grill tanzen lässt. „Da war ich mit meinen 50 Jahren ein Ausreißer.“ Das war er aber immer schon. Auch als er, der Pastorensohn in Ausbildung zum Schäfer, mit seinem Freund Wieland Eschenburg begann, den Pfingstberg wieder zu dem zu machen, was er für Jahrzehnte nicht mehr hatte sein sollen: eine Aussichtsplattform für die Potsdamer auf ihre Heimat. „Links lag das KGB-Gefängnis, rechts waren die russischen Panzer im Bornstedter Feld – kein Wunder, dass die Russen kein Interesse daran hatten, dass die Potsdamer auf den Hügel stiegen,“ sagt der pensionierte Lehrer Wolfgang Hilbert, seit 20 Jahren aktives Vereinsmitglied. Man hatte das Areal aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht.

Wieland Eschenburg, heute Vorstand des Vereines zum Wiederaufbau der Garnisonkirche, war in den 80er-Jahren in seiner Facharbeit auf die Geschichte und das ehemalige Aussehen des Pfingstberges gestoßen. Er überzeugte seinen Freund Burkhardt schnell davon, dass man die Wege wieder frei legen müsse, um das alte Bild wiederherzustellen. Bis dahin war das riesige Gelände „eher ein Abenteuerspielplatz für Jugendliche“, lacht Burkhardt. „Wolfsfrühstücke“ habe es dort gegeben. Und ab den 1980ern Arbeitseinsätze der zwei Handvoll Freiwilligen, immer samstags. Die Gerätschaften dafür lagerten sie im Schuppen der heutigen Döpfner-Villa am Fuße des Pfingstberges, damals ein Altersheim.

Es galt Gestrüpp zu roden, Wege freizulegen, die halbrund vor dem Belvedere gesetzten Winterlinden im Wandelgang zurückzuschneiden, sie zu ergänzen, Steine neu zu setzen, das Belvedere vom Efeu zu befreien, Balustraden zu ergänzen. Schlicht alles musste renoviert und wiederhergestellt werden. „Wir hatten aber auch Glück, dass im rechten Moment die rechten Leute dazu kamen,“ sagt Burkhardt. Der damalige Umweltingenieur und spätere Ministerpräsident Brandenburgs, Matthias Platzeck, etwa. „Den kannten wir aus der Wahlbeobachtung 1988 in Babelsberg.“ Platzeck gehörte wenig später zu den 18 Gründungsmitgliedern des Vereins und blieb seither dabei, ebenso Eschenburg, heute Ehrenvorsitzender.

„Ein weiterer Glücksfall war Reemtsma“, so Burkhardt. Als es um den Wiederaufbau des Pomona-Tempels ging, zum 1000-jährigen Stadtjubiläum 1993, versprach der Hamburger Mäzen, jede gespendete Mark zu verdoppeln, die der Verein einwerben könne. Tat er auch – und der Tempel wurde im alten Glanz wiederhergestellt, wie die Wege zum Berg hinauf und das Belvedere selbst. „Jetzt kommen meist Neu-Postdamer in den Verein“, sagt Hilbert. „Sie suchen im Ehrenamt auch Kontakt zu den Nachbarn, neue Freunde.“ Und vielleicht ein Stück neue Heimat.

Highlights am Pfingstberg 2019

Nach dem traditionellen Neujahrskonzert versinkt das Belvedere auf dem Pfingstberg wieder in seinen Winterschlaf, den erst die Putzkolonne der Vereins-Freiwilligen am 23. Februar ab 9 Uhr beenden wird. Helfer sind dabei jederzeit willkommen. Dann gilt es, Fenster zu putzen, Laub auszukehren, das Markisendach auf den Pomona-Tempel zu bringen und alles sommerfein zu machen. Ab März ist das Ensemble dann wieder geöffnet. Jeden ersten Sonntag im Monat finden reguläre Führungen statt (Anmeldungen erbeten unter www.pfingstberg.de), weitere kann man bei den Ehrenamtlichen des Vereines buchen. Unter dem Motto „Kultur in der Natur“ sollen auch in diesem Jahr wieder Lesungen und Theateraufführungen stattfinden.

Außerdem kann ab April auch wieder im Belvedere geheiratet werden, denn das Standesamt Potsdam unterhält dort eine reguläre Außenstelle. Bis zu drei Trauungen schaffen die Standesbeamten freitags und samstags. Im Rekord-Jahr 2017 konnten sie so 104 Paare in den Stand der Ehe heben.

Auch der Pomona-Tempel ist mit Ausstellungen bereits ausgebucht bis ins Jahr 2020 – Einzelheiten will der Verein jedoch erst später mitteilen. (nie)

Stefanie Schuster

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