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Der Platz vor der Nike-Statue von Wieland Förster wird häufig für Gedenkveranstaltungen zur deutschen Teilung genutzt

© Andreas Klaer

Streit um Mauer-Gedenken: Grüne will Parteienverbot an der Nike

Die Potsdamer Grünen wollen den Platz an der Glienicker Brücke für Parteiveranstaltungen sperren lassen. Die CDU ist empört und zweifelt am Demokratieverständnis der Fraktion.

Berliner Vorstadt - Sollen künftig keine Parteien mehr Veranstaltungen an der Glienicker Brücke durchführen dürfen? Geht es nach dem Willen der Potsdam Grünen, dann ja: In einem Antrag für die Stadtverordnetenversammlung am 3. November fordert die Fraktion den Oberbürgermeister dazu auf, den Platz vor der Nike-Skulptur nicht mehr für Veranstaltungen politischer Parteien zur Verfügung zu stellen. In der Begründung heißt es: „Der Platz an der Nike wurde in diesem Jahr zu wesentlichen Terminen durch eine politische Partei genutzt. Das allgemeine öffentliche Gedenken sollte hier nicht politisch vereinnahmt werden können.“

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Welche Partei gemeint ist, wird im Antrag nicht gesagt, Anlass ist jedoch die CDU: Diese hatte am 13. August zum 60. Jahrestag des Mauerbaus eine Gedenkveranstaltung vor Ort durchgeführt – das hat seit Jahren Tradition. Diesmal hielt aber auch Kanzlerkandidat Armin Laschet eine Rede. Die Grünen hatten daraufhin kritisiert, dass die CDU das Gedenken am historischen Ort okkupiere und es für ihren Bundestagswahlkampf missbrauche. Auch Linke-Fraktionschef Stefan Wollenberg hatte der Union „Instinktlosigkeit“ vorgeworfen.

Veranstaltungen einzelner Parteien nicht gerne gesehen

Saskia Hüneke, Co-Fraktionsvorsitzende der Potsdamer Grünen, verteidigte den Antrag auf Nachfrage der PNN: „Uns ist einfach wichtig, dass der Platz ein allgemeiner Gedenkort ist. Eine exklusive Veranstaltungspraxis einzelner Parteien sehen wir an dieser Stelle nicht gern.“ Die Nike sei ein aus breitem bürgerschaftlichem Engagement ermöglichtes Kunstwerk, das für den Sieg der DDR-Bevölkerung steht, so Hüneke. Das Denkmal, das 1999 an dem geschichtsträchtigen Ort der deutschen Teilung errichtet wurde, geht auf eine Initiative des Potsdamer Bürgerrechtlers Rudolf Tschäpe zurück und ist den Ostdeutschen gewidmet, die für die Demokratisierung ihres Landes gekämpft haben.

Armin Laschet war am 13. August im Rahmen einer CDU-Veranstaltung zum Mauerbau an der Glienicker Brücke aufgetreten
Armin Laschet war am 13. August im Rahmen einer CDU-Veranstaltung zum Mauerbau an der Glienicker Brücke aufgetreten

© dpa

„Natürlich sind alle Parteien eingeladen, sich am Gedenken zu beteiligen“, sagte Hüneke. Problemtisch sei aber, wenn eine Partei dies alleine tue: „Mit dem Antrag wollen wir eine Diskussion darüber anstoßen.“ Veranstaltungen wie die am 10. November sollen von dem Antrag nicht betroffen sein: An diesem Tag soll der Grenzöffnung 1989 gedacht werden, dabei werden auch Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke und Oberbürgermeister Mike Schubert (beide SPD) teilnehmen. „Das tun sie ja in ihrer politischen Funktion, und nicht als Partei“, sagte Hüneke.

CDU fordert den sofortigen Rückzug des Antrags

Auf Seiten der CDU sorgte der Antrag für große Empörung: „Ich finde, das ist ein sehr seltsames Verständnis von Demokratie“, sagte der CDU-Stadtverordnete Clemens Viehrig. „Es ist ja schließlich auch gelebte Demokratie, wenn nicht nur die Stadt, sondern auch Parteien Gedenken zum Mauerbau durchführen.“ Viehrig stellte auf Facebook zudem die Frage, wem eigentlich andere Gedenkorte wie der Hiroshima-Platz oder die Max-Dortu-Schule gehören würden?

Saskia Hüneke, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Potsdamer Grünen
Saskia Hüneke, Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Potsdamer Grünen

© Andreas Klaer

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Matthias Finken forderte die Grünen dazu auf, ihren Antrag unverzüglich zurückzuziehen: „Die Nike ist ein Ort der Erinnerung, des gemeinsamen Gedenkens und der Trauer. Sie gehört der Allgemeinheit und ist für jeden jederzeit ein Platz sich zu versammeln und dem Unrecht eine klare Absage zu erteilen.“

Wesentlich schärfer äußerte sich CDU-Kreischef Oliver Nill: „Dieser Antrag ist ein Angriff auf die im Grundgesetz verankerte Versammlungsfreiheit“, sagte er. Bei „solchen irrlichternden Anträgen“ zeige die Ideologie der Grünen „seine hässliche Fratze“. Auch der Generalsekretär der CDU Brandenburg meldete sich zu Wort: „Die CDU Brandenburg hat seit Jahren traditionell am 13. August den Opfern der Deutschen Teilung an diesem symbolischen Ort gedacht“, sagte Gordon Hoffmann. Dabei seien ausdrücklich keine Wahlwerbemittel oder Flyer ausgelegt worden. „Den Grünen ist offenbar einfach peinlich, selbst die Erinnerung an das SED-Unrecht in der Vergangenheit vergessen zu haben“, so Hoffmann, dessen Partei auf Landesebene mit Grünen und SPD koaliert.

Oliver Nill, Kreisvorsitzender der CDU Potsdam
Oliver Nill, Kreisvorsitzender der CDU Potsdam

© Andreas Klaer

SPD und Linke wollen Gedenkort offen halten

Auch in der Rathauskooperation, die neben den Grünen aus SPD und Linken besteht, sorgte der Antrag für Irritationen: „Wir sehen hier noch Diskussionsbedarf“, sagte SPD-Fraktionschefin Sarah Zalfen und wies darauf hin, dass der Antrag nicht zusammen mit der SPD eingebracht wurde. „Es war unglücklich und ungeschickt von der CDU, den Ort im Wahlkampf zu nutzen“, sagte sie. „Aber das heißt nicht, dass dieser öffentliche Raum generell nicht mehr für Parteiveranstaltungen zur Verfügung stehen sollte.“

Ähnlich äußerte sich die Linkspartei: „Öffentliche Gedenkorte müssen für alle Teile der Gesellschaft, selbstverständlich auch für demokratische Parteien, zugänglich sein“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Sascha Krämer. „Eine Vereinnahmung von Gedenktagen und -orten im Wahlkampf sollte allerdings tabu sein.“ Ob SPD und Linke den Antrag ablehnen würden, konnten Zalfen und Krämer noch nicht sagen, dies müsse erst in den jeweiligen Fraktionen besprochen werden.

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