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Ironischer Protest. Mit einer Zeltdemo auf dem Platz der Einheit setzten am Dienstag rund 20 Studenten sowie Vertreter von Grüner Jugend und Jusos ein sichtbares Zeichen gegen studentische Wohnungsnot. Ihr Wunsch: ein bezahlbares Dach über dem Kopf.

© Andreas Klaer

Studenten protestieren für mehr Wohnraum: Bezahlbar wohnen in Potsdam?

Eine Wohnung in Potsdam zu finden, ist bekanntlich schwer. Potsdamer Studenten fordern nun mehr Wohnheime und damit bezahlbaren Wohnraum. Ministerin Münch versucht, die Wogen zu glätten.

Innenstadt - Ein regelrechtes Casting für ein WG-Zimmer und ellenlange Wartelisten für das Wohnheim: Die Studenten, die zur Protestkundgebung für mehr bezahlbaren Wohnraum auf dem Platz der Einheit am gestrigen Dienstag symbolisch ihre Zelte aufgebaut haben, berichteten alle von der langen Suche nach einem Zimmer. „Ich habe unzählige Bewerbungen geschrieben, bin fünf Mal hierhergefahren und war dann mit 35 anderen bei einer WG-Besichtigung“, erzählt etwa Michael Mühl, der in Potsdam auf Lehramt studiert. Vorher hat er in Erfurt studiert, dort habe er recht einfach einen Platz im Wohnheim gefunden. Immerhin: Es klappte letztendlich in Potsdam doch noch mit dem WG-Zimmer. Aber eine Bekannte, so erzählt Mühl, habe ihr Studium gar nicht angetreten, weil sie keine Wohnung fand.

„Noch mehr Schlösser? Muss nicht sein, lieber neues Studiheim“, steht etwa auf den Protestplakaten, und „Nur noch Geld fürs Zelt“. Grüne Jugend und Jusos Potsdam hatten das Protestcamp organisiert, eine Handvoll Zelte und Schlafsäcke aufgebaut und Schilder gemalt. Etwa 20 Studenten kamen. Ihr Ziel: Die Hebung der Versorgungsquote.

25 000 Studenten, aber nur 2200 Wohnheimplätze

In Potsdam gibt es rund 25 000 Studenten, aber nur 2200 Plätze in den Wohnheimen des Studentenwerks. Dort kostet ein Zimmer im Schnitt 237 Euro pro Monat, bezahlbar auch mit der Wohnpauschale des Bafög. Doch einen Platz zu ergattern, ist schwer. Wer einen bekommen hat, muss laut den Allgemeinen Mietbedingungen nach acht Semestern wieder ausziehen – wer also Bachelor und Master mit einer Regelstudienzeit von zehn Semestern absolviert, muss seine Wohnung vor dem Abschluss wieder verlassen.

Die Versorgungsquote liegt derzeit bei unter zehn Prozent. „Wir fordern eine Erhöhung auf langfristig 15 bis 20 Prozent“, sagt Danilo Zoschnik, Politischer Geschäftsführer der Grünen Jugend Brandenburg. „Es darf nicht vom Elternhaus abhängen, ob man es sich leisten kann, zu studieren“, sagt der Lehramtsstudent.

Förderung von Studierendenwohnraum über das Bauministerium?

Auch der neue Potsdamer SPD-Chef David Kolesnyk kritisiert die Versorgungsquote. „Das Land hat die Situation noch verschlimmert, da das Studentenwerk eigenständig keine Kredite mehr aufnehmen darf, um neu zu bauen“, erklärt er. Für neue Wohnheime müsse das Werk Kredite beim Land aufnehmen, zu ungünstigeren Konditionen als etwa geförderte Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Auch die Initiative „Unter Dach & Fach“ der Potsdamer Studentenvertretung Asta, die am gestrigen Abend eine Debatte im Bildungsforum organisierte, fordert eine ausreichende finanzielle Ausstattung des Studentenwerks, damit dieses mehr Wohnheime bauen kann. „Die Studierendenquote steigt, aber der soziale Aspekt fällt unter den Tisch“, sagte Willi Stieger, Sozialreferent beim Asta. Er wünscht sich mehr Investitionen vom Land in Neubau, aber auch in bestehende Wohnheime. „Einige Gebäude sind massiv sanierungsbedürftig“, sagte Stieger.

Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD) versuchte in der Diskussion, die Wogen zu glätten. „Wir tun bereits eine ganze Menge und investieren Millionen“, betonte sie. „Ein Wohnheim in Golm ist derzeit im Bau und wird hoffentlich nächstes Jahr ans Netz gehen, ein zweites ist in Planung.“ Allerdings erklärte die Ministerin auch, bei der Förderung müsse die Regierung noch „ihre Hausaufgaben machen“. Sie wünsche sich eine gezielte Förderung von Studierendenwohnraum über das Bauministerium. „Da führen wir intensive Gespräche.“

Nicht noch mehr Kredite

Auch Potsdams Baubeigeordneter Bernd Rubelt (parteilos) betonte, es liege im Interesse der Stadt, weitere Standorte für Studentenwohnraum zu entwickeln und dafür Grundstücke zu sichern. Neben dem Block IV in Potsdams Mitte, also dem Standort der ehemaligen Fachhochschule, nannte er auch die Heinrich-Mann-Allee und das geplante Quartier Krampnitz.

Eine Absage erteilte Münch der Forderung, dass das Studentenwerk Kredite etwa bei der KfW aufnehmen kann. „Das Geld soll sicher vom Land kommen, mein Ziel sind nicht mehr Kredite“, sagte sie.

Zehn Quadratmeter für 400 Euro am Schlaatz

Wer keinen Platz im Wohnheim bekommt, dem bleibt der freie Markt. Mehrere private Anbieter bieten mittlerweile sogenannte Studentenwohnungen. Etwa „Base-Camp“ in Golm mit Apartments ab 510 Euro monatlich oder Youniq in Bornstedt ab 430 Euro. Auch bei Wohngemeinschaften sind die Angebote oft weit oberhalb des im Bafög veranschlagten Satzes. Auf WG-Gesucht findet sich etwa ein Zimmer mit elf Quadratmetern für 315 Euro in der Templiner Vorstadt oder zehn Quadratmeter für 400 Euro am Schlaatz.

Das sei nur mit einem Nebenjob leistbar, so die Studenten bei der Kundgebung, oder wenn die Eltern zuschießen. „Aber selbst wenn die Eltern das finanziell können, will man ihnen ja nicht auf der Tasche liegen“, sagt Nora Lange, die Russistik und Linguistik studiert. Die Folge: Viele Studenten pendeln, aus dem Umland oder noch häufiger aus Berlin, auch wenn der Wohnungsmarkt dort ebenfalls angespannt ist. „Ich bin mir sicher, es würde auch mehr studentisches Leben in Potsdam entstehen, wenn es hier mehr bezahlbaren Wohnraum gäbe“, so Stieger.

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Lesen Sie weiter: Potsdams Wohnungsmarkt ist angespannt - darunter leiden besonders die Studenten, die nicht so gut verdienen. Gut, dass sie das Problem öffentlich thematisieren, findet PNN-Redakteurin Sandra Calvez.

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