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Flüchtlingsunterkunft in früheren Ministeriumsgebäuden in der Heinrich-Mann-Allee in Potsdam.

© Ralf Hirschberger/dpa

Streit um Flüchtlinge - Potsdam nur Durchgangsstation?: Potsdams linke Szene droht den Behörden

Müssen die Potsdamer Flüchtlinge zur amtlichen Erfassung nach Eisenhüttenstadt verlegt werden? Hinter den Kulissen wird hart verhandelt, Helfer sind enttäuscht. Die linke Szene macht schon mal mobil - und will "Taten folgen lassen".

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Potsdam - Im Umgang mit den seit Kurzem in Potsdam untergebrachten Flüchtlingen droht in Potsdam eine offene Konfrontationen zwischen den Behörden auf der einen und den freiwilligen Helfern sowie der linken Szene auf der anderen Seite.

Die Behörden planen die Flüchtlinge aus der Zweigstelle in Potsdam in die Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt zu bringen, wo sie amtlich registriert werden sollen. Bislang sind mehrere hundert Asylbewerber in Potsdam auf dem früheren Regierungsstandort an der Heinrich-Mann-Allee untergebracht, der nun als Zweigstelle der Erstaufnahme dient.

Helfer wollen Ablehnung „Taten folgen lassen“

In einer am Mittwochabend verbreiteten Erklärung drohen die freiwilligen Helfer: „Zu diesem unnötigen technokratischen Verfahren sagen wir ganz klar Nein! Und wir werden diesem Nein auch Taten folgen lassen.“ Sie fordern in der Erklärung das für die Registrierung zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf, die Registrierung in Potsdam umgehend zu ermöglichen.

Direkt an Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) gerichtet heißt es in der Mitteilung: „Wir werden uns allen staatlichen Maßnahmen entgegenstellen, die sich gegen unsere Forderung richten.“ Für die Flüchtlinge müsste „die von staatlicher Seite als notwendig erachtete Registrierung“ in Potsdam erfolgen. Dies werde „mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln“ durchgesetzt, heißt es in der Erklärung. Und: „Wir warnen hiermit alle zuständigen Stellen, uns herauszufordern.“

Amtliche Registrierung der Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt

Schon den ganzen Tag über ging es hin und her in der neuen Erstaufnahme-Zweigstelle an der Heinrich-Mann-Allee. Nicht nur, dass statt 150 nur 63 Flüchtlinge ankamen, und das Stunden nach der eigentlich geplanten Ankunft. Vor allem die Frage, wie es mit den in Potsdam gestrandeten Menschen weitergeht, sorgte für Unruhe.

Denn offenbar soll Potsdam nur als Durchgangsstation genutzt werden. Sobald in der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH) in Eisenhüttenstadt Plätze frei werden – weil Menschen auf die Kommunen verteilt wurden – soll nach PNN-Informationen eine entsprechende Zahl von Flüchtlingen aus Potsdam nach Eisenhüttenstadt verlegt werden. Dort sollen dann die amtliche Registrierung und die Klärung des Aufenthaltsstatus erfolgen. All die Pläne, die das DRK und die Freiwilligen Helfer mit den Flüchtlingen in Potsdam hatten – wie etwa Deutschkurse, Stadtführungen oder andere Aktivitäten – wären dann hinfällig.

Grünen-Politikerin Baerbock nennt Vorgehen „unmenschlich und unzumutbar“

Kritisiert wurde dies auch von der Potsdamer Grünen-Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock. Es sei unmenschlich und unzumutbar, die gerade erst angekommenen Menschen nach Eisenhüttenstadt zu bringen. Das Land müsse dafür sorgen, dass sie auch in den Zweigstellen registriert werden können. „Jetzt ist Flexibilität gefragt, nicht Bürokratie.“

Auch der Potsdamer Linken-Kreischef Sascha Krämer kritisierte die Pläne. „Potsdam kann und sollte Eisenhüttenstadt entlasten. Wer es nicht glauben mag, der sollte einmal vorbeischauen.“ Viele Potsdamer wollten die Flüchtlinge darin unterstützen, anzukommen, Schutz und Ruhe zu finden und ein neues Leben zu beginnen.

Helfer wollen Verlegung nicht zulassen

Und auch die Helfer vor Ort sagten, eine Verlegung mache weder aus humanitärer noch aus organisatorischer Sicht Sinn. Für die gerade erst in Potsdam eingetroffenen Menschen sei es eine Zumutung. In ihrer Erklärung vom Abend heißt es: „Wir werden nicht zulassen, dass schwerst traumatisierte Menschen einmal mehr unnötig hin und her geschickt werden.“ Derzeit würden die Helfer „klar sozialstaatliche Aufgaben“ übernehmen und tragen. Die Unterkunft funktioniere und biete „aufgrund unseres Engagements eine Herberge“ für mehrere hundert Menschen.

Für das Innenministerium ist der Vorgang Routine

Im Brandenburger Innenministerium sieht man das alles anders. Potsdam sei von Beginn an als Durchgangsstation geplant gewesen, sagte Sprecher Ingo Decker. Bei einem Flüchtling, der seit drei Tagen in Potsdam ist, könne auch nicht davon die Rede sein, dass dieser bereits tief verwurzelt sei und nun herausgerissen werde. „Wie das täglich im Einzelnen organisiert wird, ist aber Entscheidung des ZABH.“ Das sei Routine.

Es gehe jetzt nicht darum, Asylbewerber mit Aussicht auf einen sicheren Aufenthaltstatus so lange wie möglich in der Zentralen Erstaufnahme oder in der Zweigstelle in Potsdam zu halten. Dies betreffe vor allem Flüchtlinge aus Syrien und den Nachbarstaaten. Sie würden auch ohne Asylantrag schon auf die Kommunen verteilt.

Integration nicht in der Erstaufnahme, sondern in den Kommunen

Ziel sei es, so schnell wie möglich wieder Platz zu schaffen in der Erstaufnahmezentrale für neu ankommende Flüchtlinge. Um tatsächliche Integration und Willkommenskultur werde es erst vor Ort in den Kreisen und in kreisfreien Städten gehen. Andere Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern, die vermutlich wieder abgeschoben werden, würden jedoch länger in der Erstaufnahme bleiben.

Zwischenzeitlich war nach PNN-Recherchen am Mittwoch die Rede davon, dass Flüchtlinge doch nur tageweise nach Eisenhüttenstadt zur Registrierung gebracht werden, ihren Schlafplatz aber in Potsdam behalten sollen – auch auf Druck des Potsdamer Aufnahmelager-Betreibers DRK.

Harte Verhandlungen hinter den Kulissen

Hinter den Kulissen liefen die Drähte den ganzen Tag über heiß. Alles hängt am BAMF, dem zuständigen Bundesamt. Zudem gibt es trotz des von Bund und Ländern angemahnten flexiblen Umgangs mit den Flüchtlingen Gerangel im Befugnisse und Zuständigkeiten. Brandenburgs Polizei hatte sogar angeboten, die amtliche Registrierung zu übernehmen. Die Polizeidirektion West sei vorbereitet gewesen, durfte dann aber doch nicht.

Bis Montag sei die Verlegung von Flüchtlingen nach Eisenhüttenstadt erst einmal aus Eis gelegt, hieß es aus Regierungskreisen. Parallel wird mit dem BAMF nach Lösungen gesucht. Endgültig entschieden ist aber noch nichts.

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