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Neu entdeckt. Das Foto aus der Ausstellung zeigt eindrücklich, dass das Volk vor allem Reichspräsident Paul von Hindenburg am 21. März 1933 zujubelte. Hitler war zum Zeitpunkt der Aufnahme noch gar nicht in Potsdam, sondern auf einem Friedhof in Berlin.

© Franz Borowski Potsdam Museum

"Tag von Potsdam" im Potsdam Museum: Hitlergruß für Hindenburg

Das Potsdam Museum zeigt neue Exponate zum "Tag von Potsdam" – und will seine Sammlung vergrößern. Dabei sollen auch Potsdamer mithelfen.

Potsdam - Auf den ersten Blick ist nicht genau zu erkennen, was da als weißer Fleck in das Bild hineinragt, das eine Menschenmenge vor der Nikolaikirche zeigt. Doch wenn man weiß, dass das Foto am 21. März 1933 geschossen wurde, ist schnell klar: Es ist eine zum Hitlergruß erhobene Hand, die den Personen auf der Treppe entgegengereckt wird. Am gestrigen Dienstag jährte sich der „Tag von Potsdam“, an dem Hitler und Reichspräsident Paul von Hindenburg vor 84 Jahren mit einem Festakt in der Garnisonkirche den symbolischen Schulterschluss zwischen den konservativen, preußischen Eliten und den Nationalsozialisten inszenierten.

Das Foto von Franz Boroffka gehört zu den Exponaten aus der Sammlung des Potsdam Museums, die den symbolträchtigen Tag dokumentieren. Dieses und andere Stücke rund um den Tag von Potsdam wird der stellvertretende Museumsdirektor Hannes Wittenberg bei einem Vortrag morgen ab 18 Uhr im Potsdam Museum vorstellen.

Hitler erschien erst zum Festakt in der Garnisonkirche in Potsdam

Doch trotz all der gereckten Arme auf dem Foto – wo ist Hitler? Im Mittelpunkt des Bildes ist nur Hindenburg am Eingang der Kirche zu sehen, wie er Pfarrer Horst Lahr die Hand gibt. Hitler war tatsächlich nicht anwesend, er war dem Festgottesdienst ferngeblieben: „Stattdessen war er zu diesem Zeitpunkt auf dem Luisenstädtischen Friedhof in Berlin, um sich vor gefallenen SA-Männern zu verneigen“, sagt Wittenberg. Erst zum abschließenden Festakt in der Garnisonkirche erschien Hitler in Potsdam.

Abgesehen von dieser Missachtung des Protokolls habe Hitler sich an diesem Tag sehr zurückhaltend und staatsmännisch gegeben, so Wittenberg. Schließlich diente das mediale Großereignis auch der Legitimation des Ermächtigungsgesetzes, dessen historische Bedeutung Wittenberg wesentlich höher einschätzt als den Tag von Potsdam: Mit dem Gesetz wurde drei Tage später die gesetzgebende Gewalt komplett auf Hitler übertragen.

"Der Tag von Potsdam" dürfte viele Potsdamer angesprochen haben

Das Foto zeigt jedoch ebenso wie viele andere Dokumente des Museums, dass Hitler die rund 100 000 Besucher des 21. März 1933 kaum interessierte: Der Fokus lag klar auf dem beliebten Hindenburg, der nach dem Ende der Monarchie für viele nationalkonservativ gesinnte Bürger eine Art „Ersatzkaiser“ war, insbesondere in der ehemaligen Residenzstadt Potsdam. „Man darf nicht vergessen, dass es seit 1914 keine großen Militärparaden mehr gegeben hatte“, sagt Wittenberg. Der Tag von Potsdam dürfte viele Potsdamer von damals sehr angesprochen haben, erinnerte er doch sehr an die prunkvollen Empfänge Wilhelms II.

„Es waren keineswegs alles stramme Nazis, die da im Publikum standen, der Großteil waren Nationalkonservative“, betont Wittenberg. Das zeigen auch die im letzten Jahr vom Museum veröffentlichten Filmaufnahmen, die von Mitgliedern des Potsdamer Ruderklubs „Vineta“ gemacht worden waren: Die Kamera folgt Hindenburg unentwegt, Hitler taucht nur zweimal kurz am Rande auf.

Bisher wenige private Dokumente zum "Tag von Potsdam"

Trotz Zeugnissen wie dieser Privat-Aufnahmen sowie Gedenkmünzen, Plakaten oder Kalendern umfasst die Sammlung des Museums relativ wenige Dokumente, die den Tag von Potsdam thematisieren. Das liege unter anderem daran, dass das Museum auf das angewiesen sei, was die Potsdamer im Laufe der Zeit zu Hause aufbewahrt hätten, sagt Wittenberg: „Über viele Jahrzehnte hinweg findet sich so gut wie nichts zum Tag von Potsdam.“ Ein Grund dafür sei, dass Potsdamer zur Zeit der DDR lieber nicht öffentlich machten, dass sie Fotos oder andere Zeugnisse dieses Tages auf dem Dachboden zu liegen hatten – sofern sie diese nicht bereits entsorgt hatten.

Zum anderen hätten sich DDR-Historiker nicht sonderlich für den Tag von Potsdam interessiert, sagt Wittenberg: „Die Publikationen in der DDR haben das meist sehr vereinfacht und sind kaum darauf eingegangen. Wichtiger war für die Geschichtsschreibung der DDR die Verfolgung und Inhaftierung von Kommunisten und Sozialdemokraten.“

Wer hat noch Postkarten und Fotos, die an diesen Tag erinnern?

Um diesen Mangel an Dokumenten zu beheben, ruft Wittenberg alle Potsdamer auf, bei sich zu Hause nachzuschauen, ob sie noch Postkarten, Fotos oder Ähnliches zum Tag von Potsdam besitzen, was sie dem Museum überlassen könnten. „Es gab zum Beispiel kleine, gläserne Anstecker mit dem Konterfei der Garnisonkirche, die das Winterhilfswerk damals als Dankeschön für Sammelaktionen verteilt hat“, sagt Wittenberg.

Exponate wie diese werden auch für die große Sonderausstellung gebraucht, die das Potsdam Museum für das Frühjahr 2019 plant: Dabei soll auf zwei Etagen das Alltagsleben zwischen 1919 und 1945 in Potsdam dargestellt werden. Der Tag von Potsdam werde dabei eine wichtige Rolle spielen, so Wittenberg. Derzeit ist dem historischen Datum ein Kasten in der Dauerausstellung des Museums gewidmet. „Doch das reicht nicht aus, um das Ereignis in einen größeren Kontext einzuordnen“, sagt Wittenberg.

Heute um 19 Uhr gibt es in der Nagelkreuzkapelle ein Gespräch mit dem Historiker Thomas Wernicke unter dem Titel „Der ‚Tag von Potsdam’ und seine zeitgenössische Wahrnehmung – Schlaglichter einer Dauerdebatte“. Am Donnerstag um 18 Uhr hält Hannes Wittenberg im Potsdam Museum den Vortrag „Der Tag von Potsdam im Spiegel der Sammlung des Potsdam Museums“, Eintritt 4 Euro.

In der gestrigen Ausgabe der PNN war der Vortrag fälschlicherweise für heute angekündigt. Wir bitten, dies zu entschuldigen.

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