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Landeshauptstadt: Toleranzedikt wird praktisch

Moscheebau, Asylbewerberheim, Rassismus: Potsdamer sollen über Zusammenleben in Stadt diskutieren

Potsdam wird sich in absehbarer Zeit mit dem möglichen Bau einer Moschee auseinandersetzen müssen. Und damit, wie hier lebende Flüchtlinge anders als im Asylbewerberheim im Lerchensteig untergebracht werden. Dazu sei die Zahl der in Potsdam lebenden Afrikaner in den vergangenen Jahren zurückgegangen – weil Menschen mit schwarzer Haut hier noch Ablehnung spüren würden. Diese drei politisch brisanten Punkte nannte der Potsdamer Politikwissenschaftler Heinz Kleger gestern, als er vor Journalisten ganz praktische Beispiele zur Diskussion um die Neuauflage des historischen Toleranzedikts beschrieb.

Denn für den Politologen, der die Diskussion vergangenen Monat mit zehn von ihm erarbeiteten Thesen eröffnet hatte, ist ausgemacht, dass das Edikt-Projekt nicht nur eine „Imagekampagne“ sein soll – sondern auch unbequeme Wahrheiten aussprechen soll: „Es ist ein Skandal, wie wir mit Flüchtlingen umgehen.“ So solle das Edikt laut Kleger nicht nur „Stadtgespräch“ sein, sondern auch Raum für Veränderung schaffen.

Gestern stellten die Initiatoren der Aktion mehrere Projekte vor, mit denen die Ideen des Edikts bekannter werden sollen. So steht eine Unterschriftenaktion an: In der „Potsdam am Sonntag“ am Ostersonntag finden sich dazu die passenden Postkarten. Auf diese können Potsdamer ihre Vorschläge, Erwartungen und Ideen für ein neues Toleranzedikt schreiben – und die Karten wieder an die Verwaltung schicken oder an zahlreichen Orten abgeben. Ebenso werden die Spielerinnen von Turbine Potsdam bei ihrem Heimspiel am Ostermontag eine überdimensionale Postkarte unterzeichnen. „Die Bürger sollen von sich aus agieren, aber wir müssen schon immer auch Futter für das Projekt geben“, beschrieb Simone Leinkauf vom Verein ProWissen e.V. den Spagat, als Projektinitiator von oben die normalen Bürger zum Engagement zu bewegen. „Es geht um eine Änderung des Klimas in der Stadt.“ Die für ein Jahr angelegte Aktion wird vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft finanziert – und greift zurück auf das historische Potsdamer Toleranzedikt, mit dem Kurfürst Friedrich Wilhelm ab 1685 die Ansiedlung geflüchteter Hugenotten in Brandenburg vereinfachte. Bei der interkulturellen Woche im Herbst soll ein Abschlussdokument der Diskussion vorliegen. Dass die Diskussion bis dahin auch für Streit zwischen Weltsichten sorgen wird, dessen ist sich Heinz Kleger sicher – und setzte gestern bewusst auf streitbare Thesen. So appellierte er, nicht wie in DDR-Zeiten die „Freiheit des Einzelnen“ und die Toleranz gegen den Begriff der Gerechtigkeit auszuspielen: „Wenn das bröckelt, wird es gefährlich.“H. Kramer

H. Kramer

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