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Damals war noch Jubel: Vor begeisterten Straßenbahn-Fans fuhr die erste Variobahn des Herstellers Stadler am 17. September 2011 aus dem Tram-Depot des Potsdamer Verkehrsbetriebes und nahm den Fahrgastbetrieb auf. Nun sind 13 der 14 Niederflurbahnen wegen eines Defekts stillgelegt worden. Der Verkehrsbetrieb sucht nach einer Lösung.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Tram-Krise: Hoffen auf ein schnelles Ende

Der Verkehrsbetrieb will, dass ab Mitte der Woche einige Variobahnen wieder fahren können. Die Ursache des Defekts ist noch unklar

Rätselhafter Schaden: Nachdem der Potsdamer Verkehrsbetrieb (ViP) 13 von 14 Variobahnen kurzfristig wegen Entgleisungsgefahr aus dem Verkehr gezogen hat, ist die Ursache für den Schaden weiter unklar. Das Ziel sei, zumindest einen Teil der Fahrzeuge bis zur Mitte der kommenden Woche wieder flottzubekommen. Das kündigte der ViP am Freitag an.

An den Trams vom Typ Vario war nach einer Routinekontrolle ein Defekt festgestellt worden. „Die Räder haben zu wenig Spiel in den Schienen“, hatte ViP-Technikchef Oliver Glaser erklärt. Am Freitag teilte der ViP auf Anfrage mit, das Schadensbild sei ungewöhnlich, da die festgestellten Toleranzabweichungen in dieser Form vorher in Potsdam an keinem Fahrzeug gemessen wurden. Sowohl die neuen Variobahnen sind betroffen als auch jene, die mehr als 100 000 Kilometer unterwegs waren. Probleme bestünden vor allem an den nicht angetriebenen Achsen. Kontrollmessungen bei Trams der Typen Combino und Tatra wiesen keine Unregelmäßigkeiten auf, sagte ViP-Sprecher Stefan Klotz.

Die 13 Bahnen, die der ViP seit 2011 bei der Berliner Stadler GmbH zum Stückpreis von 2,5 Millionen Euro gekauft hat, werden nun untersucht. Dabei handele es sich um eine Vorsichtsmaßnahme. „Es ist in Potsdam seit der Inbetriebnahme keine Variobahn entgleist“, betonte Klotz. Die Stadtverwaltung befürwortet die Maßnahme. „Wenn es Sicherheitsbedenken gibt, muss sofort gehandelt werden“, sagte Kämmerer Burkhard Exner (SPD), der auch Aufsichtsratschef des ViP ist. Man habe die aktuelle Situation mit dem Verkehrsbetrieb intensiv erörtert. „Nun warten wir auf die Gutachten und sind zuversichtlich, dass die Bahnen in der kommenden Woche wieder auf der Schiene fahren“, sagte Exner.

Beim Hersteller Stadler heißt es, man sei sich der Dringlichkeit bewusst. Das Unternehmen habe sofort Techniker nach Potsdam geschickt, die die betroffenen Variobahnen nun gemeinsam mit dem ViP untersuchen, so Unternehmenssprecherin Katrin Block. Ergebnisse gebe es allerdings noch nicht – es sei auch noch nicht abzusehen, wann diese vorliegen. Der ViP hatte zunächst erklärt, Anfang der kommenden Woche werde ein erstes Gutachten zu den Schäden erwartet.

Statt der modernen Variobahnen sind seit Donnerstag vermehrt ältere Tatra-Bahnen unterwegs. Besonders betroffen davon ist die täglich von rund 9400 Menschen genutzte Linie 98, auf der in Potsdam-West Ersatzbusse fahren. Problematisch an den Tatrafahrzeugen ist, dass sie keine Niederflurbahnen sind und daher von Rollstuhlfahrern nicht genutzt werden können. Dem ViP sei bewusst, dass der Ausfall der Bahnen ein großes Ärgernis für die Fahrgäste sei, insbesondere für diejenigen, die auf den barrierefreien Zugang angewiesen seien, sagte ViP-Sprecher Klotz. Am Wochenende könne der Fahrplan wegen des geringeren Verkehrsaufkommens vollständig mit anderen, noch verbliebenen Niederflurbahnen bewältigt werden, bevor ab Montag wieder mehr Tatrabahnen eingesetzt würden. In einigen der älteren Tatrabahnen können zudem keine Tickets gekauft werden, weil dort keine Automaten installiert sind. „Selbstverständlich werden wir uns gegenüber den Fahrgästen kulant zeigen“, so Klotz. Bei der Weiterfahrt mit einem anderen Fahrzeug müsse allerdings ein Fahrschein erworben werden.

Mit der Außerbetriebnahme der Variobahnen sei für den ViP vor allem ein Imageschaden entstanden, so ViP-Sprecher Klotz. Mit Einbußen bei den Fahrgeldeinnahmen rechne man nicht. Innerhalb der Gewährleistungsfrist habe der Hersteller mangelhafte Teile auszutauschen. Eventuelle Schadensersatzansprüche gegenüber Stadler werde man prüfen. Pro Standtag und Fahrzeug ist vertraglich eine Entschädigung vereinbart, bestätigte Klotz.

Aus dem gleichen Werk mit den gleichen Abmessungen wie die Potsdamer Variobahnen kommen auch die Fahrzeuge der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Deren Betriebsqualität liege wegen verschiedener „Kinderkrankheiten“ derzeit immer noch unter den Erwartungen – wenn auch mit Besserungstendenz, so MWG-Sprecher Matthias Korte. Bei allen 14 Zügen musste der Hersteller 2012 die Gummikörper in den Rädern austauschen, weil Risse aufgetreten waren. Bis jetzt habe die MVG keine Anhaltpunkte, dass die aktuell in Potsdam festgestellten Unregelmäßigkeiten auch München betreffen könnten, sagte Korte.

Kinderkrankheiten gab es auch in Potsdam: Schon zweimal musste der ViP mehrere Variobahnen aus dem Betrieb nehmen. Kurz nach der Anschaffung gab es bei vier der sieben zuerst gelieferten Trams im Mai 2012 einen Radschaden. Die Gummis zwischen Radscheibe und Radreifen hatten Risse. Alle 5000 Kilometer – also etwa alle vier Wochen – mussten sie in einer Sichtprüfung untersucht werden. Vor knapp einem Jahr wurden dann acht von zehn Variobahnen aus dem Verkehr gezogen. Die Kupplungsanlagen der Fahrzeuge, die zum Abschleppen der Trams notwendig sind, mussten allesamt überarbeitet werden. 2004 mussten bereits alle Potsdamer Combino-Trams überholt werden, weil es Probleme mit der Stabilität der Karosserie gab. (mit HK)

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