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Landeshauptstadt: Todesstreifen im Spielzeuglook

„Hinter der Mauer“ heißt eine Ausstellung, die ab Sonntag im Schloss Glienicke zu sehen ist

Von Peer Straube

Klein-Glienicke - Bezeichnender könnte das Foto auf dem Werbeplakat kaum sein. Ein paar Unterhemden und Handtücher zum Trocknen auf die Leine gehängt. Dahinter wässert ein Mann mit einem Gartenschlauch ein Gemüsebeet. Und von dieser Szenerie nur ein paar Schritte entfernt steht – die Mauer.

Abgelichtet wurde dieses Motiv in Klein-Glienicke, jener DDR- und Potsdamer Exklave, die, damals auf Westberliner Gebiet liegend, vollständig von Mauer und Stacheldraht umgeben war und als „Sondersicherheitszone“ galt. „Hinter der Mauer – Glienicke, Ort der deutschen Teilung“ heißt die Ausstellung, zu der das Foto gehört und die ab kommenden Sonntag in der Orangerie des Schlosses Glienicke zu sehen ist. Zusammengestellt hat sie das Ehepaar Manuela und Jens Arndt, das 1999 von Berlin-Zehlendorf nach Klein-Glienicke gezogen ist und das die Geschichte des Ortes seitdem nicht mehr losgelassen hat. Der Fernsehjournalist und die Landschaftsarchitektin haben vor zwei Jahren ein Buch über Glienicke geschrieben und dabei eine solche Fülle von Material zusammengetragen, dass die Idee zur Ausstellung reifte. Die Arndts gewannen die Stiftung Berliner Mauer und die Schlösserstiftung als Partner.

„Wie in einem Brennglas“ sei in Klein- Glienicke die Geschichte der deutschen Teilung gebündelt, sagte Axel Klausmeier, Vorstand der Stiftung Berliner Mauer, gestern bei der Vorstellung der Ausstellung. Es habe Tote gegeben, Grenzsoldaten, Fluchtversuche und das alltägliche Leben. Diese verschiedenen Aspekte anhand von persönlichen Geschichten greifbar zu machen, sei das Verdienst der Kuratoren, lobte Klausmeier. Der eigentlichen Mauerausstellung stellen die Arndts die ältere Geschichte Glienickes voran. Es gibt einen Teil über den Prinzen Karl, der Schloss und Garten Mitte des 19. Jahrhunderts zu dem Kleinod gestalten ließ, das es noch heute ist. Die Geschichte des Kiezes in der Nazizeit wird ebenso beleuchtet wie die Nachkriegsjahre bis zum Mauerbau.

Der Hauptteil der Schau widmet sich indes dem Geschehen während der Abschottung durch die Mauer. Wer in Klein-Glienicke wohnte, durfte Besuch nur empfangen, wenn dieser einen Passierschein bekam. Entschieden wurde willkürlich, oft genug wurden solche Anträge abgelehnt. Für die Bewohner eine unglaubliche Einschränkung. Ulla Linow schreibt: „Mir reichte es dann und ich verlegte einen Großteil unseres Lebens nach draußen.“ Silvester- oder Geburtstagsfeiern der Linows fanden 30 Jahre lang in einem Bungalow im Wildpark-West statt.

Berührend ist die Geschichte einer Beerdigung im Herbst 1962. In Klein-Glienicke wurde die Großmutter einer Frau zu Grabe getragen, die in den Westen geflüchtet war. Durch den Stacheldraht hindurch verfolgte die Enkelin die Trauerfeier, der Pfarrer sprach deutlich genug, damit auch auf Westberliner Seite etwas zu hören war. Bestandteil der Ausstellung ist zudem eine „absolute Sensation“, wie Jens Arndt sie nennt. Der frühere Kommandant des für Klein-Glienicke zuständigen DDR- Grenzregiments, Franz Pateley, stellte ein 3,90 mal 1,60 Meter großes Modell der Potsdamer Grenzanlagen zur Verfügung. 20 Jahre habe es Pateley in seiner Garage versteckt, sagte Arndt. Der Todesstreifen im Spielzeuglook. Ein Exponat, das schaudern macht.

„Hinter der Mauer“, Ausstellung in der Orangerie des Schlosses Glienicke, Königstraße 36, Berlin, dienstags bis sonntags, 10 bis 18 Uhr, montags geschlossen. Eintritt acht, ermäßigt fünf Euro.

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