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In der Villa Carlshagen am Ufer der Havel sollen bald angehende Mediziner studieren. Die private Hochschule bietet die Ausbildung in Zusammenarbeit mit dem kommunalen Klinikum „Ernst von Bergmann“ an.

© Andreas Klaer

Studieren in der Villa: Potsdam bekommt eine Privathochschule für Medizin

In wenigen Monaten soll am Luftschiffhafen eine private Hochschule für Medizin eröffnen. Die Geschäftsführerin der Health and Medical University ist in Potsdam keine Unbekannte.

Potsdam - Noch klaffen Baugruben im Rasen vor der Villa Carlshagen am Sportpark Luftschiffhafen. Die denkmalgeschützte Turmvilla wird saniert. Ab Herbst will hier die private Health and Medical University (HMU) verschiedene Studiengänge anbieten – unter anderem Humanmedizin. Das Studium werde 1500 Euro im Monat kosten, sagt die Geschäftsführerin Ilona Renken-Olthoff. Die Hamburger Unternehmerin hatte bereits einmal eine Hochschule in Potsdam.

Einer staatlichen Universität gleichgestellt

Wer Arzt werden will, muss oft lange auf einen Studienplatz an einer staatlichen Universität wie der Berliner Charité warten, sogar mit sehr gutem Abitur. Nur wenige Privathochschulen erfüllen aber die rechtlichen Voraussetzungen, um ein Studium bis zum Staatsexamen anzubieten. Das wird für die Approbation, die Zulassung als Arzt, benötigt. Doch das Medizinstudium an der neuen Potsdamer Hochschule ist rechtlich dem an einer staatlichen Universität gleichgestellt.

„Die Studierenden sollen Gewähr haben, dass sie nach dem Studium eine Approbation bekommen“, sagt Geschäftsführerin Ilona Renken-Olthoff. Alle erbrachten Leistungen würden anerkannt.

"Die Messlatte war sehr hoch"

„Das Anmeldeverfahren für meine Medical School Hamburg hat acht Jahre gedauert“, sagt die Bildungsunternehmerin. Die staatliche Anerkennung des Studienganges Humanmedizin erfolgte dort im April 2019. In Potsdam ging es deutlich schneller. Der Antrag sei im Januar 2018 beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur gestellt und schon im November 2019 bewilligt worden. Sie habe das Hamburger Konzept als „Vorlage“ verwendet, sagt Renken-Olthoff. Entscheidend für die Zulassung ist eine Konzeptprüfung des Wissenschaftsrates von Bund und Ländern.

„Die Gutachter sind überwiegend Wissenschaftler von staatlichen medizinischen Fakultäten“, sagt Renken-Olthoff. Die würden die Privathochschulen als Konkurrenz wahrnehmen und daher besonders genau hinschauen. „Die Messlatte war sehr hoch“, sagt sie.

Die Carlshagen-Ruine 2007.
Die Carlshagen-Ruine 2007.

© andreas Klaer

Doch ganz am Ziel ist die HMU noch nicht. „Bisher wurde nur eine Konzeptakkreditierung durchgeführt“, sagt Alice Dechêne, Referentin beim Wissenschaftsrat. „Das ist eine Prüfung des Hochschulgründungskonzepts auf Aktenbasis.“ Das eigentliche Akkreditierungsverfahren werde frühestens drei Jahre nach Hochschulgründung eingeleitet und beinhalte eine zweitägige Inspektion vor Ort. In Deutschland gibt es neben der HMU nur drei private Hochschulen, die ein Medizinstudium anbieten dürfen. Das liege vor allem an den wissenschaftlichen Anforderungen und den hohen Kosten für die Ausstattung, sagt Dechêne.

3D-Modelle statt Leichen

Die HMU-Studenten werden mit modernster Technologie lernen dürfen, verspricht Renken-Olthoff. „Bei uns werden keine Leichen mehr seziert“, sagt sie. Mit 3D-Modellen menschlicher Körper würden Behandlungen simuliert. Persönlichen Kontakt mit Patienten würden die Studenten im Ernst von Bergmann Klinikum haben, mit dem die private Hochschule kooperiert. Renken-Olthoff möchte auch, dass die angehenden Mediziner über den eigenen

Tellerrand schauen. Deshalb sollen sie in Teams gemeinsam mit Gesundheitsökonomen, Psychologen und Juristen lernen.

„Ich habe eine hohe Affinität zur Medizin“, sagt die umtriebige Unternehmerin. Womöglich liege das daran, dass sie selbst in der DDR aus politischen Gründen nicht Medizin studieren durfte. Renken-Olthoff wurde Deutsch-Lehrerin, stellte 1986 einen so genannten Ausreiseantrag, um in den Westen auswandern zu können. Erst Anfang 1989 wurde er bewilligt. Seit 1993 betreibt sie mehrere Fachhochschulen, an denen zum Beispiel Physio- und Ergotherapeuten ausgebildet werden, aber auch Ökonomen. 2009 übernahm sie die private BWL-Hochschule „University of Management and Communication“ (UMC) in Potsdam, die unter ihrem Vorbesitzer keine Akkreditierung bekommen hatte. Ihr Sohn habe damals an der kriselnden UMC studiert, so sei sie darauf aufmerksam geworden, sagt Renken-Olthoff. Seitdem habe sie „ein Bein“ in der Landeshauptstadt.

Blick in die Villa Carlshagen im Jahr 2013.
Blick in die Villa Carlshagen im Jahr 2013.

© Andreas Klaer

Aus der UMC wurde die „Business School Potsdam“ (BSP). Die residierte zuerst der Garde-Ulanen-Kaserne, zog 2010 jedoch in die Villa Henckel auf dem Pfingstberg. Ende 2012 wechselte die BSP dann nach Berlin-Lankwitz, ins Herrenhaus Correns, das einmal Werner Ferdinand von Siemens gehört hatte. Heute heißt die Hochschule „BSP Business School Berlin“ und hat laut Renken-Olthoff 1400 Studenten, unter anderem in den Fächern BWL, Wirtschaftspsychologie und Modejournalismus, aber auch zum Beispiel in Heilpädagogik oder Soziale Arbeit.

Einziges Medizinstudium in Potsdam

Nun kehrt Ilona Renken-Olthoff zurück nach Potsdam. Die Villa Carlshagen, wurde 1910 für den jüdischen Bankier Carl Hagen errichtet und beherbergte in der Nachkriegszeit die Kinderklinik für Radiologie des Bezirkskrankenhauses. Nach der Wende verfiel das Haus. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam wollte dort ein Tagungshaus einrichten, musste aber 2017 verkaufen. Heute ist die „Villa Carlshagen Grundstücks GmbH“ Eigentümerin, deren Geschäftsführerin ist Ilona Renken-Olthoff.

Im Jahr 2013 wurde an der Villa Carlshagen gearbeitet.
Im Jahr 2013 wurde an der Villa Carlshagen gearbeitet.

© Manfred Thomas

In Potsdam gibt es neben der HMU sechs Hochschulen. Aber keine davon bietet ein Medizinstudium an. Interessierte können sich aktuell für einen der hart umkämpften Plätze in Berlin bewerben oder bei der HMU-Konkurrenz, der privaten Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) in Neuruppin. Kostenpunkt: 125.000 Euro.

Die Universität Potsdam plant außerdem mit der MHB und der BTU Cottbus-Senftenberg eine neue Fakultät für Gesundheitswissenschaften. Dort sollen aber keine Ärzte ausgebildet werden.

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