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Der CDU-Stadtverordndete Wieland Niekisch wird wegen einer Rede kritisiert.

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Exklusiv

Streit um Antisemitismusvorwurf: Ausgrenzung oder Liebeserklärung?

Dem Stadtverordneten Wieland Niekisch wird die Verwendung antisemitischer Stereotype vorgeworfen. Die Fachstelle Antisemitismus hat ihn zu einem Gespräch eingeladen. Die Synagogengemeinde stützt Niekisch jedoch.

Potsdam - Es waren nur rund drei Minuten. Doch in dieser kurzen Zeit fielen Äußerungen, von denen sich nicht nur Teilnehmer verletzt fühlen, sondern die auch auf scharfe Kritik stoßen. Ein Grußwort des CDU-Stadtverordneten Wieland Niekisch bei einer Feier der Synagogengemeinde hat bei mehreren Anwesenden jüdischen sowie nichtjüdischen Glaubens erhebliches Befremden hervorgerufen. Die Äußerungen wurden der Fachstelle Antisemitismus beim Moses Mendelsohn Zentrum als antisemitischer Vorfall gemeldet.

Stereotype und Ressentiments

Niekisch wurde inzwischen ebenso wie Potsdams CDU-Vorsitzender Götz Friederich vom Leiter der Fachstelle Peter Schüler zu einem Gespräch eingeladen. Schüler, früher selbst Stadtverordneter für die Grünen, bestätigte den PNN auf Anfrage, die beiden Stadtpolitiker eingeladen zu haben. Ende Oktober wolle man sich treffen. Inhaltlich wollte sich Schüler vor dem Treffen nicht äußern. Nach PNN-Informationen soll es um Stereotype und Ressentiments gehen, derer sich Niekisch bedient habe. Das Gespräch solle einen Sensibilisierungsprozess anregen.

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Der Anlass liegt schon ein paar Wochen zurück. Mit einem Umzug und einer Zeremonie hatte die jüdische Synagogengemeinde am 13. September ihre neue Torarolle eingeweiht und gleichzeitig das neue Gemeindezentrum in der Kiezstraße eröffnet. Etwa 100 Menschen trafen sich am Sonntagnachmittag in der Schloßstraße. Rabbiner sprachen, auch der Gemeindevorsitzende Ud Joffe und Ulrich Zimmermann vom Synagogenförderverein. Dann stellte Joffe Niekisch als Vertreter der Stadt Potsdam vor. 

Niekischs Grußwort ist gut dokumentiert. Ein Video der Veranstaltung zirkuliert in sozialen Netzwerken. Eine Teilnehmerin der Feier aus Berlin hatte ihre Kritik danach auf Facebook öffentlich gemacht. Eine weitere Teilnehmerin hat Niekischs Rede transkribiert und ebenfalls auf Facebook gepostet. Dutzende Nutzer reagierten mit Kommentaren. Die Diskussion hat auch die Jüdische Studierendeninitiative Berlin aufgegriffen und bezeichnet Niekischs Wortwahl als fragwürdig. Die Rede zeige, "wie weit wir noch von einer toleranten, offenen, diversen Gesellschaft" entfernt sind.

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Auf Kritik stoßen mehrere Äußerungen. So hatte Niekisch ein Zitat wiedergegeben, erst auf Deutsch dann auf Hebräisch, und hinzugefügt "oder in eurer Sprache". Damit sage er, dass es keine jüdischen Menschen gäbe, deren Muttersprache Deutsch sei, so der Vorwurf. Dabei handele es sich um eine Form der Ausgrenzung. "Als ob jüdische Menschen nicht jüdisch und deutsch sein könnten", so die Facebook-Nutzerin.

An einer anderen Stelle beschreibe er jüdische Menschen als eine homogene Gruppe und schreibe ihnen konkrete Eigenschaften zu. Er habe zwar positive Eigenschaften genannt, das sei aber trotzdem nicht gerechtfertigt. "Eine Art positiver Antisemitismus." Außerdem sagte Niekisch, die Synagogengemeinde habe von der Erlöser- und Kreuzgemeinde Asyl erhalten. De facto habe die Synagogengemeinde die Räume angemietet, wie jede andere Institution es auch tun würde und könnte. "Ich finde es als sehr unglücklich von „Asyl“ zu sprechen."

Niekisch hält Vorwürfe für konstruiert

Niekisch selbst bestätigt auf PNN-Anfrage, dass es ein Gespräch mit Schüler geben soll. Die Vorwürfe halte er jedoch für konstruiert. Es ging ihm in seiner Rede um eine Liebes- und Freundschaftserklärung an die jüdischen Potsdamer und um Kritik an der Landesregierung wegen ihrer Entscheidungen zum Synagogenbau. Er habe viel Zuspruch erhalten von jüdischen Besuchern der Veranstaltung. 

Niekisch steht nicht zum ersten Mal wegen einer öffentlichen Äußerung in der Kritik. Zu Jahresbeginn ging es um ein Interview im regionalen Sender „Hauptstadt TV“ zum Wiederaufbau des Kirchenschiffs der Garnisonkirche, in dem Niekisch sagte: „Sicher hat es da 1933 Unglück gegeben. Und da haben sich auch Kreise damals hier in Potsdam verführen lassen." Daraufhin wurde ihm Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Er selbst sagte, die Äußerung sei aus dem Zusammenhang gerissen worden.

Die Synagogengemeinde Potsdam feiert die Eröffnung ihres Neuen Gemeindezentrums mit einer Torazeremonie und anschliessendem Umzug mit fröhlicher Musik in die Kiezstraße 10.
Die Synagogengemeinde Potsdam feiert die Eröffnung ihres Neuen Gemeindezentrums mit einer Torazeremonie und anschliessendem Umzug mit fröhlicher Musik in die Kiezstraße 10.

© Andreas Klaer

Auch beim Veranstalter der jüngsten Zeremonie, der Synagogengemeinde, weist man die Vorwürfe zurück. "Puristen können das so deuten", sagte der Gemeindevorsitzende Ud Joffe den PNN. Er habe Niekisch aber ganz anders verstanden. Dieser habe sich gerade für die Vielfalt ausgesprochen und nicht verallgemeinert. "Da waren vier Rabbiner dabei. Und keiner davon hat Anstoß genommen."

Aufgebracht hat Joffe hingegen, dass Schüler die Gemeinde nicht konsultiert habe, bevor er Niekisch zu sich eingeladen habe. "Er hätte mich anrufen können", so Joffe. Deshalb werde er sich bei der Landesregierung beschweren. Er verbitte es sich, über Antisemitismus belehrt zu werden. "Das ist eine Frechheit."

Götz Friederich war bei der Veranstaltung nach eigenen Angaben nicht vor Ort. Er könne sich nicht vorstellen, dass sich Niekisch wissentlich oder absichtlich verletzend geäußert habe, sagte er den PNN. Er wollen die Fragen in Ruhe klären. Deshalb habe er sich auf das Gespräch mit Schüler verständigt. "Wenn es Kritik gibt, stellen wir uns der Sache."

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