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Mit Ziegen lernen. Der Kitabauernhof Groß Glienicke wurde 2011 eröffnet. Kinder der Kita Spatzennest sollen dort die Tier- und Pflanzenwelt kennenlernen und bei der Pflege mithelfen können. Nun droht aber die kurzfristige Schließung. 

© A. Klaer

Streitfall in Groß Glienicke: Hoffnung für den Kinderbauernhof

Die Unterstützung für den ohne Genehmigung errichteten Kitabauernhof in Groß Glienicke wächst. Auch die Stadtverwaltung zeigt sich jetzt gesprächsbereit. 

Groß Glienicke - Dem Kitabauernhof Groß Glienicke droht wie berichtet das Aus: Dagegen wächst nun der Widerstand, sowohl in der Kommunalpolitik als auch in dem nördlichen Ortsteil. Am Dienstagabend ist der laut Rathaus vor einigen Jahren ohne Genehmigung errichtete Bauernhof Thema im Bauausschuss. Den PNN liegen etliche Briefe von betroffenen Nutzern vor, die sich mit der Bitte um Hilfe an die Stadtverordneten gewandt haben. Auch im Rathaus beteiligt man sich nun an einer Lösungssuche.

Ein Zwangsgeld droht

Wie berichtet hat die Stadtverwaltung im Juli verfügt, dass die Nutzung des Hofs zum 17. Oktober eingestellt werden soll – ansonsten droht ein hohes, mindestens vierstelliges Zwangsgeld. Dagegen hat der Hofinhaber Michael Fruth Widerspruch eingelegt und Anwälte eingeschaltet. Die Solidarität mit dem Inhaber und dessen Familie, die sich in ihrer Existenz bedroht sieht, ist groß, wie die vorliegenden Schreiben zeigen – zumal der Hof der Kooperationspartner der örtlichen Elterninitiativen-Kita Spatzennest ist. Zudem gibt es therapeutisches Reiten auf fünf Pferden, für Kinder und Erwachsene.

Durch die ehrenamtliche Mitarbeit auf dem Hof habe er sich nach einer Drogensucht neu strukturieren können, schreibt ein Marquardter. Gerade für solche Fälle müsse der Hof erhalten bleiben. Auch eine Frau, deren Tochter sich mit 16 Jahren das Leben nahm, hat einen Brief geschrieben: Die Beschäftigung mit Pferden habe ihr enorm bei der Trauerbewältigung geholfen. Daher wäre das Aus für den Hof für sie „ein ganz persönlicher Schlag“, so die Frau. Auch die Ergotherapie-Praxis in Groß Glienicke wäre nach eigenen Angaben von der Schließung betroffen – und damit vor allem viele ältere Patienten. Eine andere Familie aus dem Ortsteil appelliert, die Stadt müsse ihren Ermessensspielraum einsetzen – gerade Kinder mit Beeinträchtigungen und aus sozial schwachen Familien würden einen Ort verlieren, „an dem sie den Umgang mit Tieren erlernen“, schreibt sie. Und: „Es muss eine andere Lösung als die Schließung des Bauernhofs geben.“

Umstritten. Die frühere Mastanlage wurde saniert – die Stadt spricht von Neubauten.
Umstritten. Die frühere Mastanlage wurde saniert – die Stadt spricht von Neubauten.

© A. Klaer

Der Bauernhof war früher eine LPG

Inhaber Fruth hatte den Hof, eine frühere Schweinezucht-LPG, 2006 erworben und dort jahrelang drei Stallgebäude saniert – nach eigenen Angaben im Bestand. Nun fürchtet er um sein Lebenswerk. Doch die Lage ist verfahren, auch weil in dem Fall die Staatsanwaltschaft Neuruppin wegen Korruptionsvorwürfen gegen einen leitenden Mitarbeiter der städtischen Bauaufsicht ermittelt – also das Rathaus nun penibel auf Rechtssicherheit pocht. Unter anderem soll der besagte Mitarbeiter das Areal, auf dem sich auch eine Autowerkstatt befindet, als Kunde genutzt haben. Die Frage ist, ob der Rathausmann Vergünstigungen bekam. Fruth hatte die Vorwürfe gegenüber den PNN als „völligen Blödsinn“ bezeichnet.

Zum Hintergrund: In der Bauverwaltung waren Ende 2017 anonyme Hinweise zu „illegal errichteten Gebäuden und Nutzungen“ auf dem Gelände eingegangen – und zum Nichteinschreiten des inzwischen suspendierten Mitarbeiters, wie die Stadtverwaltung jetzt auf CDU/ANW-Anfrage erklärte. Ende Januar gab das Rathaus den Vorgang um die „illegal errichteten Gebäude“ an die Staatsanwaltschaft weiter. Zudem ist das seit Jahrzehnten voll erschlossene Gebiet im Flächennutzungsplan als Wald ausgewiesen – schon daher sei die pädagogische Nutzung dort nicht erlaubt, so die Stadt. Nach Besichtigungen vor Ort im Februar und März habe man ein bauordnungsrechtliches Verfahren gegen den Inhaber eingeleitet, heißt es in der aktuellen Antwort.

Nur mündliche Zusagen?

Der Eigentümer hatte hingegen erklärt, am Beginn der Arbeiten vor zwölf Jahren seien diverse Bauamtsmitarbeiter vor Ort gewesen und hätten mündlich ihre Zustimmung erteilt und das Engagement gelobt, das verwahrloste Gelände wieder instand zu setzen. „Vielleicht war ich zu gutgläubig?“, hatte er in seinem Hilferuf an alle Stadtverordneten geschrieben. Der Inhaber gilt gleichwohl als erfahren in Bauangelegenheiten. Er war auch Vorsitzender des Bauausschusses, als Groß Glienicke noch eigenständig war.

Mit offiziellen Statements hält sich der Eigentümer derzeit zurück: Allgemein hieß es auf Anfrage, man würde die bestehenden Komplikationen derzeit intensiv erörtern und klären, was Zeit brauche. Ein Argument des Inhabers und der Elterninitiative der Kita Spatzennest: Im Rathaus kannte man den Betrieb seit langem, bei vielen Vor-Ort-Begehungen bescheinigte das Veterinäramt dem Hof insgesamt ordnungsgemäße Haltungsbedingungen, wie auch die Stadt bestätigt.

Die Fraktion Die Andere will den Erhalt

Längst ist der Fall auch ein Politikum. Auf der Tagesordnung des Bauausschusses steht am Dienstagabend ein Antrag der Fraktion Die Andere, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Erhalt der Gebäude zu sichern. Man könne etwa einen benachbarten Bebauungsplan auf das Gelände ausweiten, schlägt die Fraktion vor – und nachträglich genehmigen. So habe die Stadt schließlich auch lange Zeit die zu viel errichteten Gewerbeflächen im Bahnhofscenter und andere umstrittene Bauprojekte geduldet. Auch die Grünen setzen sich mit einem ähnlichen Antrag für den Erhalt des Hofs ein – wie auch mehrere Mitglieder des Groß Glienicker Ortsbeirats, die ein entsprechendes Votum ebenfalls in der morgen stattfindenden Sitzung des Gremiums fällen wollen. Ortsbeiratsmitglied Andreas Menzel (UGW) fordert indes einen Ortstermin und weitere Infos von der Verwaltung.

Druck macht indes die Elterninitiative Spatzennest, die als Kitaträger mit dem Bauernhof kooperiert. Sie appelliert in Richtung Stadt, sollte die Nutzung tatsächlich untersagt werden, hätten auch die Tiere auf dem Hof – neben den Pferden auch Schafe, Ziegen, Hasen, Enten und Hühner – keine Unterkunft mehr. Sie müssten womöglich getötet werden.

Ob es soweit kommen muss? Die Stadt schreibt in der besagten Antwort an die CDU, man wolle sich an „einer nachhaltigen Gesamtlösung im Sinne der betroffenen Akteure beteiligen“. Auf PNN-Anfrage fügte Rathaussprecher Stefan Schulz hinzu, beantragte Fristverlängerungen würden in dem ordnungsbehördlichen Verfahren geprüft – es könnte also eine Nutzung über den 17. Oktober hinaus erlaubt werden. Zudem habe das Sozialdezernat Gespräche aufgenommen, um nach Möglichkeiten zu suchen, die Angebote des Kinderbauernhofes „auch in Zukunft aufrechtzuerhalten“.

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