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Tag der Wissenschaften Potsdam: Mit E-Bike und Elektrobus

Der Tag der Wissenschaften lockte 15 000 Besucher auf den Campus in Golm. Kernthema war die grüne Zukunft Potsdams.

Potsdam - Lange sitzt Marie Schnur am Samstag nicht auf dem Lasten-E-Bike, um es den Besuchern des sechsten Potsdamer Tages der Wissenschaften vorzuführen. Ehe sie sich versieht, bittet Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs um den Sattelplatz und fährt damit an den mehr als 40 Ständen wissenschaftlicher Einrichtungen auf dem Unicampus in Golm vorbei. „Toll!“, lautet sein Urteil am Ende der Fahrt schlicht, und nicht wenige wollen es ihm sofort nachmachen. Schnur, deren Firma HNF solche Lastenräder herstellt, ist inzwischen von einigen Interessierten umringt und beantwortet Fragen.

„So ein Motor-Lastenrad ist in der Innenstadt für Transporte bestimmt sehr praktisch und kann vielleicht auch ein Auto ersetzen“, sagt eine junge Frau, während sie das Rad aus der Ferne anschaut. Sie spricht damit aus, was viele Potsdamer aktuell beschäftigt. Denn ob es um den neuen Stadtteil Krampnitz geht, um das wachsende Bornstedter Feld oder die Frage, ob künftig noch Autos zwischen Nauener Tor und Charlottenstraße fahren sollen – Mobilität ist eines der großen Themen in der rasant wachsenden Landeshauptstadt. Im Fokus der öffentlichen Diskussion steht die Frage, wie die hohe Lebensqualität Potsdams – bedingt durch das Welterbe und viel Natur – durch nachhaltige Verkehrskonzepte und Wohnraumplanung erhalten bleiben kann.

„Physik mit Star Wars und Co.“

So ist es nicht verwunderlich, dass die Zukunft Potsdams auch beim Tag der Wissenschaften eine große Rolle spielt. Unter den mehr als 15 000 Besuchern in diesem Jahr sind sehr viele Familien mit Kindern. Auf dem gesamten Gelände werden Experimente vorgeführt und es wird gemeinsam ausprobiert. Vor allem die Kinder erfreuen sich in den Hörsälen der Uni an Mitmachexperimenten wie „Physik mit Star Wars und Co.“ oder „SchallWellen – Schatzsuche zu Wasser“. Aber eben auch Projekte, die sich mit dem Lebensraum direkt vor der Haustür befassen, werden von den Besuchern interessiert unter die Lupe genommen.

Carsten Recknagel von der Fachhochschule Potsdam (FH) etwa ist an seinem Stand immer wieder in angeregte Gespräche mit Gästen verwickelt. Der Akademiker stellt das von Prof. Michael Ortgiese geleitete Projekt „Mobility as a Service for Potsdam“ (MaaS4P) vor, zu Deutsch „Mobilität als eine Dienstleistung für Potsdam“. Mindestens zwei selbstfahrende Elektro-Shuttles – sogenannte Mikro- Busse – sollen Anwohner im Bornstedter Feld zwischen Kirschallee und Viereckremise zu den Knotenpunkten des öffentlichen Nahverkehrs bringen, und zwar schon in einer Testphase ab 2019. Ohne Begleitung sollen auch die eingesetzten Elektrobusse zu Beginn noch nicht fahren, perspektivisch jedoch ohne Fahrer auskommen. „Einige Straßen in Bornstedt eignen sich nicht für normale Linienbusse“, sagt Recknagel. Hier könnten die kleine Busse eine große Entlastung sein für alle, die keine Tramhaltestelle direkt vor der Haustür haben.

Ein Carsharing-Standort

Das größere Ziel sei jedoch eine Entlastung der Straßen von Autos und damit auch der Klimaschutz. Zum Projekt gehört deshalb auch die Schaffung eines Carsharing-Standortes. An der FH in der Georg-Hermann-Allee soll es deshalb ab 2019 eine Station für Elektroautos geben, die von allen Potsdamern ausgeliehen und gemeinsam genutzt werden können.

Potsdams Zukunft beschäftigt auch die Besucher am Infostand gegenüber von „MaaS4P“. Hier informiert der Naturschutzbund Potsdam (Nabu) über seine Arbeit. „Sorge bereitet uns der große Flächenverbrauch, der mit dem Potsdamer Wachstum einhergeht“, erklärt NabuEhrenamtlerin Christiane Schröder. Sie könne zum Beispiel nicht verstehen, warum in Potsdam an vielen Stellen immer noch in die Breite statt in die Höhe gebaut werde. Der Supermarkt neben dem Unicampus in Golm sei ein gutes Beispiel dafür. „Wachstum ist ja ok, aber wir wünschen uns mehr Rücksicht auf die Natur und eine stärkere Einbeziehung der Menschen in die Planungen“, sagt sie.

Weniger Autos durch E-Bikes?

Katharina Otte, die mit ihrer Familie das Forschercamp besucht, ist beeindruckt von der Vielfalt der Themen der Potsdamer Wissenschaftslandschaft. Die Idee selbstfahrender Elektrobusse findet sie prinzipiell gut, obwohl sie über die Verkehrsanbindungen in Eiche, wo sie lebt, nicht klagen könne: „Hier hat sich in den letzten 15 Jahren sehr viel getan.“ Was sich durch das Projekt im Potsdamer Norden verändern könnte, wagt sie nicht zu prognostizieren: „Dass dadurch weniger Autos fahren, kann ich mir aber noch nicht so richtig vorstellen.“

Carsten Recknagel ist da positiver gestimmt und glaubt, dass sich durch Shuttlebusse und auch durch E-Bike fahrende Oberbürgermeister durchaus etwas ändern könne. In der Schweiz führen bereits seit zwei Jahren abgasfreie Busse, erzählt er, die Akzeptanz bei den Menschen dort sei groß. Das liege daran, dass die Bevölkerung in den Projektgebieten von Anfang an einbezogen worden sei, und so wolle man es in Potsdam auch machen. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Menschen sich dafür öffnen“, sagt er. Die Ergebnisse aus der Testphase in Bornstedt wolle die FH sinnvoll einsetzen, und zwar im entstehenden neuen Stadtteil Krampnitz. „Wir sind in die Planungen einbezogen und hoffen, dass wir gehört werden“, so der Wissenschaftler.

Andrea Lütkewitz

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