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IN der Pandemie gab es viel Applaus für Pflegekräfte. Nun fordert Verdi Entlastung 

© Andreas Klaer

Tarifforderung fürs Potsdamer Bergmann-Klinikum: Verdi erhöht den Druck für mehr Personal

Die Gewerkschaft Verdi will das Bergmann-Klinikum per Unterschriftensammlung zu einem Tarifvertrag für mehr Personal drängen. Doch das sieht die Lage ganz anders. Das Thema könnte nun auch im Wahlkampf eine Rolle spielen.

Potsdam - Am Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“ hat am Montag eine Unterschriftensammlung begonnen. Die Gewerkschaft Verdi will damit Druck machen für einen sogenannten Entlastungstarifvertrag. Damit soll festgeschrieben werden, wie viel Personal sich mindestens um die Patienten kümmern soll. Das Klinikum lehnt die Forderung in dieser Form bisher ab. 

In den ersten Stunden der Sammlung seien bereits mehr als 50 Unterschriften gesammelt worden, sagte Verdi-Verhandlungsführer Torsten Schulz den PNN. Er sei positiv überrascht. Ziel sei, das mindestens die Hälfte der nichtärztlichen Beschäftigten unterschreibe. Das wären zwischen 700 und 800 Mitarbeiter.

Wie berichtet will Verdi bis zum 13. September Unterschriften von Beschäftigten für „Potsdams letzte Gefährdungsanzeige“ sammeln. Der Begriff bezieht sich auf schriftliche Mitteilungen an den Arbeitgeber oder den unmittelbaren Vorgesetzten, dass es wegen der Arbeitssituation zu gesundheitlichen Gefährdungen oder Qualitätseinbußen kommen kann. Gebräuchlich ist auch der Begriff Überlastungsanzeige. Beschäftigte können sich damit gegen eventuelle Schäden absichern. 

Laut Klinikum bewegen sich die Meldungen in der Pflege im Schnitt im Jahr bei einem Prozent der insgesamt geleisteten Dienste. „Der Wert ist in der Vergangenheit relativ konstant geblieben und wir bewegen uns hier unter den Werten vergleichbarer Großkrankenhäuser in Deutschland“, hieß es auf PNN-Anfrage.

Verdi droht mit Streik

Die Unterschriften sollen am 15. September an die Stadtverordneten und an die Klinikum-Geschäftsführung übergeben werden. Am nächsten Tag starte ein 60-Tage-Ultimatum an die Stadt als Klinikum-Gesellschafter und an die Bergmann-Chefs. Werde innerhalb dieser 60 Tage, also bis 13. November, nicht über den Entlastungstarifvertrag verhandelt, soll es ab 14. November Streiks geben.

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Das Klinikum steht seit Langem unter Druck, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern. In der Aufarbeitung des schweren Corona-Ausbruchs am Klinikum im Frühjahr 2020 mit zahlreichen Toten hatte eine vom Klinikum-Aufsichtsrat eingesetzte Expertenkommission unter anderem eine Vernachlässigung von Pflege und Hygiene festgestellt.

Doch auch schon vor der Pandemie hatte sich Unmut geregt. Bessere Arbeitsbedingungen waren neben der Rückkehr zum Tarif des öffentlichen Dienstes (TVöD) die zweite Forderung des 2019 gestarteten Bürgerbegehrens „Gesunde Zukunft“. 

Verdi verweist nun auf eine Umfrage unter den Klinikmitarbeitern. Am sogenannten Belastungs-Check hätten sich 500 Beschäftigte beteiligt. Unter anderem hatten laut Verdi 78 Prozent der Befragten angegeben, dass sie Arbeitsbedingungen haben, unter denen „oft beziehungsweise sehr häufig die Versorgung der Patienten leidet“.

Klinik verweist auf 45 neue Vollzeitstellen

Das Klinikum hatte diese Darstellung zurückgewiesen. Die Mitarbeitenden seien „mitten in einer weltweiten Pandemie“ befragt worden. „Trotz Pandemiesituation zeigen unsere entwickelten Konzepte erste Erfolge. Allein vom Dezember 2019 bis Mai diesen Jahres haben wir 45 zusätzliche Vollkräfte in der Pflege aufbauen können“, so Klinikum-Chef Hans-Ulrich Schmidt weiter. Nach Angaben des Klinikums habe sich die Zahl der Vollzeitbeschäftigten in der Pflege seit dem Jahr 2010 von 896 auf 1038 erhöht. Gleichzeitig sei die Zahl der vollstationären Belegungstage von 318.885 auf 226.626 gefallen.

Kritik an der Verdi-Forderung kam in der vergangenen Woche vom Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV). Mitgliedern sei es laut KAV-Satzung untersagt, selbstständig Tarifverträge abzuschließen, teilte der Verbandsgeschäftsführer des KAV Brandenburg, Klaus-Dieter Klapproth, mit. Unterstützung bekommt Verdi nun von den Organisatoren des Bürgerbegehrens. Es gebe kein vernünftiges Argument dagegen, die Patient*innenzahl, die von einer Pflegefachkraft versorgt wird, zu reduzieren.

Die Gesundheitsversorgung wird nun auch zum Wahlkampfthema: Die Brandenburger Linke startete am Montag auf dem Luisenplatz nämlich ihre Wahlkampftour zur Bundestagswahl im September und kritisierte vor allem das bestehende System der Krankenhausfinanzierung durch Fallpauschalen. „Es kann nicht sein, dass Kommunen, wie jetzt Potsdam Millionenbeträge aus dem städtischen Haushalt zuschießen müssen, damit die Kolleg*innen des Klinikums anständig nach TVöD bezahlt werden können“, sagte der Potsdamer Bundestagsabgeordnete und Direktkandidat Norbert Müller.

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