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Peter Müller starb im Alter von 65 Jahren.

© Andreas Klaer

Trauer um Suppenküchen-Chef: Der Koch der Armen

Peter Müller, der Leiter der Suppenküche der Volkssolidarität, hatte ein großes Herz. „Bei uns wird niemand abgewiesen”, sagte er den PNN im Vorjahr. Nun ist er im Alter von 65 Jahren verstorben.

Von Carsten Holm

Potsdam - Mit einer Trauerfeier wollen die Mitarbeiter der Potsdamer Volkssolidarität in dieser Woche ihrem plötzlich verstorbenen Chef Peter Müller gedenken. Die Feier soll im Saal der Suppenküche auf dem Gelände der Stadtverwaltung stattfinden. 

Der äußerst beliebte Leiter der Einrichtung, die Obdachlose und Menschen mit geringem Einkommen mit Essen und Kleidung versorgt, war am Mittwoch vor einer Woche zusammengebrochen, als er gerade Feierabend machen wollte. Nach zunächst erfolgreichen Wiederbelebungsversuchen einer Kollegin wurde Müller mit einem Notarztwagen ins Bergmann-Klinikum gebracht, wo er drei Tage später mit 65 Jahren verstarb. 

„Die Trauer ist bei allen hier, bei seinen Kolleginnen und den Kunden der Suppenküche sehr, sehr groß“, sagte seine Mitarbeiterin Jaqueline Fremde den PNN. Müller, der 2016 Chef der Suppenküche wurde, habe angekündigt, Ende dieses Jahres in den Ruhestand gehen zu wollen, erzählte Fremde, „das hat er nun leider nicht mehr geschafft”.  

Müller hatte sich seiner Arbeit verschrieben 

Müller, der im Kirchsteigfeld wohnte, machte nie viel Aufhebens um seine Person, er hatte sich seiner Arbeit verschrieben. In Berlin, das immerhin wurde bekannt, sah er viele Jahre von weit oben auf die Welt – als Kranführer. Dann entschloss er sich, sozial benachteiligten Menschen zu helfen.

In Potsdam-West führte er einen Markt des Sozialprojekts Rückenwind für den An- und Verkauf von Möbeln, ehe er zur Volkssolidarität kam. Der 1945 im Osten Deutschlands gegründete Sozial- und Wohlfahrtsverband sollte die Not nach dem Zweiten Weltkrieg lindern und ist auch nach 1990 ein fester Bestandteil der Hilfen für ältere Menschen und Bedürftige. 

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„Immer ein offenes Ohr”

Peter Müllers Arbeit wurde sehr geschätzt, weil er stets Mitgefühl für die Sorgen und Existenznöte seiner Klientel hatte, „wohl auch”, sagt jemand, der ihn gut kannte, „weil er nicht vergessen hat, welche Tiefen er selbst durchlebt hat”. Der leidenschaftliche Briefmarkensammler war verheiratet und hat einen Sohn, von seiner Frau ist er seit rund 15 Jahren getrennt. 

Die Suppenküche, in der es vor Corona Frühstück und Mittagessen gab und wegen der Eindämmungsverordnung zuletzt nur noch Tüten mit Essen, ist ein Anlaufpunkt für Bedürftige. Der 82 Jahre alte Harry Jurzitza beschreibt den Chef als jemanden, der „immer ein offenes Ohr” hatte „und wenn man etwas aus der Kleiderkammer brauchte, es selbst holte”. 

Müller war einfühlsam und weich

„Das war keine einfache Arbeit, die er machte”, würdigt Hans-Jürgen Scharfenberg, langjähriger Fraktionschef der Linken im Rathaus, Müller. „Er war eine Respektsperson und verstand zugleich die Betreuungsarbeit. Er hat für die Aufgabe gelebt.” Dirk Brigmann, Geschäftsführer des Verbandsbereichs Mittelmark der Volkssolidarität und stellvertretender Landesvorsitzender, betont in einem Nachruf, dass der Suppenküchen-Leiter „in der Stadtverwaltung genauso gut vernetzt” gewesen sei wie mit Supermärkten.  

„Bei uns wird niemand abgewiesen”, sagte Müller den PNN im vergangenen Jahr bei einem Besuch, und er meinte auch die Osteuropäer aus Polen und Rumänien, die nach Potsdam kamen, um ein paar Euro zu verdienen oder um zu betteln. So einfühlsam und weich er war: Müller setzte Schnorrern, die zwei-, dreimal im Monat nach Schlafsäcken oder Kleidung fragten, Grenzen. 

Am liebsten kochte der Chef Karottensuppe

Der Chefkoch war kein gelernter Bruzzler. Als Müller zur Suppenküche kam, war er mit der Qualität des Essens unzufrieden und strengte sich an, es besser zu machen. Das gelang offenbar. „Es hat immer gut geschmeckt”, urteilt die 53-jährige Andrea Hoppe, seit Jahren Gast der Küche, „am besten war das Weihnachtsessen mit Ente und Rotkohl”. Seine engste Mitarbeiterin Jaqueline Fremde weiß, dass ihr Chef „am liebsten Karottensuppe kochte”, und sie kennt auch das Geheimnis seines Erfolgs: „Er hat mir erzählt, dass er die Rezepte immer googelt.”  

Müller hatte einen großen Traum. Er freute sich darüber, dass ein großes Sozialprojekt der Stadt wohl Wirklichkeit werden wird: ein neues Sozialzentrum, in dem die Arbeit der Suppenküche und die der Tafel zusammengeschlossen werden. Die Stadtverordneten hatten den Oberbürgermeister im November 2020 auf Initiative der SPD beauftragt, zu prüfen, wie „diverse soziale Hilfsangebote in einem Sozialzentrum gebündelt” werden könnten. 

Bis Ende dieses Jahres soll die Verwaltung einen Zwischenbericht, bis Ende des Jahres ein Konzept vorlegen. „Er wusste, wie wichtig das neue Sozialzentrum ist”, sagt Tafel-Chefin Imke Eisenblätter, „es wären neue Synergien möglich. Wir könnten mehr Lebensmittel retten und sie der Suppenküche zur Verfügung stellen. Schade, dass Peter Müller das nun nicht mehr miterleben kann.” 

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