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Dr. Christian Kieser.

© Klinikum Ernst von Bergmann

Update

Thomas Weinke abgesetzt: Neuer Ärztlicher Direktor im Klinikum wird Christian Kieser

Interimschefs ziehen erste personelle Konsequenzen in der Führungsriege. Schmidt: Abberufung Weinkes ist "bewusster Neuanfang nach Corona-Ausbruch". Nachfolger ist Psychiatrie-Chefarzt Christian Kieser.

Potsdam - Die Interimschefs des Potsdamer Bergmann-Klinikums ziehen neue Konsequenzen aus dem schweren Corona-Ausbruch in dem Krankenhaus: Der bisherige Ärztliche Direktor Thomas Weinke ist mit sofortiger Wirkung von diesem Posten abberufen. Weinke bleibe jedoch Chefarzt der Infektiologie und Gastroenterologie, hieß es in einer Pressemitteilung des Klinikums. Weinke gilt als einer der engsten Vertrauten des im Zuge des Virus-Ausbruchs beurlaubten Klinikum-Geschäftsführers Steffen Grebner. Die Abberufung Weinkes sei „ein bewusster Neuanfang nach dem Corona-Ausbruch“, sagte Interimschef Hans-Ulrich Schmidt. Man habe „großen Respekt vor der Lebensleistung von Prof. Dr. Weinke“. 

Ausdrücklich keine Bewertung erfolgt von den Interimschefs zu einer möglichen Verantwortung des 62-jährigen Weinke für Versäumnisse und Fehler im Umgang mit dem Virus-Ausbruch, die das Bergmann im sogenannten Abschlussbericht der neuen Klinikumchefs erstmals konkret eingeräumt hatte. Allerdings gilt der Infektiologe und Ärztliche Direktor als Schlüsselfigur bei der Vorbereitung des Klinikums auf die Ausbreitung des Coronavirus und beim Umgang mit dem Ausbruch. Weinke war Mitglied des Corona-Krisenstabs im Bergmann.  

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Weinke sorgte im rbb für Aufsehen

Für Aufsehen hatte seine Aussage in einer rbb-Sendung vom 9. März gesorgt. Dort hatte Weinke gesagt, die Influenza sei für das Klinikum aktuell ein größeres Problem als Corona. Zu diesem Zeitpunkt aber gab es bereits verzweifelte Berichte von Ärzten in Norditalien, die um das Leben von Corona-Infizierten kämpften. Gut zwei Wochen später revidiert Weinke, ebenfalls im rbb, seine damalige Einschätzung. 

Nachfolger auf dem wichtigen Posten des Ärztlichen Direktors des 1100-Betten-Krankenhauses ist ab sofort Christian Kieser, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Kieser soll – genau wie die Interimschefs Schmidt und Tim Steckel – zunächst bis Ende November als Ärztlicher Direktor fungieren. Er sei „ein ausgezeichneter Nachfolger“, hieß es von Interimschef Schmidt. 

Thomas Weinke muss seinen Posten räumen.
Thomas Weinke muss seinen Posten räumen.

© Sebastian Rost

Mit ihm wolle man „gemeinsam daran arbeiten“, die Reputation des Klinikums „wieder zu stärken und zügig als Schwerpunktversorger für Potsdam und die Region zurückzukehren“. Die medizinische Qualität des Klinikums „ist und bleibt unverändert hoch“, versicherte der Geschäftsführer. Kieser genießt nach PNN-Recherchen Ansehen bei der Belegschaft und Chefärzten. Er war zudem als Ansprechpartner für Mitarbeiter benannt worden, die zur Krise des Klinikums Gesprächsbedarf haben. 

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Zukunft der beurlaubten Chefs soll bis November geklärt sein

Bis Ende November soll spätestens klar sein, was mit den beurlauben Bergmann-Chefs Grebner und Dorothea Fischer geschieht. Dazu hat der Aufsichtsrat des Klinikums, der von der Gesundheitsbeigeordneten Brigitte Meier (SPD) geführt wird, eine Untersuchungskommission eingesetzt. Sie arbeitet unter Leitung der ehemaligen Linke-Gesundheitsministerin Anita Tack und des renommierten Virologen Frank T. Hufert der Medizinischen Hochschule Brandenburg und soll aufklären, wie es zu dem Virusausbruch kommen konnte. 

Im Klinikum sind seit dem 26. März 47 Menschen an oder mit einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Besonders betroffen von dem Ausbruch war die Geriatrie. Dort sind nach Klinikumangaben von den 70 dort am 27. März behandelten Patienten 64 mit dem Coronavirus infiziert worden. 24 dieser Geriatrie-Patienten sind an oder mit einer Sars-CoV-2-Infektion gestorben. 

Die Potsdamer Staatsanwaltschaft prüft weiterhin, ob sie Ermittlungen wegen des Corona-Ausbruchs aufnimmt. Es liegt eine Strafanzeige der Stiftung Patientenschutz wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz vor. Auf PNN-Anfrage sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Wilfred Lehmann, erst an diesem Donnerstag sei der Behörde der so genannte Abschlussbericht der Bergmann-Interimschefs zu dem Corona-Ausbruch vorgelegt worden. Dieser Bericht werde jetzt geprüft, dann werde die Staatsanwaltschaft zeitnah entscheiden, ob Ermittlungen aufgenommen werden.  

Klinikum räumte Fehler ein

In dem von den Interimschefs Schmidt und Steckel beauftragten und vorgestellten sogenannten Abschlussbericht hatte das Bergmann-Klinikum erstmal konkret Fehler und Versäumnisse im Umgang mit dem Corona-Ausbruch eingeräumt. So seien Infektionen bei Mitarbeitern nicht ausreichend in Zusammenhang mit infizierten Patienten gebracht worden, hieß es. Unter anderem waren nach Daten des Klinikums waren bereits am 20. März zwei Mitarbeiter der Nephrologie auf das Coronavirus getestet worden. Drei Tage später stand fest, dass sie infiziert sind – und zwei Patienten zeigten Symptome und wurden getestet. 

Die Interims-Chefs Tim Steckel (li.) und Hans-Ulrich Schmidt.
Die Interims-Chefs Tim Steckel (li.) und Hans-Ulrich Schmidt.

© Andreas Klaer

Vorwürfe gegen Weinke

Dennoch zog die komplette Station an diesem 23. März noch um, weil Platz frei werden musste für die Covid-Station. Nur einen Tag später wurde die Nephrologie wegen Corona-Infektionen komplett abgeriegelt – kaum vorstellbar, dass dies in Unkenntnis des Ärztlichen Direktors geschah. Einen Ausbruch oder den Verdacht auf einen sogenannten nosokomialen Zusammenhang (Krankenhausinfektion) meldete das Klinikum jedoch nicht wie vorgeschrieben an das Gesundheitsamt. Dies geschah erst am 30. März. 

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Dazu kommen Vorwürfe gegen Klinikumverantwortliche, darunter auch Weinke, zum unangemessenen Umgang mit potenziell infizierten Patienten, dem Schutz bestimmter Stationen und Defiziten beim Mitarbeiterschutz. Das Klinikum behauptet weiterhin, es habe keinen Zugang zu Daten erkrankter Mitarbeiter. Dabei gab es laut Abschlussbericht in der Personalabteilung, die Grebner verantwortete, eine so genannte „Quarantäne-Liste“ mit unter Verdacht stehenden oder infizierten Mitarbeitern. Diese Liste wurde jedoch offenbar nicht eingesetzt, um Infektionsherde auszuschließen oder zu bekämpfen.  In Folge des Ausbruchs hatte das Gesundheitsamt am 1. April einen Aufnahme- und Verlegungsstopp für das Klinikum verhängt. Dieser wurde erst kürzlich aufgehoben. Noch immer befindet sich das Bergmann auf dem Weg zum Normalbetrieb. 

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