zum Hauptinhalt
Kraftvolle Autorität: Martin Ziesack als Kreon. Der Potsdamer mimt den König von Theben mit kraftvollem und leidenschaftlichem Spiel als autoritären Tyrannen.

© Sebastian Gabsch

Theater in Potsdam: Mutige Antigone

Im Bürgerhaus am Schlaatz wird ein Theaterprojekt mit Arbeitslosen aufgeführt.

Antigone – die weltberühmte antike griechische Tragödie von Sophokles ist heute immer noch so aktuell wie bei ihrer Uraufführung 442 vor Christus. Sie handelt von erbitterten Konflikten zwischen Staat und Volk, Herrscher und Untertanen, Mann und Frau. Aber auch von Moral. Davon, sich zu behaupten und gegen Widerstände zu kämpfen, sich treu zu bleiben in seiner Überzeugung. Diese universal gültigen Motive wurden am gestrigen Mittwoch von einer Gruppe von Laiendarstellern, die sich mit Widerständen auskennen, im Bürgerhaus am Schlaatz überzeugend auf die Bühne gebracht.

Der Verein für Arbeitsmarktintegration und Beschäftigung (AIB e.V.) hat zusammen mit dem Jobcenter Potsdam ein Theaterprojekt für und mit Arbeitslosen ins Leben gerufen. Unter der künstlerischen Leitung des Regisseurs und Theaterpädagogen Dietmar Lenz übten die Teilnehmer in den letzten sechs Monaten für ihren großen Auftritt im Bürgerhaus am Schlaatz. Der Verein AIB führt bereits seit fast 22 Jahren Projekte zur Beschäftigungsförderung und Integration durch. „Wir machen unterschiedliche Arbeitsmaßnahmen in Potsdam und in unseren Außenstellen in Brandenburg und Teltow“, sagte der Vorstandsvorsitzende Edgar Korge am Rande der Premiere. „Das Konzept zum Theaterprojekt hat der Verein im letzten Jahr beim Jobcenter eingereicht“, wie AIB-Mitarbeiter und Projektleiter Rudolf Piehl erklärte. Es richtete sich speziell an Arbeitslose, die aufgrund von Krankheit und anderen Problemen nicht für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, so Piehl.

Die Laienschauspielgruppe besteht aus zwölf Potsdamern zwischen 28 bis etwa 50 Jahren. Mit der Darstellerin der Antigone, der Potsdamer Künstlerin Heidrun Holke, hat das Projekt eine sehr talentierte Schauspielerin für die Bühne entdeckt. Holke spielt die tragische Heldin als mutige und ausdrucksstarke Frau, deren moralische Integrität in jedem Satz mitschwingt. Ihr Stolz und ihre Anmut sind in jeder Bewegung zu sehen. Dem Tyrannen Kreon ist diese Antigone überlegen. Selbst der Tod kann ihr nichts mehr anhaben.

Die Malerin Holke, die in Berlin-Weißensee Kunst studiert hat und viele Jahre Kostüme und Bühnenbilder für Aufführungen der Theatergruppe an der Voltaire-Gesamtschule gestaltete, wollte eigentlich erst gar nicht auf der Bühne spielen, wie sie erzählt. „Eigentlich war ich die Chorführerin.“ Als die Darstellerin der Antigone ausfiel, übernahm sie die Rolle. Für die Gestaltung der Bühne und des Programmhefts hat sie zudem einige ihrer Bilder zur Verfügung gestellt, die während der Probenzeit entstanden sind. „Es war auch konfliktreich, aber jetzt sind alle froh“, sagt sie über das Projekt. „Am Anfang haben alle gesagt, sie könnten keine Texte lernen, dann ging es doch.“

Ihren Gegenpart spielt Martin Ziesack. Wie die Darsteller nach der Vorstellung verraten, stand seine Rolle als Kreon von Anfang an als einzige fest. Ziesack spielt den König von Theben als wahrhaftigen Tyrann, der kein Widerwort duldet. Der Potsdamer Musiker und Zeichner verleiht seiner Figur mit seiner kräftigen Stimme und leidenschaftlichem Spiel eine herrische Autorität. Jederzeit, so scheint es, könnte er toben und einen Wutanfall bekommen. „Für mich ist ein Wunsch in Erfüllung gegangen“, sagte Ziesack nach der Vorstellung. „Ich wollte so gerne etwas Künstlerisches machen, da ich aus diesem Hintergrund komme.“ Ziesack ist Sänger und macht unter dem Künstlernamen „Rabenkind“ eigene Musik in Richtung Gothik und elektronische Musik. Demnächst möchte er ein Album veröffentlichen. Für das Programmheft hat er, inspiriert durch das Stück und die Proben, kunstvolle Manga-Zeichnungen angefertigt.

Von dem Projekt sind alle Beteiligten überzeugt. „Das Projekt soll dazu dienen, das Selbstbewusstsein der Teilnehmer zu stärken und Eigenschaften zu entwickeln und zu festigen, die für die Berufswelt gebraucht werden“, so Piehl. „Ich glaube, dass das Projekt eine positive Wirkung auf die Teilnehmer hatte. Wir haben ein halbes Jahr lang, von Montag bis Freitag, vier Stunden am Tag geprobt. Aufgrund dieses langen Prozesses kann die Wirkung auf die Teilnehmer nachhaltig sein“, sagte Regisseur Lenz, der bereits an sechs Projekte dieser Art mitarbeitete.

Ob ein Theaterprojekt auch im nächsten Jahr realisiert werden kann, steht noch nicht fest. „Wir werden uns bemühen“, sagte Kronge. Zunächst seien jedoch Erzählwerkstätten im zweiten Halbjahr geplant. Im September wird der Verein einen Antrag für ein neues Theaterprojekt beim Jobcenter einreichen.

Weiter Aufführungen von Antigone finden am Freitag, dem 30. Juni, um 10.30 Uhr sowie am 3. und 5. Juli jeweils um 19.30 Uhr im Bürgerhaus am Schlaatz, Schilfhof 28 statt. Da die Sitzplätze begrenzt sind, wird um eine Voranmeldung unter info@theater-salpuri.de gebeten. Der Eintritt ist kostenlos.

Sarah Stoffers

Zur Startseite