zum Hauptinhalt
Wohnungssuche für Studenten. Die Wohnheime des Potsdamer Studentenwerks sind ausgebucht. Wer zum Semesterstart noch keine Bleibe hat, muss auf dem freien Markt suchen. Doch die Preise für Zimmer in Wohngemeinschaften steigen immer weiter.

© Foto: Matthias Balk/dpa

Studentenwerk vergibt letzte Wohnheimplätze: Die Nacht auf dem Flur

Das Studentenwerk hat die letzten freien Wohnheimplätze vergeben. Für eine Anmeldung haben einige Studenten auf dem Flur des Gebäudes übernachtet. Denn die Plätze reichen längst nicht für alle.

Potsdam - Für viele der Studenten in den Fluren des Potsdamer Studentenwerks ist es schon um 7.30 Uhr ein langer Tag. Das sieht man ihnen an: Einige starren mit müden Augen vor sich ins Leere, andere wischen nervös auf ihrem Smartphone hin und her. Manch einer hat sich auf Rucksack und Jacke auf den Boden gebettet. Die meisten hier warten seit Stunden. Etwa 20 haben hier sogar übernachtet.

Den Wartemarathon tun sie sich nicht an, weil es in den Büroräumen über den Bahnhofspassagen Autogramme ihrer Lieblingsstars oder die ersten Exemplare eines neuen iPhones gibt. Stattdessen lockt die Lösung für ein menschliches Grundbedürfnis: Wohnen. Wie jedes Jahr zu Beginn des Wintersemesters vergibt das Studentenwerk die letzten freien Wohnheimplätze an jene, die diese Mühe auf sich nehmen – oder besonders verzweifelt sind. Rund 50 Plätze seien an diesem Tag zu haben, heißt es.

Potsdam schlechter als der Durchschnitt

2209 Zimmer gibt es in den Wohnheimen des Studentenwerks in Potsdam. Damit können nur etwa neun Prozent der Studierenden versorgt werden. Das ist weniger als im bundesweiten Durchschnitt. Seit Jahren sind die Wohnheime ausgebucht. Auch in diesem Jahr gab es 2852 Bewerber. 233 Euro monatlich kosten die Zimmer im Durchschnitt einschließlich Nebenkosten. Um die Not zu lindern, können die Studierenden nun auch enger zusammenrücken: Das Studentenwerk vermietet ab November auch Doppelzimmer.

Um 7.45 Uhr werden zum fünf Namen aufgerufen. Studentin Fritzi Krafczyk gehört nicht dazu. Sie sitzt auf einem Hocker im Wartebereich. Die 20-Jährige ist Erstsemester. Sie habe sich erst im August für das Studium in Potsdam entschieden, sagt sie, „vielleicht etwas spät“. Angesichts der vielen Wartenden ist sie nicht sehr zuversichtlich, doch noch ein Zimmer in einem Wohnheim zu bekommen. „Ich muss doch irgendwo wohnen“, sagt sie. Ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft wäre natürlich auch schön, allerdings gebe es kaum Angebote und wenn doch, seien die zu teuer.

Studenten zahlen in Potsdam 550 Euro für 25 Quadratmeter in einer WG

Schaut man sich auf Zimmervermittlungsportalen wie wg-gesucht.de um, sieht man, was sie meint. Da werden 550 Euro monatlich für ein 25 Quadratmeter großes Zimmer in einer Wohngemeinschaft in Potsdam-West verlangt – plus Nebenkosten. Oder zwölf Quadratmeter in der Zeppelinstraße für 350 Euro – für rund 30 Euro je Quadratmeter kann man immerhin noch einen Gemeinschaftsraum mitbenutzen.

Potsdam ist mit dem Phänomen nicht allein. Studenten müssen in Deutschland immer mehr Geld für Miete ausgeben. Wie ein Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln zeigt, sind die Preise bei Neuvermietungen an Studenten seit dem Jahr 2010 um bis zu 70 Prozent gestiegen. In Berlin sei der Durchschnittspreis pro Quadratmeter von sechs auf elf Euro geklettert. Die Situation könne nur durch mehr Neubauwohnungen und zusätzliche Studentenwohnheime entspannt werden, so das Fazit der Forscher. Potsdam wurde in der Studie nicht erfasst. Genaueren Aufschluss könnte in der nächsten Woche ein Ranking des Berliner Forschungsinstituts Empirica bieten.

Große Sorgen - und ein paar glückliche Gesichter

Im Studentenwerk kommen am Mittwoch auch deutlich nach 8 Uhr noch neue Wohnungsuchende dazu. Ein Student trägt seinen Namen in Zeile 124 der Warteliste ein. Auf dem Flur hustet eine junge Frau in ihren dicken Wollschal. Die 23-jährige Berlinerin Ksenia hofft auf ein Wohnheimzimmer am Uni-Standort Griebnitzsee. „Das wäre praktisch.“ Eigentlich würde sie lieber ihre Erkältung auskurieren, aber wenn sie geht, habe sie gar keine Chance auf eine Bleibe in Potsdam.

Kurzfristige Abhilfe für den Mangel an Wohnheimplätzen wird es nicht geben. Derzeit entsteht zwar in Golm einen Neubau mit 260 Zimmern. Doch auch wenn das 15-Millionen-Euro-Projekt wie geplant in einem Jahr bezugsfertig ist, dürfte es den Bedarf nicht decken. Um wirklich etwas zu ändern, brauche das Studentenwerk 20 Millionen Euro für Neubauten und 15 Millionen Euro für Sanierungen, so die Forderung von Peter Heiß, dem Geschäftsführer des Studentenwerks Potsdam. Entscheiden könne das nur die Landesregierung.

Ein paar glückliche Gesichter gibt es am Mittwoch dann doch. Kurz nach halb neun kommen zwei Studentinnen und ein Student aus der Glastür neben dem Haupteingang der Bahnhofspassagen. Sie haben noch Wohnheimplätze bekommen. Seit Dienstagabend haben sie dafür gewartet. Als sie gehen, tragen sie ihre Schlafsäcke unter den Armen.

Zur Startseite