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Tandem-Initiative in Potsdam: "Start with a friend" ist eine Anlaufstelle für Geflüchtete

Einfach mal die Tür öffnen: Die Initiative „Start with a friend“ vermittelt Tandems zwischen Geflüchteten und Potsdamern.

Potsdam - Mahmoud Alhazwani ist ein Spaßvogel. Der 25-jährige Syrer, seit drei Jahren in Deutschland, scherzt pausenlos. Wenn er etwas süß findet, nennt er es „glukosehaltig“. Er kommentiert alles mit einem Witz oder einer Grimasse. Das ist es auch, was Anabell Schmidt an ihm mag. „Er ist so ein positiver Mensch, hat immer gute Laune“, sagt die Potsdamer Studentin. „Das führt mir vor Augen, dass man auch mit schweren Erfahrungen optimistisch in die Zukunft schauen kann und wie schön es ist, in Sicherheit zu leben“, betont die 22-Jährige. Alhazwani flüchtete alleine aus der syrischen Stadt Hama über die Türkei und eine Reihe weiterer Länder nach Deutschland. Schmidt und Alhazwani kennen sich seit knapp eineinhalb Jahren. Anfangs trafen sie sich einmal pro Woche, mittlerweile etwas seltener. Sie gehen einen Kaffee trinken und reden über ihren Alltag, kochen zusammen, waren auch schon bei einem Konzert und auf dem Weihnachtsmarkt.

Die beiden sind ein Tandem, zusammengeführt durch die Initiative „Start with a friend“. Der bundesweit in 21 Städten vertretene gemeinnützige Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, soziale Kontakte zwischen Flüchtlingen und Einheimischen zu schaffen – und so die Integration voran zu bringen. Treffen auf Augenhöhe ist das Credo. Mehr als 4400 Tandems wurden nach Angaben einer Sprecherin in Deutschland schon vermittelt.

Die Nachfrage ist groß

In Potsdam gibt es „Start with a friend“ seit 2016, bereits im Jahr zuvor wurde eine erste Tandeminitiative gegründet, die darin aufging. Die Nachfrage sei gerade auf Seiten der Flüchtlinge groß, erklärt Stefanie Löhr. Sie ist Ansprechpartnerin hier, vermittelt die Partner und organisiert zusammen mit Ehrenamtlichen Informationstreffen und Veranstaltungen für die Tandems. 2017 wurde „Start with a friend“ beim Potsdamer Ehrenamtspreis ausgezeichnet.

„Ein Jahr lang mussten wir sogar die Anmeldung für Geflüchtete schließen, weil die Warteliste so lang war“, beschreibt Löhr. 2015 und 2016 hätten sich auch viele Potsdamer gemeldet, dann aber sei das Interesse etwas abgeflaut. Doch weiterhin werden regelmäßig neue Tandems vermittelt. Diese sind zunächst ausgelegt auf ein halbes Jahr, aber die meisten hielten Kontakt. „Die meisten Geflüchteten sind Syrer, häufig Männer zwischen 20 und 35 Jahren“, sagt Löhr. Auf deutscher Seite sei es sehr gemischt, mehr Frauen, auch einige ältere Damen. Auch Familien werden vermittelt, die sich dann mit Kindern zum Beispiel auf Spielplätzen verabreden können. Bei manchen gehe es auch um Hilfe mit den Behörden oder mit der Sprache bei Anträgen.

„Aber man braucht keine Vorkenntnisse“, betont Löhr. Sie trifft jeden Teilnehmer vorab persönlich, fragt nach Hobbies, Beruf, persönlichem Hintergrund. Denn die Tandempartner sollen zusammenpassen, etwas gemeinsam haben und teilen können. Das klappe meist: „Es gibt wenige Fälle, in denen die beiden gar nicht zusammenpassen. Sehr oft bilden sich echte Freundschaften“, betont sie.

Der Anfang war nicht leicht

So war es auch zwischen Anabell Schmidt und Mahmoud Alhazwani: „Er ist ein echt guter Freund geworden“, beschreibt sie. Bei ihnen sei es kaum darum gegangen, zu helfen, eher um den Austausch. „Mahmoud erzählt viel von seiner Arbeit“, beschreibt sie. Der junge Syrer hilft ehrenamtlich in der Kleiderausgabe „Schatztruhe“ der Arbeiterwohlfahrt und leistet einen Bundesfreiwilligendienst in einem Kinderklub im Schlaatz. „Die Kinder sind so toll, immer menschlich, es gibt nie Routine und sie kommen gern zu mir, wenn sie Hilfe brauchen“, sagt er. In Syrien hat er vor der Flucht als Elektriker gearbeitet, hat auch eine Ausbildung als Kälte- und Getriebetechniker.

Er fühle sich wohl hier, „alles ist besser als Krieg in Syrien“. Aber der Anfang sei nicht einfach gewesen. „Wenn ich Fehler gemacht habe, haben die Leute gelacht, das war schwer für mich“, beschreibt Alhazwani. Seine Tandempartnerin Anabell habe ihm geholfen, einiges besser zu verstehen.

Tandems zu schaffen, helfe beiden Seiten, erklärt Stefanie Löhr. Für die Potsdamer sei es ein Gewinn, „einfach mal die Tür aufzumachen“. Aus der Blase herauszukommen, etwas über eine andere Kultur, Feste, Essen zu erfahren – aber auch über die vielen Gemeinsamkeiten. „Viele der Geflüchteten haben uns erzählt, dass das die erste deutsche Person war, die sich für sie interessiert hat“, sagt die 42-Jährige.

Gelebte Integration

So ähnlich beschreibt das auch Alhazwani. „In Syrien kennt man alle Nachbarn, das ist fast wie eine Familie.“ Er wohnt am Schlaatz, in seinem Haus wollten viele Leute eher ihre Ruhe haben, er sei da auf Grenzen gestoßen. „Das fand ich echt komisch am Anfang“, sagt er. Das Tandem sei eine Möglichkeit gewesen, eine Potsdamerin kennen zu lernen, und zugleich besser zu verstehen, wie die Deutschen ticken. Für Schmidt, die soziale Arbeit an der Fachhochschule studiert und über ein Plakat von „Start with a friend“ erfahren hat, geht es auch um gelebte Integration. „Der Austausch bereichert meinen Alltag“, sagt sie. Die 22-Jährige ist sicher: „So ein Tandem würde jedem gut tun.“

» Interessierte können sich an potsdam@start-with-a-friend.de wenden.

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