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Update

Tödliche Schüsse in Werder (Havel): Sechs Jahre für Todesschützen

Mit einer Schrotflinte hat er seinen Nachbarn in Bauch und Gesicht geschossen: Im Prozess um die tödlichen Schüsse in Werder (Havel) ist das Urteil gefallen. 

Von
  • Sarah Stoffers
  • Valerie Barsig

Potsdam/Werder (Havel) - Der wegen Mordes angeklagte Andreas E. aus Werder (Havel), der am 8. Februar seinen Nachbarn mit einer Schrotflinte erschossen hat, ist vom Landgericht Potsdam am Montag zu sechs Jahren wegen Totschlags verurteilt worden. Nach einem Jahr Haftstrafe soll Andreas E. zur Behandlung seiner Alkoholsucht in eine Entziehungsanstalt untergebracht werden. „Was wir feststellen konnten ist, dass sie vorsätzlich einen Menschen getötet haben ohne Mörder zu sein“, sagte der Vorsitzende Richter Theodor Horstkötter bei der Urteilsbegründung. Bei der Beurteilung der Tat „im Zweifel für den Angeklagten“ zu Gunsten von Andreas E. gesprochen, erklärte Richter Horstkötter. 

Mit dem Urteil folgt das Gericht der Verteidigung, die fünf Jahre und sechs Monate wegen Totschlags forderte. Die Staatsanwaltschaft hingegen geht davon aus, dass Andreas E. seinen Nachbarn heimtückisch ermordet hat und forderte eine lebenslange Haft für den 60-Jährigen wegen Mordes. 

Tat entspricht nicht dem Wesen von Andreas E.

Während der Verhandlung habe sich das Gericht mit dem Umstand auseinandergesetzt, ob der Angeklagte heimtückisch gehandelt habe und ob er die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers ganz bewusst ausgenutzt habe, erklärte Horstkötter. Das Gericht ist der Ansicht, dass die Tat als solche nicht dem Wesen von Andreas E. entspricht. „Sie sind niemand, der in schwierigen Situationen mit Gewalt gegen Menschen reagiert“, so Horstkötter. Das hätten Zeugen bestätigt. Es habe sich um eine Spontantat gehandelt und nicht um Rache an dem Nachbarn, mit dem Andreas E. wegen der Hunde seiner Freundin im Streit lag. 

Andreas E. sei am Tattag in einer psychischen Ausnahmesituation und affektiv aufgeladen gewesen. Zum einen wegen des Konflikts mit dem Nachbarn und zum anderen wegen der Beziehung zu seiner Freundin. Wie berichtet war sie einen Tag vor der Tat wegen eines Zusammenbruchs und starkem Alkoholkonsum in eine Klinik eingewiesen worden. Wie so oft, habe Andreas E. dann an dem Abend und in der Nacht seine Sorgen im Alkohol ertränkt, so Horstkötter. Am Tattag habe seine Freundin dann, nach eigener Aussage, Andreas E. angerufen und ihm unter anderem mitgeteilt, dass sie zunächst zu ihrem Mann zurück und sich dann alleine eine eigene Wohnung suchen wolle. Durch die Freundin sei zudem seine finanzielle Situation allmählich schwierig geworden. E. hatte seine Freundin mitfinanziert. „Sie sahen ihre Zukunftsträume sehr ernüchternd zerplatzen“, so Horstkötter. 

Gericht hält Schilderungen von Andreas E. für glaubwürdig

Den Tag über habe der Verurteilte dann weiter getrunken und sei bei einem Spaziergang mit den beiden Hunden auf den später getöteten Nachbarn getroffen, der Andreas E. und die Tiere beleidigte. Der Verurteilte habe das wie so oft einfach geschluckt, sich nicht gewehrt und sei zurück in seine Wohnung gegangen.  Das Gericht hält die Schilderungen von Andreas E. zum danach folgenden Tathergang weitestgehend für glaubwürdig. Demnach war er mit der zusammengeschraubten Schrotflinte ursprünglich auf dem Weg in den Wald, um sich abzureagieren. Sein Nachbar habe ihn dann wahrscheinlich erneut von der Seite aggressiv angesprochen. Durch den Alkohol sei zudem die Hemmung des Verurteilten gesunken. Aus dieser Situation heraus habe Andreas E. dann geschossen, so Horstkötter. „Sie waren immer noch voller Wut und wollten sich abreagieren“, so Horstkötter. 

Für die Aussage, er habe in den Wald gehen wollen, spreche nach Ansicht des Gerichts vor allem die Tatsache, dass der Verurteilte 100 Schuss Munition bei sich trug. So viel habe er nicht gebraucht, um zu seinem Nachbarn zu gehen und ihn zu erschießen, erklärte Horstkötter. Vielleicht habe er noch weitere Menschen töten wollen, doch ein Amoklauf passe nicht zum Profil des Verurteilten. Amokläufer würden sich lange vorher mit ihrer Tat beschäftigen und vorbereiten. Demnach spreche die Munition für Andreas E.s Version und damit hieße es „im Zweifel für den Angeklagten“. Auch der Umstand, dass er seine Jacke anzog und mit der Waffe unter der Jacke nach draußen trat, spreche dafür. 

Der Verurteilte hatte gestanden und zeigte sich kooperativ

Für nicht nachvollziehbar hält das Gericht hingegen Andreas E.s Schilderungen, er habe vor seinem Nachbarn Angst gehabt, weil er sich an ein prägendes Gewalterlebnis in den 90er-Jahren erinnert habe. Er war damals nach einem Kneipenbesuch von Skinheads verprügelt worden. Da der Nachbar nicht gewalttätig gewesen sei, könne das so nicht stimmen, sagte Horstkötter. „Es gab subjektiv und objektiv keinen Grund für Sie, sich so massiv durch Schüsse zu verteidigen“. Als strafmildernder Umstände flossen in die Urteilsfindung, dass Andreas E. gestanden hatte und sich kooperativ zeigte. Außerdem ist er nicht vorbestraft und hatte während der Verhandlung offene und ehrliche Reue an den Tag gelegt, sagte Horstkötter. 

Die Alkoholsucht habe die Tat zudem mitbeeinflusst. Zeugen hatten ausgesagt, dass Andreas E. nur unter Alkohol zu Aggressionen neigte. Um die Gefahr einer erneuten Gewalttat für die Zukunft zu zu bannen, soll Andreas E. daher nach einem Jahr Haft eine Langzeittherapie in einer Entziehungsanstalt beginnen. Der Prozess habe gezeigt, dass der Alkohol Andreas E. in den Abgrund geführt habe. „Sie müssen nun damit leben, dass sie einen Menschen getötet haben“, so Hostkötter. Das Urteil solle der Verurteilte auch als Chance für sein weiteres Leben sehen.

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