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Das Bergmann-Klinikum in Potsdam.

© Sebastian Gabsch

Tarifstreit am Bergmann-Klinikum: Stadt Potsdam warnt vor einem Bürgerentscheid

Im Klinikum-Tarifstreit hat die Stadt vor einem Bürgerentscheid gewarnt. Zugleich legte sie einen Stufenplan vor.

Von Peer Straube

Potsdam - Die Botschaft ist unmissverständlich. Sollte ein Bürgerentscheid für eine sofortige Rückkehr der nicht-ärztlichen Beschäftigten des kommunalen Bergmann-Klinikums in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst erfolgreich verlaufen, wären Potsdams freie Träger die Leidtragenden. „Extavium, Kultür, aber auch die Finanzierung der bereits abgesicherten Träger aus den Bereichen Kultur, Sport oder Jugend müsste dann komplett auf den Prüfstand“, sagte die Gesundheitsbeigeordnete Brigitte Meier (SPD) den PNN am Dienstag auf Anfrage.

Hintergrund dieser Warnung ist das Doppelbürgerbegehren „Gesunde Zukunft Potsdam“, dessen Initiatoren zum einen die sofortige tarifgerechte Bezahlung aller Bergmann-Beschäftigten und zum anderen generell bessere Arbeitsbedingungen fordern, zum Beispiel eine spürbare Entlastung der Mitarbeiter

Brigitte Meier.
Brigitte Meier.

© Andreas Klaer

Zweites Bürgerbegehren noch in Prüfung

Für beide Begehren hatten wie berichtet jeweils rund 17.500 Potsdamer unterschrieben und damit gut 3000 mehr als für einen Erfolg nötig. Dem Bürgerbegehren für eine Tarifrückkehr hat das Rathaus bereits bescheinigt, das erforderliche Quorum erreicht zu haben, das zweite befindet sich noch in der Prüfung. Danach muss die Kommunalaufsicht des Brandenburger Innenministeriums über die Rechtmäßigkeit befinden. Gibt sie dem Begehren statt, müssen sich die Stadtverordneten damit befassen. 

Lehnen sie – was aus wirtschaftlichen Gründen als praktisch sicher gelten darf – das Begehren ab, käme es zum Bürgerentscheid. Die Potsdamer müssten dann an den Wahlurnen über die im Bürgerbegehren gestellten Forderungen abstimmen. Im Erfolgsfall müssten allen Angestellten, die im Bergmann-Klinikum oder einer ihrer 15 Tochterfirmen arbeiten und die nicht Ärzte sind, ab Juni dieses Jahres eine Bezahlung nach den Tarifen des Kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV) erhalten. 

Gegenkonzept vorgelegt

Um dieses aus Rathaussicht bedrohliche Szenario abzuwenden, haben Stadtverwaltung und Klinikum-Geschäftsführung nun ihr Gegenkonzept vorgelegt. Dieses sieht vor, zunächst die 829 in der Pflege sowie 79 in der Kinderklinik Beschäftigten ab diesem Jahr nach Tarif zu bezahlen. Im Schnitt erhielte ein Mitarbeiter damit rund 120 Euro brutto mehr im Monat, sagte Klinikum-Chef Steffen Grebner den PNN. Die Kosten dafür, es geht um jährlich 3,4 Millionen Euro, will das Krankenhaus für 2020 und 2021 aus eigener Tasche zahlen, damit der aktuell in der Diskussion befindliche Doppelhaushalt der Stadt nicht noch einmal neu aufgerollt werden muss. 

In einem zweiten Schritt, so sieht es die Beschlussvorlage für die Stadtverordneten vor, sollen ab 2022 auch die Gehälter der restlichen Potsdamer Klinik-Beschäftigten auf Tarifniveau angehoben werden. Weitere 2,2 Millionen Euro sind dafür nötig, es betrifft laut Grebner 690 Angestellte aus den Bereichen Verwaltung, Physio- und Ergotherapie, Apotheker und Apothekenhelfer sowie hauseigene Physiker und Chemiker. Bis spätestens nächstes Jahr soll das Klinikum einen Stufen- und vor allem Finanzierungsplan dafür vorlegen. Aus eigener Kraft, so Grebner, werde das Klinikum dies jedoch nicht leisten können. Daher werde wohl die Stadt finanziell einspringen müssen, kündigte Meier an. 

Steffen Grebner. 
Steffen Grebner. 

© Ottmar Winter

Zeitpunkt der Abstimmung unklar

Noch unklar ist, wann die Stadtverordneten über die Beschlussvorlage des Rathauses abstimmen sollen. Möglicherweise könne das erst nach dem Abschluss eines Bürgerentscheids geschehen, weil man sonst dessen Ergebnis vorgreifen würde, sagte Meier. Das werde rechtlich noch geprüft. Sie rechne mit einem Ergebnis eines Bürgerentscheids und einem Stadtverordnetenbeschluss noch in diesem Jahr. Den Alternativvorschlag habe man bereits jetzt erarbeitet, um den Bürgern klar zu machen, was ein Ja zu den Forderungen des Bürgerbegehrens bedeuten würde – nämlich Einbußen für die freien Träger und damit unter anderem eine Verschlechterung des kulturellen und sportlichen Angebots in der Stadt, so die Dezernentin. 

Trotz des gemeinsamen Ziels, eine Angleichung der Gehälter an den Tarif zu erreichen, bleibt der Beschlussvorschlag hinter den Forderungen der Bürgerbegehren zurück. Denn die stufenweise Rückkehr zum Tarif soll eben nur für die direkt im Potsdamer Klinikum Beschäftigten gelten und nicht für die Tochterunternehmen, etwa in Forst oder in Bad Belzig. 14,5 Millionen Euro würde es nach Angaben von Rathaus und Klinikum kosten, würde man den Tarif auch auf die Töchter ausweiten. Das sei wirtschaftlich nicht leistbar, sagte Grebner.

Der Initiator der Begehren, Jörg Kwapis, war am Dienstagabend für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar. Allerdings gibt es erste kritische Stimmen aus der Stadtpolitik. Es sei „nicht die feine englische Art“, gerechten Lohn im Klinikum „gegen freie Leistungen bei Kultur, Jugend und Sport auszuspielen“, sagte der Linke-Stadtverordnete Sascha Krämer den PNN.

Klinikum-Chef erneuert Kritik

Grebner erneuerte am Dienstag seine Kritik an der seiner Ansicht nach mangelhaften Finanzierung nicht nur des Potsdamer Klinikums, sondern aller 62 Brandenburger Krankenhäuser, durch das Land. Jährlich bekomme sein Haus nur rund 6,7 Millionen Euro für nötige technische Ausstattungen und Bauvorhaben. Erforderlich seien aber 21 Millionen Euro. Es gebe noch Bereiche im Klinikum, etwa im Bettenhaus C, wo sich 24 Patienten ein Bad teilen müssten. Er forderte eine angemessene finanzielle Ausstattung. Auch dieser Punkt ist übrigens Teil der Beschlussvorlage: Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) wird darin aufgefordert, sich beim Land für eine Verbesserung der Finanzierung einzusetzen. 

Die personelle Lage im Klinikum bezeichnete Grebner als auskömmlich. Er wies zugleich Kritik zurück, wonach die Zahl der Überlastungsanzeigen gegenüber 2017 im vergangenen Jahr auf rund 2900 gestiegen sei und sich damit mehr als verdoppelt habe. Diese Zahlen, über die die „Märkische Allgemeine Zeitung“ zuerst berichtet hatte, stammten vom Betriebsrat. Bei der Zahl berechtigter Anzeigen bewege man sich im unteren Drittel im Vergleich mit anderen Krankenhäusern. Es gebe aber auch viele unberechtigte Anzeigen, so Grebner. Oft würden mehrere Kollegen eines Bereichs „gleich mitunterschreiben“. 

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