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Potsdam, Klima, Straßenbaum, Stadtentwicklung

© Martin Müller

Stresstest für Straßenbäume: Starke Japaner für Potsdam

Was macht eine Kobushi-Magnolie aus Japan in Babelsberg? Und warum blüht eine Kirsche im Sommer? Potsdam macht einen Stresstest für Bäume. Wie genau der funktioniert:

Von Valerie Barsig

Babelsberg - Zart und unschuldig weiß zeigen sich die Blüten des Kirschbäumchens in der Dieselstraße. Eine Blüte mitten im Sommer? „Das ist ein Problem“, sagt Lars Severin und streicht sacht über die Zweige des Bäumchens, das an der Straße wächst. Das Bäumchen hat Stress. Massiven. Deshalb hat es die sogenannte Notblüte ausgelöst, um vor seinem drohenden Tod schnell noch Samen abzuwerfen. Der Mann vom Grünflächenamt deutet nach oben, Richtung Baumkrone. Dort sind viele Blätter bereits braun und vertrocknet. Der Baum nebenan – ebenfalls eine Kirsche – ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Trockenheit hat ihn dahingerafft, seine trockenen Äste recken sich gen Himmel.

Gemeinsam mit Potsdams Baubeigeordnetem Bernd Rubelt (parteilos) macht Severin am gestrigen Mittwoch einen Streifzug durch die Jahn- und die Dieselstraße in Babelsberg, um eine Zwischenbilanz des sogenannten „Stresstests für Straßenbäume“ zu ziehen.

Den führt das Grünflächenamt bereits seit 2014 gemeinsam mit der Koordinierungsstelle Klimaschutz und in Zusammenarbeit mit der Berliner Humboldt-Universität durch. An rund zehn Standorten in Potsdam hat man dazu 92 Bäume gepflanzt – 87.000 Euro hat das gekostet. Seitdem findet man nicht mehr nur schnöden Ahorn oder Linden in Potsdam, sondern auch den Amerikanischen Amberbaum, die Grau-Erle oder die sogenannte Kobushi-Magnolie – sie sollen auf ihre Eignung bei extremer Hitze und Kälte getestet werden. So will man herausfinden, welche Bäume am meisten Stress vertragen und damit quasi zu den Straßenbäumen der Zukunft werden.

Der japanische Baum ist hitzeresistent

So wächst beispielsweise die Kobushi- Magnolie – im Gegensatz zur Kirsche – erfolgreich in der Dieselstraße. Sie hat den Stresstest also bestanden. „Nach und nach werden wir die vertrockneten Kirschen hier durch die Kobushi-Magnolie ersetzen“, sagt Severin. Sie stammt – wie man schon erahnen kann – ursprünglich aus dem fernen Japan. Wesentlich näher, nämlich einmal um die Ecke, in der Jahnstraße, sieht es hingegen schlimm aus: Die schmalstämmigen Rotdorne haben kaum noch grüne Blättchen, hier dominiert das triste Braun. Eine Frau schiebt ihr Fahrrad aus einer Einfahrt und wendet sich an Rubelt und Severin: „Wir haben alles versucht. Immer gegossen. Wir konnten ihn nicht retten.“ Der Baum ist tot. Insbesondere die Rotdorne, die bereits zur Kaiserzeit in Potsdam gepflanzt wurden, haben mit der Dürre, die seit April herrscht, Probleme. Das Denkmalamt spricht sich für die Bäume aus. Denn die kleinen Kronen der Rotdorne stehen nicht in Konkurrenz mit den Potsdamer Fassaden. „Aus gärtnerischer Sicht ist das allerdings schwierig“, sagt Severin. Er ist auf der Suche nach weiteren kleinkronigen Bäumen, die Wetterextremen gewachsen sind.

Stadt wird immer mehr Geld wegen des Klimawandels ausgeben müssen

Die Trockenheit wie in diesem Sommer, so sagt Rubelt, wird wiederkehren. „Gerade in dicht besiedelten Gebieten muss man Trockenheit und Klimawandel immer ernster nehmen“, mahnt er. Auch der finanzielle Aufwand durch den Klimawandel wachse. Von den rund 90.000 Stadtbäumen in Potsdam werden die Trockenheit viele nicht überstehen. Laut Severin hat es in diesem Sommer Bäume im hohen Hunderterbereich dahingerafft, es werden aber noch mehr sterben – die dann ersetzt werden müssen. „Wenn die Bäume jetzt Stress haben, fehlt ihnen nächstes Jahr der Austrieb und das macht sie anfällig.“ Schädlinge wie der Eichenprozessionsspinner oder die Miniermotte werden sich ausbreiten, ebenso wie der Platanenkrebs. Besonders Birken und Linden werden es schwer haben, so der Experte. Deshalb ist der Stresstest so wichtig: Hat eine Stadt nur wenige Baumarten, kann ein Dürrejahr die gesamte Begrünung gefährden.

Viele Bäume in Potsdam sind dem Klima nicht mehr gewachsen

„20 verschiedene Gehölze in einer Stadt sind schon nötig“, sagt Severin. 20 bis 30 gibt es in Potsdam. Damit steht die Stadt eigentlich gut da. Aber: „Viele von ihnen machen so große Probleme, dass es fraglich ist, ob wir sie weiterhin nachpflanzen werden.“ Deshalb will Severin weiter Exoten pflanzen. Im besten Fall geschieht eine Nachpflanzung alle 50 Jahre, allerdings nur, wenn ein Baum auch gesund bleibt. Das ist nicht nur aus ökologischen Gesichtspunkten wichtig. „Hier in der Stadt gibt es keinen kühlen Landwind“, sagt Rubelt. Die Bäume würden in Sommern wie diesem auch mit für eine natürliche Kühlung sorgen. Zumindest für die Bewohner in der Dieselstraße werden künftig Magnolien als Baum-Klimaanlage im Sommer dienen.

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2115 Stunden Bewässerung von Mai bis Juli

Die Trockenheit macht Potsdams Bäumen zu schaffen. Über 20 Astabrisse hat es wegen der Trockenheit bereits gegeben. Nach wie vor warnt das Grünflächenamt vor plötzlich abbrechenden Ästen. Weil die Wasserversorgung der Bäume so schlecht ist, lässt in ihnen der Zelldruck und so die Spannung im Holz nach und es bricht. Besonders betroffen sind laut Angaben des Amtes Götterbäume, Pappeln und Eichen. Für 1134 Bäume werden laut einer Antwort der Stadt auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Andere umfangreiche Bewässerung durch Fremdfirmen organisiert, 200 Bäume werden durch Mitarbeiter der Stadt gewässert. Insgesamt hätten die Mitarbeiter des Grünflächenamtes laut der Antwort allein von Mai bis Juli 2115 Stunden Arbeitszeit mit der Bewässerung verbracht – dies entspreche einem Anteil von rund 30 Prozent der Gesamtarbeitszeit. Die zwei Wasser-Fahrzeuge des Grünflächenamtes haben in den letzten Monaten laut Antwort der Stadt auf eine PNN-Anfrage rund 18 000 Liter Wasser täglich für Bäume und Pflanzen zur Verfügung gestellt, hinzu kamen außerdem 5000 Liter Wasser, die durch Sprenger oder Standrohre verteilt wurden. An den Wochenenden fuhren die Mitarbeiter Sonderschichten. Wer selbst tätig werden möchte, kann Bäume vor der Haustür selbst wässern und so auch verhindern, dass der Boden so austrocknet, dass bei Regen das Wasser einfach durchläuft. Insbesondere Jungbäume zwischen fünf und zehn Jahren sind derzeit auf Hilfe angewiesen, damit sie auch weiterhin gesund wachsen. Vier bis fünf Gießkannen oder Eimer voll Wasser zweimal pro Woche können den Bäumen helfen. Ein kurzes Aufatmen könnte es zumindest heute geben: Vormittags ist Regen angesagt. Allerdings ist die Trockenheit damit noch nicht überstanden. Denn das heiße Wetter hält weiter an: In der nächsten Woche soll es wieder bis zu 30 Grad Celsius werden.

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