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Andrada C. kam vor etwas mehr als einem Jahr bei dem Unglück auf dem Oktoberfest ums Leben.

© Kay Grimmer

Tödlicher Karussell-Unfall in Potsdam: Hinterbliebener reiste mehr als 1000 Kilometer für Urteilsverkündung an

Gregore C. kam eigens aus Rumänien, um in Potsdam das Urteil gegen eine Fahrgeschäft-Mitarbeiterin zu hören. Diese hatte durch einen Fehler den Tod seiner großen Liebe verursacht.

Von Carsten Holm

Potsdam - Für den 30 Jahre alten Gregore C. muss es eine lange, furchtbare Fahrt gewesen sein: Am Donnerstagabend startete er mit seinem BMW im 33.000 Einwohner zählenden rumänischen Reghin, seiner für ihren Geigenbau bekannten Heimatstadt in Transsilvanien, dem früheren Siebenbürgen. Gegen 8 Uhr kam er am Freitag (9.10.) nach 1480 Kilometern in Potsdam an. 

Eine halbe Stunde später begann die Hauptverhandlung gegen die 48 Jahre alte Sandra H. aus Kleinmachnow, die sich vor dem Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung seiner Lebensgefährtin Andrada C. verantworten sollte. Wegen des tödlichen Unglücks auf dem Potsdamer Oktoberfest vom 29. September vergangenen Jahres setzte das Gericht in Abwesenheit von Sandra H. einen Strafbefehl über eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten fest, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird.
Gregore C. war als wichtigster Augenzeuge geladen, er hatte aus wenigen Metern Entfernung beobachtet, was an jenem Sonntag gegen 16.30 Uhr passiert war. 

Sandra H. drückte versehentlich falschen Knopf

Die beiden Rumänen arbeiteten beim Fahrgeschäft „Playball”, sie überprüften auf der Plattform unter anderem, ob die Sicherheitsbügel fixiert waren. Sandra H. saß laut Anklage an jenem Tag am Steuerpult des Karussells und drückte versehentlich einen falschen Knopf. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft setzte sich das Karussell daraufhin ohne den üblichen Warnton in Bewegung, obwohl Andrada C. und Gregore C. noch auf der Plattform standen. Sandra H. habe sich „nicht vergewissert”, ob sich auf der drehenden Plattform mit den zwölf sich ebenfalls drehenden Gondeln noch jemand aufgehalten hätte. 

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Sie übersah offensichtlich ihre rumänischen Mitarbeiter, die die Plattform wegen der höheren als sonst üblichen Geschwindigkeit nicht mehr verlassen konnten. Auf wiederholte Warnrufe reagierte sie nicht. Gregore C. konnte sich festhalten, Andrada C. wurde nach etwa fünf Umdrehungen hinabgeschleudert und starb noch an der Unfallstelle. 

Schausteller und Potsdamer Bürger hatten großen Anteil am Tod von Andrada C. genommen. Sie gedachten der jungen Rumänin vor dem „Playball” mit einem Meer von Blumen und Kerzen.

Angeklagte blieb Gerichtssaal fern

Um 8.30 Uhr sollte die Verhandlung im Saal 215 des Amtsgerichts beginnen, drei Verhandlungstage waren vorgesehen. Gregore C. und seine Dolmetscherin waren pünktlich vor Ort. Das Gericht wartete ein paar Minuten, unterbrach die Verhandlung dann für eine Viertelstunde, doch weder die Angeklagte noch ihre Verteidigung erschienen. Sie hatten das Gericht allem Anschein nach auch nicht darüber informiert, dass sie nicht erscheinen wollten. 

Oberstaatsanwalt Harald Feles beantragte daraufhin einen Strafbefehl über eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung, Richter Jens Nimz setzte den Befehl fest. Er wird rechtskräftig, wenn Sandra H. nicht innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegt. Bei einem Verzicht darauf würde zwei Potsdamer Schülerinnen, neben denen Andrada C. vor dem „Playball” aufprallte und starb, ein Auftritt als Zeugen erspart bleiben. Sie waren stark traumatisiert und unmittelbar nach dem Unglück psychologisch betreut worden. 

Andrada C. war Gregores große Liebe

Dass Angeklagte zu Hauptverhandlungen nicht erscheinen, sei „nichts Ungewöhnliches”, sagte Oberstaatsanwalt Feles den PNN nach der Verhandlung. Etwa 20 Prozent der Verhandlungen würden auf diese Weise abgeschlossen. Möglich sei dies seit Inkrafttreten des 1. Justizmodernisierungsgesetz von 2004, mit dem zur Beschleunigung von Verfahren auf die bis dahin übliche Vorführung und auf Haftbefehle für nicht erscheinende Angeklagte verzichtet werden kann. Dies ist nur möglich, wenn das Gericht eine Freiheitsstrafe von maximal einem Jahr für angemessen hält, die zur Bewährung ausgesetzt wird. 

Gregore C. wurde ins Amtsgericht von rumänischen Freunden begleitet, die in Deutschland Arbeit gefunden haben. Einer von ihnen, der in Potsdam lebt, erzählte den PNN, dass ihr Freund gleich nach dem Unglück nach Rumänien zurückgekehrt sei „und noch immer fix und fertig ist”. Andrada C. sei seine große Liebe gewesen, seit sechs Jahren war das Paar zusammen. Gregore lebe jetzt bei seiner Mutter in Reghin.

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