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Die hohen Bleiwerte in den Trinkwasserproben im Schloss Charlottenhof machen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten große Sorgen. Aber der komplette Austausch der Bleirohre würde einen zweistelligen Millionenbetrag kosten, den die Stiftung derzeit nicht aufbringen kann.

© Ralf Hirschberger/dpa

Testergebnisse monatelang ungelesen: Belastetes Trinkwasser im Schloss Charlottenhof

Die Messergebnisse des bleibelasteten Trinkwassers im Schloss Charlottenhof und den Römischen Bädern sind besorgniserregend. Brisant: Die Werte lagen seit Monaten vor.

Potsdam - Monatelang haben Mitarbeiter der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) und der Servicegesellschaft Fridericus an ihren Arbeitsplätzen mit Blei belastetes Wasser getrunken, wenn sie sich im Schloss Charlottenhof und den Römischen Bädern aus den Trinkwasserleitungen bedienten. Messungen hätten ergeben, dass die Bleiwerte im Schloss Charlottenhof weit über dem vom Umweltbundesamt empfohlenen Grenzwert lägen, bestätigte Stiftungssprecher Frank Kallensee den PNN. Zuerst hatte die „Märkische Allgemeine“ über den Vorfall berichtet.

Post wurde nicht gelesen

Besonders pikant: Die Gefahr für die Gesundheit der betroffenen 15 bis 17 Mitarbeiter im Schloss Charlottenhof und den Römischen Bädern im Park Sanssouci wäre vermeidbar gewesen. Denn die Post mit den Messergebnissen lag über mehrere Monate ungelesen in den Büros der Stiftung herum – auch das bestätigte Kallensee.

Bereits seit Dezember 2018 hatte die für die Kontrolle zuständige Baudenkmalpflege der Stiftung die Trinkwasserqualität in mehr als 60 Liegenschaften untersuchen lassen. Die Resultate waren niederschmetternd: Der Bleigehalt des Trinkwassers lag zum Beispiel im Schloss Charlottenhof mit 77 Mikrogramm je Liter um mehr als das Siebenfache über dem vom Umweltbundesamt empfohlenen Grenzwert von zehn Mikrogramm.

Neun Monate zu spät

In den Römischen Bädern wurden 58 Milligramm Blei pro Liter gemessen, fast das Sechsfache des Grenzwertes. Eine Überschreitung gab es bei dieser Messung auch im Orangerieschloss Sanssouci, in der Museumswerkstatt in der Gregor-Mendel-Straße, im Schweizer Haus auf der Pfaueninsel sowie im Saalgebäude Paretz. Bei einer zweiten Messung im vergangenen September wurden die Grenzwerte fast überall unterschritten – bis auf Charlottenhof.

Kaum zu glauben: Erst am 18. September dieses Jahres, rund neun Monate nach den Untersuchungen, wurden die Mitarbeiter über die bedenklichen Resultate der Analysen informiert. Gleichzeitig ließ die Stiftung, wie ihr Sprecher den PNN sagte, Warnschilder aufstellen und die Mitarbeiter mit Mineralwasser versorgen. Mit dem Vorfall beschäftigt sich nun auch die Potsdamer Staatsanwaltschaft. Sie prüft, ob Anhaltspunkte für strafbares Verhalten vorliegen, sagte eine Sprecherin den PNN auf Anfrage.

„Wahrscheinlich krebserzeugend“

Blei kann vor allem das kindliche Nervensystem negativ beeinflussen, aber auch bei Erwachsenen die Nierenfunktion mindern und die Blutbildung beeinträchtigen, wie das Umweltbundesamt den PNN mitteilte. Es gelte als „wahrscheinlich krebserzeugend“.

Ob und wie stark die Gesundheit von Mitarbeitern durch den Verzehr von hochbelastetem Trinkwasser an ihren Arbeitsplätzen beeinträchtigt wurde, lässt die Schlösserstiftung nach Angaben ihres Sprechers derzeit prüfen: „Die betriebsärztlichen Untersuchungen laufen“. Die betroffenen Mitarbeiter seien vom Geschehen „irritiert, so etwas ist dem Arbeitsklima nicht zuträglich“.

Stiftung will aufklären

Die erhebliche Verzögerung von der Entnahme der Wasserproben bis zu der Warnung der Mitarbeiter erklärt Kallensee mit der Erkrankung des zuständigen Mitarbeiters in der Baudenkmalpflege, der seit einem halben Jahr fehle. Weiterhin habe es personelle Engpässe wie das Ausscheiden des verantwortlichen Bauleiters gegeben. „Wir bedauern dies ausdrücklich“, sagte der Sprecher. Die Stiftung bemühe sich um die Aufklärung der Vorgänge. Sie habe, als die Post mit den hohen Messwerten im September geöffnet worden war, umgehend eine weitere Prüfung jener Wasserleitungen veranlasst, die durch eine Überschreitung der Grenzwerte aufgefallen waren. Dabei bestätigte sich, so Kallensee, lediglich der erhöhte Bleiwert im Schloss Charlottenhof, an den übrigen Standorten lagen die Ergebnisse „deutlich unter den Grenzwerten“. Dennoch blieben die Wasserentnahmestellen in den Römischen Bädern vorsorglich geschlossen, da es im Hausnetz noch immer Bleileitungen gebe.

Teure Sanierung

Die Ursachen für die Bleibelastung sind offensichtlich. Bis Anfang der 1970er-Jahre wurden zum Teil Bleileitungen für die Wasserversorgung genutzt – so auch in den Liegenschaften der SPSG. Möglicherweise ist die Erneuerung des gesamten Leitungsnetzes im Schloss Charlottenhof erforderlich. Die Stiftung nimmt laut Kallensee „jede Überschreitung der Grenzwerte sehr ernst“. Für die komplette Erneuerung aller veralteten Trinkwassernetze in ihren Liegenschaften sei allerdings ein zweistelliger Millionenbetrag erforderlich, „der derzeit nicht zur Verfügung steht“.

Schloss Charlottenhof im Park Sanssouci war Sommersitz des Kronprinzen, der 1840 als Friedrich Wilhelm IV. preußischer König wurde. Die nahen Römischen Bäder im Park Sanssouci spiegeln die „Italiensehnsucht“ des Bauherrn. Das Ensemble entstand in der Zeit von 1829 bis 1840.

Carsten Holm

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