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Das Foto zeigt Ernst-Robert Grawitz, Reichsarzt der SS. Er wohnte in Babelsberg.

© DRK Generalsekretariat Archiv

Tatort Griebnitzsee: Neuer Film über NS-Täter in Potsdam

"Der Reichsarzt und der Prinz": Eine Dokumentation über zwei Männer, die tief in die nationalsozialistischen Verbrechen verstrickt waren - heute im Potsdam Museum.

Potsdam - Seiner Verantwortung entzog er sich durch Suizid. Frau und Kinder riss Ernst-Robert Grawitz dabei mit in den Tod. Als Geschäftsführender Präsident des Deutschen Roten Kreuzes war Grawitz tief verstrickt in die nationalsozialistischen Verbrechen. Seinem Leben und dem seiner Familie setzte der NS-Funktionär im April 1945 in seiner Babelsberger Villa ein Ende – wohl mit zwei Handgranaten.

Ein klassischer Schreibtischtäter sei Grawitz gewesen, sagt Markus Wicke. Für den Film „Der Reichsarzt und der Prinz – Das DRK im Dritten Reich“ stand Wicke als Experte vor der Kamera. Am heutigen Mittwoch um 18 Uhr findet im Potsdam Museum die Premiere des Dokumentarstreifens von Michael Krause statt. Im Anschluss daran wollen Wicke und Krause in einem gemeinsamen Gespräch über Recherche und Entstehung des Films berichten. Wicke – vor allem als umtriebiger Fördervereinschef des Potsdam Museums bekannt – hatte sich vor Jahren intensiv mit Grawitz und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) beschäftigt.

Grawitz diente sich früh den neuen Machthabern an

Die Ergebnisse seiner Forschungen zur nationalsozialistischen Vergangenheit der Hilfsorganisation hatte Wicke schon im Jahre 2002 in seinem Buch „SS und DRK“ zusammengetragen. Für den im vergangenen Jahr entstandenen Film berichtet der Autor nun von einem authentischen Ort aus – dem kurzzeitigen Sitz des DRK auf dem heutigen Universitätscampus am Bahnhof Griebnitzsee. Der Größenwahn und die Unerbittlichkeit des NS-Staates scheinen hier noch heute in dem rund 160 Meter langen Bau auf, der äußerlich durch seine Monumentalität und architektonische Strenge geprägt ist. Im Innern fällt die Verwendung edler Baumaterialien, wie schwarzem und weißem Marmor, auf. Grawitz und das Präsidium des DRK nutzten den Bau nur zwei Jahre, von der Fertigstellung 1943 bis zum Ende des Regimes 1945.

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Der 1899 in Charlottenburg geborene Grawitz, studierter Mediziner – und von daher eigentlich dem Lebensschutz verpflichtet –, dient sich früh den neuen Machthabern an. Im Jahr 1933 wird er „Dirigierender Arzt am Krankenhaus Westend“ – und entlässt sofort alle jüdischen Ärzte. Sein prominentester Patient: Adolf Hitler. Der hatte sich eine Vergiftung zugezogen. „Grawitz ließ ihm den Magen auspumpen. Eine große Karriere stand ihm nun bevor“, heißt es im Film. Der Mediziner stieg beruflich tatsächlich steil empor, wurde „Reichsarzt SS“ und damit der Chef aller SS-Ärzte im Dritten Reich. Ab 1937 bekleidete er das Amt des Geschäftsführenden Präsidenten des DRK.

Markus Wicke, Fördervereinschef des Potsdam Museums.
Markus Wicke, Fördervereinschef des Potsdam Museums.

© Andreas Klaer

Der Mediziner bestimmte die Lagerärzte für die Konzentrationslager

Im Dokumentarfilm berichtet Wicke über die Machtfülle von Grawitz und dessen Beteiligung am NS-Unrecht. So war der Mediziner direkt in das System der Konzentrations- und Vernichtungslager eingebunden. Grawitz, der das DRK eng an die SS band, bestimmte die Lagerärzte für die Konzentrationslager, suchte zudem die Mediziner aus, die in Auschwitz an der Rampe die „Selektion“ der ankommenden Menschen durchführten. Viele der verbrecherischen medizinischen Experimente in den Lagern fanden ebenfalls unter Aufsicht von Grawitz statt.

Neben dem Mediziner als Geschäftsführenden Präsidenten stand an der Spitze des DRK einer der wohlhabendsten ehemaligen deutschen Reichsfürsten: Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha. Er fungierte als Präsident des DRK und hatte als solcher vor allem eine repräsentative Funktion. Schon in den 1920er-Jahren war er ein Geldgeber Hitlers. Er trat dem rassistisch und offen antisemitisch agierenden Stahlhelm-Bund bei und gründete 1932 die Gesellschaft zum Studium des Faschismus. Sowohl Carl Eduard als auch Grawitz versuchten mehrfach, das Ausland über die wahren Absichten der NS-Regierung zu täuschen.

Carl Eduard überlebte das Ende des NS-Staates

Grawitz fuhr einige Male nach Genf zum Internationalen Komitee des Roten Kreuzes, um mögliche Interventionen wegen der Zustände in den Konzentrationslagern zu verhindern. Carl Eduard, ein Enkel der britischen Königin Victoria, reiste gar in die Vereinigten Staaten und in die Sowjetunion – immer mit dem Ziel, die verbrecherischen Absichten der deutschen Reichsregierung zu verschleiern.

Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha, ein Enkel der britischen Königin Victoria.
Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha, ein Enkel der britischen Königin Victoria.

© PROMO

Während sich Grawitz im April 1945 das Leben nahm, überlebte Carl Eduard das Ende des NS-Staates. Die Amerikaner stellten ihn im April 1945 unter Hausarrest, wo er fünf Jahre blieb. In einem Überprüfungsverfahren wurde er als Minderbelasteter zu einer Sühneleistung von 5000 DM verurteilt. Er starb 1954 in Coburg.

Das Gelände am Griebnitzsee musste das DRK im Zuge des Kriegsendes räumen. Das Oberkommando der sowjetischen Truppen in der hiesigen Besatzungszone übernahm das Areal. Die Aktivitäten des DRK wurden indes nach Berlin verlagert. Noch 1945 wurde das DRK schließlich von den Alliierten verboten und erst in den 1950er-Jahren wieder zugelassen.

Heute um 18 Uhr Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, Filmpremiere „Der Reichsarzt und der Prinz“, anschließend Filmgespräch. Der Eintritt kostet 6 Euro an der Abendkasse.

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