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Landeshauptstadt: Tourismusabgabe: Händler kritisieren IHK scharf

In einem offenen Brief werfen 140 Geschäftsinhaber der Kammer Täuschung vor. Eine Zahlung an die Stadt lehnen sie strikt ab

Von Peer Straube

Nach ihrem überraschenden Kurswechsel im Streit um die Tourismusabgabe gerät die Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam unter Druck. Die Einzelhändler der Innenstadt haben sich jetzt mit einem offenen Brief an die Kammer gewandt und ihr Täuschung vorgeworfen. Den Händlern sei suggeriert worden, dass nur noch über eine Bettensteuer diskutiert werde und die Tourimusabgabe gestrichen sei, heißt es in dem Schreiben, das von mehr als 140 Geschäftsinhabern unterzeichnet wurde. „Unter den Händlern ist die Wut riesengroß“, sagte Johannes Haerkötter, Chef der Fielmann-Filiale in der Innenstadt, den PNN.

Wie berichtet hatte die IHK ihre ablehnende Haltung gegen die Einführung einer Tourismusabgabe in Potsdam Anfang September aufgegeben. Anlass war die unmittelbar bevorstehende Sitzung der Stadtverordnetenversammlung, auf der über die Einführung einer Tourismusabgabe oder einer Bettensteuer abgestimmt werden sollte. Mit den Einnahmen aus einer dieser Abgaben will die Stadt die eine Million Euro gegenfinanzieren, die sie ab 2014 jährlich an die Schlösserstiftung überweist, die damit das Defizit in der Pflege des Welterbeparks Sanssouci ausgleichen will. Hätte die Stadt die Zahlung verweigert, wäre im kommenden Jahr ein Pflichteintritt im Park Sanssouci eingeführt worden.

Gegen die Tourismusabgabe hatte die IHK seit Monaten gemeinsam mit anderen Branchenverbänden wie dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, der Handwerkskammer und dem Handelsverband Front gemacht. Die Bettensteuer lehnt die Kammer zwar weiterhin ab, eine Tourismusabgabe hält sie nun unter bestimmten Bedingungen für akzeptabel, darunter eine stärkere Entlastung kleiner und mittlerer Betriebe sowie eine Überarbeitung des Beitragsmaßstabs, nach dem die Branchen zur Kasse gebeten werden. Die Tourismusabgabe soll von etwa 15 000 Potsdamer Unternehmen erhoben werden – vom Händler bis zum Friseur, vom Arzt bis zum Dachdeckergewerbe wäre praktisch jeder Betrieb davon betroffen.

Eine Tourismusabgabe lasse sich „nicht gerecht berechnen“, sagte Haerkötter. Sein eigenes Unternehmen etwa leiste für Touristen hauptsächlich kostenlosen Service, etwa wenn kaputte Brillen repariert würden. Gekauft werde von Besuchern der Stadt in der Regel nichts, „vielleicht mal eine Sonnenbrille“. So würde der City-Fielmann bei einer Tourismusabgabe von der Stadt hauptsächlich für Leistungen an Touristen zur Kasse gebeten, für die das Unternehmen sowieso schon draufzahle, weil sie kostenlos erbracht werden.

Die Innenstadt-Händler könnten eine zusätzliche Abgabe nicht verkraften, heißt es in dem Brief. Die Gewerbetreibenden zahlten an die Stadt bereits einen Gewerbesteuerhebesatz, der sogar höher als der in Berlin sei. Hinzu kämen weitere Steuern und auch Kammerbeiträge. Schließlich müssten die in 1A-Lagen wie der Brandenburger Straße ansässigen Händler noch exorbitant hohe Gewerbemieten von mindestens 80 Euro pro Quadratmeter zahlen. Der Brief an die IHK schließt mit der Frage, „wie Sie als unsere Interessenvertretung die Tourismusabgabe uns gegenüber rechtfertigen und verantworten können?!“ Von der IHK war am Dienstagabend keine Stellungnahme zu bekommen.

Wann eine Entscheidung fällt, ob die Stadt eine Bettensteuer, eine Tourismusabgabe oder nichts dergleichen einführt, ist offen. Nach dem Kurswechsel der IHK haben die Stadtverordneten ein Votum vertagt: Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) soll mit allen Branchenverbänden über einen Kompromiss verhandeln. Der ist allerdings unwahrscheinlich. Rund ein Drittel der Innenstadt-Händler hat inzwischen seinem Protest auch optisch Ausdruck verliehen – auf Schaufensterplakaten gegen eine Tourismusabgabe.

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