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Landeshauptstadt: Tee-Perlen aus Japan, Seife aus Neu-Seeland

Schönes aus Brandenburg und aller Welt gibt’s im Wunderscholl: Susann Wolf verkauft Bio-Tee und Produkte von Künstlern, die bei ihr Regalfläche anmieten

Für Beuteltee hat Susann Wolf nur ein müdes Lächeln übrig. „Das ist Staub“, sagt sie. Mit einem kleinen Kaufmanns-Schäufelchen füllt sie losen Tee aus einer großen Blechdose in ein Papiertütchen. Wiegt ab, faltet zusammen. „Ich habe etwa 50 Sorten, schwarz, grün, weiß, Oolong, Rooibush, Früchte- und wärmende Gewürzteemischungen“, sagt die Expertin. Seit einem guten halben Jahr verkauft Susann Wolf in ihrem Laden Wunderscholl neben Kunsthandwerk und Gebrauchskunst auch besten Tee, fair gehandelt und in Bioqualität, sagt die 34-jährige Jungunternehmerin.

Auf Höhe der Clara-Zetkin-Straße ist die Geschwister-Scholl-Straße noch nicht so gemütlich, wie sie zwei Blocks weiter stadtauswärts wird. Doch langsam wird sie ihr Schmuddelimage los, vielleicht auch, weil mutige Geschäftsleute sich davon nicht abschrecken lassen. Susann Wolfs Vorgänger war ein Schlüsseldienst, lange stand der Laden leer, sie selbst lief immer wieder daran vorbei, schaute, überlegte. Die Räume waren erschwinglich und groß genug. „Ich will meine Produkte in einer luftigen Atmosphäre präsentieren, den Sachen ihren Raum lassen“, sagt sie. Einen beengten Kramladen – das wollte sie nicht.

Jetzt ist Wunderscholl in Potsdam-West nicht mehr zu übersehen. Bei schönem Wetter stehen vor dem Haus Regale, Tisch und Stuhl, Aufsteller, an denen der Blick im Vorbeigehen hängen bleibt, Passanten die drei Stufen hinauflockt. „Viele kommen, weil sie ein besonderes Geschenk suchen“, sagt Susann Wolf. Ihr selbst ging es nicht anders. „Ich dachte, so etwas fehlt hier in West.“ Die Neupotsdamerin kam aus dem Bereich Sozialarbeit. Weil das nicht ihr „Feuer- und Flamme-Beruf“ gewesen sei, suchte sie eine Alternative. In ihrem Elternhaus erlebte sie den selbstverständlichen, entspannten Umgang mit Gebrauchskunst. „Bei uns war immer alles irgendwie individuell gestaltet“, sagt sie. Und immer wurde Tee getrunken, kein Kaffee. Die Tee-Expertin durch „Learning by Drinking“ bildete sich außerdem in Seminaren zum Thema Tee weiter. Dabei lernte sie über Herkunft und Anbau des Tees, die verschiedenen Sorten, die perfekte Zubereitung. Es sei erstaunlich, bemerkt sie, was mit dem Geschmacksbewusstsein passiere, wenn man guten Tee trinkt, sich dafür Zeit nimmt. „Das ist so ähnlich wie beim Wein: Es dauert eben einen Tag, bis man eine Orchideen-Note herausschmeckt“, sagt die Tee-Frau begeistert. Bei den Sorten, die sie verkauft, schmecke man auch regionale Unterschiede, Grüner Tee aus Japan unterscheide sich tatsächlich von Grünem aus China, sagt sie. „Qualität hängt außerdem ab von der Auswahl der Grundpflanze, ob man ganze Zweige erntet oder eben nur die Blätter der Spitze.“ Sie hat sich das noch nicht vor Ort angesehen, aber sie vertraue ihren Lieferanten.

Vor allem aber ist sie eine Verfechterin des losen Tees. Gern zeigt sie dessen Zubereitung und hofft, die Menschen dafür begeistern zu können, den sich langsam entfaltenden Blättern zuzuschauen. Auf Wunsch darf man eine Tasse probieren, bevor man hier einkauft, immerhin ist alles ein wenig hochpreisiger, 8,50 Euro kosten 50 Gramm vom grünen Jasmin Tee, dessen Blätter per Hand zu kleinen Kügelchen – Susann Wolf sagt Perlen – gedreht wurden. Drei mal so teuer ist der pulverisierte Grüne, der Matcha-Tee. Hier wird das ganze Blatt konsumiert, infolgedessen landen auch sämtliche Inhaltsstoffe im Körper. Aufgrund des hohen Koffeingehalts gilt Matcha als Espresso des Tees, sagt Susann Wolf.

Das Alltagsprodukt Tee wird mit einer breiten Auswahl an Kunsthandwerksprodukten ergänzt. Wer ein kleines Mitbringsel sucht, eine nette Aufmerksamkeit, ein außergewöhnliches Geschenk, der dürfte hier fündig werden. Und meistens, sagt die Inhaberin, kommen die Kunden später wieder, um für sich selbst etwas Schönes zu kaufen. Das gibt’s hier reichlich, Produkte aus einer ganzen Reihe von Manufakturen und Werkstätten aus Potsdam, dem Umland und vereinzelt von noch weiter her. Es muss ihr gefallen und ihrer Meinung nach ins Sortiment passen, dann wird es im Wunderscholl verkauft. Dabei wird der Platz, Regalflächen, Vitrinen oder anderes den einzelnen Künstlern direkt vermietet. Susann Scholl finanziert darüber die Ladenmiete und die Künstler bekommen Gelegenheit, sich außerhalb von Märkten und Werkstätten dauerhaft zu präsentieren – eine außergewöhnliche und doch simple Idee.

Hier gibt es Schmiedeeisernes aus dem Wendland, kleine Wandhaken und eine Feuerschale, ausschließlich aus Hufeisen zusammengesetzt, es gibt Mundgeblasenes aus der Baruther Glashütte, Keramik aus Potsdam. Mehr als 50 Künstler zeigen ihre Produkte, Malerei und Fotografie, Papierhandwerk, kleine Grußkarten und kunstvoll-exzentrisch gefaltete, überdimensionale Lampen. Es gibt Leder-, Holz- und Stoffwaren, Babymützchen und Tischwäsche, daneben edle Schreibwerkzeuge, außergewöhnlicher Schmuck, Kerzen und Naturseifen. Die kommen vom Seifenhof Neu-Seeland, duften intensiv und und tragen Namen wie Rapunzels Geheimnis, Ogrosener Schafkopp und Jennys Sommer, mit Sheabutter und Traubenkernöl. Und natürlich gibt es hier allerlei Teegeschirr, dazu Honig aus Potsdam und Sanssouci.

„Ich hab mir drei Jahre gegeben, um zu schauen, ob das Konzept funktioniert“, sagt Susann Wolf. Sie erinnert sich mit leichtem Grausen an die ersten Wochen im vergangenen Herbst, als sie Geschäftseröffnung und Kitaeingewöhnung ihres Kindes zeitgleich managte. „Ich denke, wir sind jetzt in der Kennenlernphase, meine Kunden und ich“, sagt sie.

Geschwister-Scholl-Straße 93, www.wunderscholl.de, Dienstag bis Freitag 10.30 bis 14.30 Uhr und 15.30 bis 18.00, Samstag 10 bis 13 Uhr. Montag geschlossen

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