zum Hauptinhalt
Die Stadtverwaltung plädierte für einen Erhalt der Kleingärten am Angergrund.

© Ottmar Winter

Streit um Gartensparte am Angergrund: Tamax will Schadensersatz vom Potsdamer Rathaus

Im Streit um die Potsdamer Gartensparte am Angergrund sind die Fronten verhärtet – nun entscheiden Gerichte.

Potsdam - Der Streit um die im vergangenen Jahr geräumte Kleingartenanlage Angergrund geht trotz Coronakrise hinter den Kulissen weiter. Das belegen den PNN vorliegende Schriftsätze der Investorenfirma Tamax – die rund um den Bereich gern mehr als 600 Wohnungen in sieben Mehrfamilienhäusern errichten will – und der Stadt Potsdam, die das im Besitz der Tamax befindliche Areal als Kleingartensparte festschreiben will. 

Der Streit beschäftigt längst auch die Justiz. So muss das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg über die von der Bauverwaltung und den Stadtverordneten verhängte Veränderungssperre für das Areal entscheiden, ein Termin steht noch aus. Das könnte noch Konsequenzen haben. Denn durch diese Sperre seien schon jetzt erhebliche Schadensersatzansprüche entstanden, sagte Tamax-Chef Kai-Uwe Tank den PNN jetzt auf Anfrage – man werde diese Forderungen auch geltend machen. Denn nicht einmal ein Verpachten der Fläche für Erholungszwecke sei möglich, so Tank – so entstünden laufend Einnahmeverluste.  

Eingriff in ihr Eigentumsrecht?

Das sei ein Eingriff in ihr Eigentumsrecht, so eines der vielen Argumente der selbst aus Potsdam stammenden Investoren – die nach PNN-Informationen auch regelmäßig die Stadtverordneten, die bisher mit großer Mehrheit die Linie der Bauverwaltung stützen, über den Klagefortgang informiert. 

[Abonnieren Sie kostenlos den neuen PNN-Newsletter "Potsdam Heute": Hier geht es zur Anmeldung.] 

Die Tamax wehrt sich wie berichtet auch gegen das Vorhaben der Stadt, die Fläche zwischen Horstweg und Dieselstraße mittels eines Bebauungsplans dauerhaft als Kleingartenland festzuschreiben. Auch hier werfen die Investoren dem Rathaus vor, mit zweierlei Maß zu messen. Schon im Februar, als die Coronakrise gerade begann, erhielten die Kommunalpolitiker einen umfangreichen Schriftsatz der Tamax-Seite mit Kritik an den Argumenten der Stadt: So habe die Verwaltung unter anderem eklatant gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. 

Gegen die Abrissarbeiten auf dem Areal hatten die Kleingärtner heftig protestiert.
Gegen die Abrissarbeiten auf dem Areal hatten die Kleingärtner heftig protestiert.

© Andreas Klaer

Unter anderem seien in der Nähe – der ehemaligen Sparte Süd-West – bereits dutzende und sogar unter dem Schutz des Kleingartengesetzes stehende Parzellen beseitigt worden, mit Billigung aus dem Rathaus, dass sich aber einige Meter weiter zur „angeblichen Verteidigerin der Kleingärtner aufschwingt“. Auf dem Tamax-Gelände sei hingegen eine Veränderungssperre verhängt worden, so die Tamax-Seite. 

Das Rathaus weist Vorwurf zurück

Das Rathaus hält in einem weiteren Schriftsatz von Ende März dagegen. So habe sich die Tamax – auch im Gegensatz zu den Eigentümern der besagten Nachbarsparte – „wiederholt“ möglichen Gesprächs- und Verhandlungsterminen für eine Kompromisssuche entzogen. Auch Stadtsprecherin Christine Homann hatte bereits Mitte Februar auf PNN-Anfrage den Vorwurf zurückgewiesen, die Stadt messe mit zweierlei Maß. So seien die Gespräche mit der Tamax eben an „nicht erfüllbaren Forderungen hinsichtlich der baulichen Entwicklung gescheitert“, sagte sie – anders sei es eben auf dem Nachbargrundstück. Auch insofern sei die Klage unbegründet, heißt es in dem Schreiben der Stadt.  

So steht nun Aussage gegen Aussage, Rechtsauffassung gegen Rechtsauffassung. Nun greift die Tamax-Seite die Stadt in einem neuen Schreiben von Anfang Mai an: Im Umfeld des Angergrunds seien in den vergangenen Jahren auch mehr als 200 andere Kleingärten aufgegeben worden, unter anderem auch für neue Wohnungen. Doch nun behaupte die Stadt auf einmal, dass in der Gegend und ganz Potsdam ein solcher Bedarf an Kleingärten bestehe, dass dieser „de facto den Entzug von Grundeigentum“ zu Lasten der Tamax „zu rechtfertigen vermag“, so der Anwalt der Investorenfirma. Dieser Bedarf könne aber anderweitig gedeckt werden, ist man sich bei Tamax sicher und verweist auf Ausführungen der Stadtverwaltung in ihrem Kleingartenkonzept. 

Auch sei es nicht richtig, dass man sich Kompromissgesprächen entzogen habe: Vielmehr habe die Stadt jahrelang an ihrer Forderung festgehalten, dass die Tamax Teile ihres Grund und Bodens an das Rathaus veräußern müsse. Es bestehe der Eindruck, „dass uns die Stadt zum preiswerten Verkauf unserer Grundstücksflächen drängen will“, so Tank. 

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie in Potsdam und Brandenburg finden Sie hier in unserem Newsblog.]

Tamax verwies auf bemerkenswerte Details

Die Tamax hatte auch auf andere bemerkenswerte Details zu dem Areal verwiesen – das bereits im Jahr 2000 an Erben des zu DDR-Zeiten enteigneten früheren Eigentümers rückübertragen wurde. Damals hätten aber die Stadt und vor allem der Potsdamer Verband der Garten- und Siedlerfreunde (VGS) den neuen Eigentümern „vorgegaukelt“, dass man Rechtsnachfolger des Ex-DDR-Kleingartenverbands sei und die als Gärten genutzten Flächen daher dem Schutz durch das Bundeskleingartengesetz unterworfen seien. Die Erben, „ausnahmslos“ Senioren, hätten das laut Tamax hingenommen – dabei sei auch gerichtlich festgestellt, dass der Potsdamer VGS eben nicht der Rechtsnachfolger des DDR-Kleingartenverbands ist. 2014 hatte Tamax dann die damals per Annonce angebotene Fläche gekauft und den VGS juristisch zur Herausgabe gezwungen – beim Angergrund handelt es sich eben laut Tamax um keine Kleingartensparte mehr, die man erhalten könne. 

Die Stadtpolitik hat der Investor bisher freilich noch nicht überzeugen können – aus Sicht der Tamax mit teils absurden Folgen. So führte die von den Stadtverordneten gebilligte Veränderungssperre auch dazu, dass mehr als 20 mit krebserregendem Asbest verseuchte Ex-Gartenlauben nicht mehr fachgerecht geräumt werden können. Auch gegen dieses Abrissverbot habe man nun Klage beim Verwaltungsgericht erhoben, sagte Tank den PNN. Dabei habe man vor dem Wohnungsbau die Flächen eigentlich zu Erholungszwecken herrichten und verpachten wollen – das sei nun nicht möglich. Auch aus diesem Umstand leitet die Tamax ihre Forderungen nach Schadensersatz ab. Das Vorgehen sei auch deswegen für ihn nicht nachvollziehbar, weil Potsdam eigentlich dringend Wohnungen benötigen würde, so Tamax-Chef Tank mit Blick auf fehlenden Wohnraum in der wachsenden Stadt.

Zur Startseite