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So stellt sich die Firma Tamax das neue Quartier am Horstweg vor. 

© 2020 Nightnurse Images, Züri

Streit um den Potsdamer Angergrund: Investor Tamax will Schadensersatz von der Stadt

Die Stadt Potsdam hat einen Rechtsstreit verloren, will jetzt aber erneut eine Veränderungssperre verhängen. Der betroffene Investor hofft derweil auf ein Umdenken in der Stadtpolitik.

Potsdam - Der Dauerkonflikt zwischen Potsdam und dem Wohnungsinvestor Tamax um die frühere Gartensparte am Angergrund könnte bald die Stadtkasse belasten – ausgerechnet in Coronazeiten, mit ohnehin drohenden Sparrunden. Denn nachdem das Rathaus mit einer verhängten Veränderungssperre für das Gebiet vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg krachend gescheitert ist, will das Unternehmen nun Schadensersatz für entgangene Einnahmen. Die Stadtverwaltung setzt dagegen auf das erneute Verhängen einer Veränderungssperre – was dann wohl abermals die Justiz beschäftigen dürfte.

Mindestens 65.000 Euro Schadensersatz

Für Tamax-Chef Kai-Uwe Tank ist das nur schwer nachvollziehbar. Von der laut Gericht rechtswidrigen Veränderungssperre seien rund 10 000 Quadratmeter betroffen, die man sonst seit zweieinhalb Jahren als Erholungsgrundstücke hätte verpachten können – und zwar mindestens für 2,50 Euro pro Quadratmeter. „Bereits jetzt ist uns somit ein Schaden in Höhe von mindestens 65.000 Euro entstanden, den wir auch gegen die Stadt Potsdam geltend machen werden“, sagte Tank den PNN jetzt auf Anfrage. Mit jedem Monat, in dem die Stadt nun durch die geplante Neuverhängung der Veränderungssperre weiterhin die Verpachtung der Flächen an Dritte zu Erholungszwecken unmöglich mache, „erhöht sich unser Schadenersatzanspruch“. Die Stadt habe zudem Rechtsmittel gegen den Richterspruch eingelegt, was das Verpachten weiter unmöglich mache.

Wie berichtet hatte das Gericht die erste Sperre am 24. Juni gekippt, schon aus formellen Gründen. So habe die Bekanntmachung der Anfang 2019 erlassenen Veränderungssperre nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen, heißt es in dem Urteil, das den PNN vorliegt. Auch der ihr zugrunde liegende Aufstellungsbeschluss für einen vom Rathaus vorangetriebenen Bebauungsplan sei „nicht wirksam“, unter anderem wegen einer fehlerhaften öffentlichen Bekanntmachung. Auch sei der „räumliche Geltungsbereich der Veränderungssperre nicht hinreichend bestimmt“.

Nach diesem Scheitern hatte die Bauverwaltung unter ihrem Dezernenten Bernd Rubelt (parteilos) bereits angekündigt, sie wolle eine Beschwerde gegen den Beschluss des Gerichts einlegen. Parallel will sie eine neue Veränderungssperre vorbereiten, die von den Stadtverordneten in ihrer Sitzung am 25. August erstmals beraten wird. Auch ein neuer Aufstellungsbeschluss soll gefällt werden. In ihrer Mitteilung zu der Niederlage hatte die Bauverwaltung erklärt, man werde das Urteil „intensiv auswerten und die gerichtlichen Einschätzungen auch für andere Verfahren berücksichtigen“.

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Tamax-Chef Tank warnte hingegen davor, weitere Arbeitskraft in einen B-Plan für das Gebiet zu stecken, weil dieser keine Rechtskraft erlangen werden. Es werde wertvolle Zeit für eine konstruktive Entwicklung des Geländes verstreichen. Wie berichtet hatte Tamax Pläne für eine Wohnanlage für bis zu 1200 Menschen vorgestellt. Geplant sind unter anderem 155 Sozialwohnungen, 90 Mikroappartements für Studenten und 80 stationäre Pflegeplätze. Das Quartier könne einen Beitrag zur Lösung der Potsdamer Wohnungsnot leisten und besitze eine gute Verkehrsanbindung, lauten zwei Argumente der Tamax- Seite.

Abgesperrt: Die Kleingartensparte Angergrund in Babelsberg.
Abgesperrt: Die Kleingartensparte Angergrund in Babelsberg.

© Ottmar Winter

Denen schließt sich nun auch die CDU-Fraktion im Stadtparlament an. Deren Bauexperte Wieland Niekisch hat für die Sitzung am 25. August einen Antrag gestellt, demzufolge Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) mit Tamax das Gespräch suchen und Verhandlungen führen soll, „um einen Weg des Ausgleichs und der Verständigung zu finden“. Es solle dabei auch überlegt werden, ob und wie die Gartensparte „Am Angergrund“ möglicherweise an einer anderen Stelle in Potsdam angesiedelt werden könne, so der Antrag. Niekisch sagte den PNN am Sonntag, die dauernde Blockade müssten aufgelöst werden.

Nach PNN-Informationen hatte Tamax bereits im November 2019 in der CDU-Fraktion seine Pläne präsentiert und war durchaus auf Interesse gestoßen, wie ein den PNN vorliegendes Protokoll der Sitzung zeigt. „Aus Babelsberger Sicht wird dort Wohnungsbau begrüßt“, heißt es darin zur Reaktion von Fraktionschef Götz Friederich. Auch sei man „grundsätzlich investoren- und wohnungsbaufreundlich“. Allerdings habe Tamax in der Vergangenheit mit diversen Briefen an die Stadtverordneten „sprachlich nicht deeskalierend“ agiert, so Friederich.

Der Kleingartenverband besteht nicht mehr auf dem Angergrund

Der Streit zieht sich seit Jahren. Seit 2014 gehört das Gelände der Tamax, die auch erfolgreich gegen die damals noch bewirtschafteten Gärten geklagt hatte. Diese hatten keine Rechtsgrundlage, wie es der Potsdamer Kleingartenverband VGS zuvor behauptet hatte. Im Herbst 2018 hatte die Firma die Gärten räumen lassen. Allerdings ist das Gelände auf Potsdams Flächennutzungsplan als Kleingartensiedlung eingetragen. Sollte das per B-Plan besiegelt werden, würde die Tamax dies als enteignungsähnlichen Eingriff werten, hatte das Unternehmen bereits erklärt.

Unterstützung erhält die Tamax nun auch aus überraschender Richtung – vom Kleingartenverband. Dieser erklärt in einem den PNN vorliegenden Schreiben aus diesem Monat, man stehe dem Tamax-Vorschlag aufgeschlossen gegenüber, eine neue Gartensparte in Bornstedt zu gründen – als Ersatz für den Angergrund. Das hat der VGS auch dem Rathaus mitgeteilt: So könne man auch auf die strittige Festlegung verzichten, die Dauerkleingärten am Angergrund mittels B-Plan festzuschreiben. 

Mit der Tamax befinde man sich in Gerichtsverfahren, diese fordere einen mittleren sechsstelligen Betrag als Entschädigung. Derzeit suche man in Güteverfahren nach Lösungen. Für solche Kompromisse seien auch Zugeständnisse nötig, konstatiert der VGS-Vorsitzende Wolfgang Zeidler in dem Schreiben. Auch das wertet Tamax-Chef Tank nun als Rückendeckung für sein Vorhaben: „Ich hoffe, dass sich die Stadtverordneten noch einmal intensiv mit der Sachlage befassen.“

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