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Herrschaftlich. Die Villa Michaelis, Geschwister-Scholl-Straße 43, beeindruckt mit einem gut erhaltenen originalen Interieur. Das Treppenhaus (gr. Bild) ist in Holz und eher dunkel gehalten, die Zimmer der Beletage sind großzügig geschnitten. Die Architekten René Rudolf und Christian Schmidt (v.l.) sind mit der Restaurierung beauftragt. Fotos: Andreas Klaer

© Andreas Klaer

Tag des offenen Denkmals in Potsdam: Wo die Stasi nach Feierabend grillte

Schnitzereien, Glasmalerei und wundersame Holzköpfe: Die Villa Michaelis ist ein besonderes Baudenkmal und am Sonntag zu besichtigen.

Was für ein Wohnen muss das gewesen sein – zwischen schwerer, düsterer Holzvertäfelung an den Wänden, hier und da hölzerner Säulenfries, klassizistisch streng, dann wieder opulente Schnitzereien. Über Kopfhöhe im Treppenhaus blicken ein Dutzend sogenannte Grotesken, etwa 15 Zentimeter hohe Köpfe gekrönter Häupter, wie kleine Puppenköpfe aus Holz geschnitzt, von den Wänden auf den Bewohner herab. Schnitzerei findet sich weiterhin in den ausladenden Medaillons der massiven Treppenwangen. Durch die teils bunten bleiverglasten Fenster suppt nur wenig Licht. Den Rest muss damals eine Gaspendelleuchte oder ein Leuchter mitten im Treppenhaus gespendet haben.

Um 1915, als die Villa Michaelis fertig gestellt war, hieß die Geschwister-Scholl-Straße noch Viktoria-Straße, nach der Kronprinzessin. Eine vornehme Gegend, gleich vis-à-vis vom Park Sanssouci. Hier durfte nicht jeder bauen und der Kaiser persönlich begutachtete damals jeden Architektenentwurf für seine Anliegerstraße. Es sollte ja doch in die Nachbarschaft passen.

Das Haus, das zum diesjährigen Tag des offenen Denkmals erstmals besichtigt werden kann, ist derzeit noch eine Baustelle. 

Das Berliner Architektenbüro Schmidt & Rudolf saniert die Villa ebenso wie die benachbarte Villa Moritz denkmalgerecht und wird daraus im Auftrag einer Investorengruppe Mietwohnungen machen. In den benachbarten Baulücken sowie auf dem Gartengrundstück entstehen zudem drei Neubauten mit weiteren Wohnungen. Ein aufregendes und umfängliches Vorhaben, weil natürlich der Denkmalschutz beachtet werden muss. Deshalb werde man vermutlich in den repräsentativen, aber eher dunklen Räumen der Beletage Michaelis Büros und Verwaltung unterbringen, sagt Christian Schmidt vom Architektenbüro.

Dazu kommt eine Vergangenheit, wie sie für Potsdam nicht typischer sein könnte, und die von den Bauherren ebenfalls berücksichtigt werden muss. Ein ganzer Berg voller Aktenordner wurde von der Erbengemeinschaft beim Verkauf in einem Wandschrank hinterlassen. Der soll mit der Zeit aufgearbeitet werden – eine Last oder eben doch ein Schatz.

Bauherr ist 1914/15 Max Michaelis, der Berliner ist Fabrikant von Schweißapparaten und Sachverständiger für Schweißarbeiten. Die Villa in Potsdam entwirft ein eher unbekannter Maurermeister, 1915 zieht die Familie Michaelis ein. Von der Straße her sieht das Haus eher klein, aber doch vornehm aus, unscheinbar der Treppenaufgang an der Seite. Das Haus ist wesentlich tiefer als breit, und kaum zehn Jahre später wird hinten nochmal verlängert. Außerdem erwirbt die Familie die links benachbarte Villa Moritz. Als die Nazis an die Macht kommen, emigriert der jüdische Max Michaelis gleich 1933, seine nicht-jüdische Familie bleibt und darf auch wohnen bleiben. 1945 ziehen kurzzeitig die Russen ein. In den 1950er wohnt hier vorübergehend der französische Militärattaché. Frau und Kinder Michaelis werden als Verfolgte des Naziregimes noch bis 1980 in der Villa Moritz geduldet, aber dann ist dieser „Bonus“ aufgebraucht: 1980 werden sie von der DDR enteignet. Gleich zwei protzig-große Häuser in stiller Nachbarschaft: Das lockt die Stasi auf den Plan, die 1984 beide Villen bezieht und auf dem weitläufigen Gartengrundstück zusätzliche Bürobaracken und Garagen baut. Das Gartendenkmal mit Springbrunnen und Hängebuche verwildert. Jetzt kommen Beton und ein piefiger Grillplatz, wo die Genossen Betriebsfeiern abhalten.

Gott sei Dank mag die Stasi es aber ebenso gern, sich in repräsentativen Räumen zu zeigen, und so bleibt die besondere Ausstattung der reich geschmückten Beletage weitgehend erhalten. Lediglich ein Salon wird brutal gefliest, ein Bodenablauf eingebaut, eine Tür vermauert. Für welchen Zweck, das ist heute nicht mehr bekannt. Die herrschaftliche Küche wird zu einer sozialistischen Großküche in Edelstahl, in der bis zu 120 Mitarbeiter versorgt werden. Das Essen wandert hübsch über die originale Durchreiche einer längst vergangenen Epoche. Der Wintergarten blieb gut erhalten, innen originale Holzfenster, außen praktische aber filigrane Stahlfenster, darüber zart-blaue Glasmalerei – ein Stückchen Romantik. 

Nach 1989 bekommen die Erben der Familie ihr Besitztum rückübertragen, zeitweise wohnen noch Nachfahren aus den USA in dem Haus, bis es doch verkauft wird. Inklusive besonderer Reste aus Stasizeiten, Listen, Raumpläne, hässliche Fliesen, verdreckte Gardinen, fett gepolsterte Türen. Im Nachbarhaus, der Villa Moritz, habe man sogar eine Arrestzelle im Keller entdeckt, sagt Architekt Schmidt.Am Sonntag kann allerdings nur die das Hochparterre sowie das zentrale Treppenhaus der Villa Michaelis besichtigt werden, mit gutem Schuhwerk ist auch ein Blick in die Gartenbrache möglich, wo man allerdings viel Phantasie braucht, zwischen Betonfundamenten und Wildwuchs die frühe Pracht zu erkennen.

Interview zum WinzerbergRoland Schulze vom Bauverein Winzerberg über 13 Jahre Arbeit an einem Denkmal und eine Fünf-Prozent-Regel.

Tag des offenen Denkmals am Sonntag, dem 9. September. Die Villa Michaelis, Geschwister-Scholl-Straße 43, ist von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Das gesamte Programm unter: www.potsdam.de/event/tag-des-offenen-denkmals#Download-Broschuere

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