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Verladen. Auf dem Betriebshof des Verkehrsbetriebs sind in dieser Woche die Tatras verladen worden. Sie werden nun von Hamburg aus ins mehr als 3000 Kilometer entfernte Alexandria verschifft. Dort sollen sie wieder zum Einsatz kommen. Verkauft werden die Wagen für einen „symbolischen Preis“, wie es heißt.

© ViP Potsdam

Tatra-Bahnen von Potsdam nach Ägypten: Alte Trams für Alexandria

Der Verkehrsbetrieb Potsdam verkauft neun Tatra-Bahnen nach Ägypten. Eigentlich sollten sie verschrottet werden.

Potsdam/Alexandria - Seit 40 Jahren fahren Tatra-Bahnen durch Potsdam, die Stadt war einst für Prototypen dieser Straßenbahnen sogar das Testgebiet. Künftig fahren einige dieser, ursprünglich im heutigen Tschechien entwickelten Fahrzeuge, im fernen Ägypten – der Potsdamer Verkehrsbetrieb (ViP) hat sie zum symbolischen Preis dorthin verkauft. Für eine Verschrottung der Wagen hätte das Unternehmen draufzahlen müssen.

ViP-Sprecherin Silke Baltrusch bestätigte das Geschäft am Freitag auf PNN-Anfrage. Insgesamt neun Tatras, sie stammen aus den 1980er-Jahren, würden derzeit in Richtung Alexandria transportiert. Es ist mit 4,3 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Ägyptens. Künftig sollen die hohen Waggons mit der eckigen Front, den hohen Treppenstufen und dem großzügigen Innenraum in der Hafenstadt am Mittelmeer fahren. Für den Transport werden die tonnenschweren Wagen zunächst mit Tiefladern nach Hamburg gebracht und von dort per Frachter verschifft.

Alte Tatras aus Potsdam fahren auch in Rumänien

Solche Geschäfte sind nichts Ungewöhnliches, alte Potsdamer Tatras fahren zum Beispiel auch in der rumänischen Stadt Ploiesti. Baltrusch erklärte, angesichts neuer Variobahnen und den geplanten Verlängerungen der Combino-Trams habe sich auf dem ViP-Betriebshof zunehmend ein Platzproblem abgezeichnet. „Daher haben wir uns intensiv bemüht, die Tatras zu vermarkten.“ Doch leider sei die Nachfrage nicht groß gewesen.

„Daraufhin haben wir uns entschlossen, die Straßenbahnen für einen symbolischen Preis zu veräußern“, sagte Baltrusch. Eine genaue Summe nannte sie nicht. Nur soviel: Die Transportkosten zahle der Käufer. „Eine Verschrottung der Wagen wäre für uns wesentlich kostenintensiver gewesen“, so Baltrusch. Das Geschäft selbst kam über einen osteuropäischen Händler für Gebrauchtfahrzeuge zustande, wie es weiter hieß.

Viele Nostalgie-Fans

Ein Foto vom Abtransport der Tatras sorgte am Freitag für Diskussionen im sozialen Netzwerk Facebook. Die Kommentare reichten von „echt schade drum“ bis hin zu „Stromfresser“ und „nicht barrierefrei“, also vor allem für Behinderte und Frauen mit Kinderwagen ungeeignet. Oder: „Schlimmer wäre es, wenn sie ihren Weg zum Schrottplatz antreten würden.“

Tatsächlich haben die Tatras unter den Potsdamern und auch unter Straßenbahn-Nostalgikern viele Fans. Entwickelt und produziert wurden sie von dem tschechischen Hersteller CKD in Prag, Vorbild war ein US-Modell. Erprobt wurden diese Bahnen – ihr offizieller Name lautet KT4D – ab 1978 auch in Potsdam. Die Vorteile der Tatra-Bahn waren ihr größeres Fassungsvermögen, die höhere Geschwindigkeit sowie die bessere Beschleunigung im Vergleich zu den bis dato verbreiteten Straßenbahnen. Ab 1998 wurden die Tatra-Wagen nach und nach durch die niederflurigen Combinos und später die Variobahn abgelöst. Zuletzt fuhren noch 18 solcher Bahnen auf Potsdams Gleisen, weitere sind als Reserve im Depot.

Tatra-Bahnen verschwinden nicht aus dem Stadtbild

Dass die Tatras so lange fahren müssen, war eigentlich nicht geplant – der Hersteller ging eigentlich nur von einer Nutzungsdauer von etwa zehn bis fünfzehn Jahren aus. Technische Probleme an den neueren Bahnen machten es in den vergangenen Jahren immer wieder nötig, dass die Tatras länger im Einsatz bleiben mussten. Ganz werden sie auch in Zukunft nicht aus dem Potsdamer Stadtbild verschwinden: Laut Baltrusch sollen zunächst zwölf Tatra-Wagen demnächst grundinstandgesetzt werden, es handelt es sich um bereits nach der Wende modernisierte Züge.

Angesichts des Wachstums der Stadt könne der ViP gar nicht so viele neue Bahnen kaufen, wie nötig wären – und muss daher auch ältere Trams zunächst im Dienst halten. Die Ausschreibung für die Sanierung der Tatra-Trams ist noch im Gange, es gibt zwei Anbieter aus Leipzig und Prag. Wesentliche Aufgaben seien die Rostbeseitigung bei den Wagen und die Durchführung der Hauptuntersuchung. Baltrusch: „Damit sollen die Fahrzeuge wieder für die nächsten 500 000 Kilometer fit gemacht werden, bevor sie später durch moderne Niederflurfahrzeuge abgelöst werden.“

Ab 2022 sollen alle Straßenbahnen barrierefrei, also niederflurig sein – dann könnte durchaus noch eine weitere Ladung Potsdamer Tatras in andere Länder verschifft werden.

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