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Stiftungsbuchhandlung wird geschlossen: „Ihr größter Feind war Amazon“

Seit 1929 gibt es die Stiftungsbuchhandlung in Potsdam – jetzt wird sie aufgelöst. Die Kunden kaufen lieber online, heißt es von Hoffbauer. Sie wäre zu halten gewesen, sagt die letzte Angestellte.

Potsdam - Jetzt ist Inventur. Die letzte. Was jetzt noch da ist, soll nach Möglichkeit von den Verlagen zurückgenommen werden, hofft Friederike Pichotta. Die 44-Jährige ist zurzeit mit der Auflösung der Stiftungsbuchhandlung beschäftigt. Eine bittere Sache für die Kulturwissenschaftlerin. Erst Ende 2017 hatte sie hier angefangen. Da war die Traditionsbuchhandlung gerade aus ihren angestammten Räumlichkeiten in der Gutenbergstraße in den neuen, viel kleineren Laden in der Wilhelmgalerie umgezogen. Die Hoffbauerstiftung, seit sieben Jahren alleiniger Gesellschafter des Geschäfts, hoffte auf neuen Kundenzulauf am zentralen Ort.

Jetzt, zwei Jahre später, kann Pichotta das endgültige Aus der Buchhandlung nicht nachvollziehen. „Es ist hier wunderbar gelaufen. Nach dem Umzug hatten wir eine sehr gute Balance zwischen Stammkundschaft und neuen Laufkunden, auch vielen Touristen“, sagt Pichotta. Dazu kam bis zuletzt ein „gigantisches Großkunden-Rechnungsgeschäft“: Das Bergmannklinikum, die Pro Potsdam, das Zentrum für Zeithistorische Forschung und weitere große Einrichtungen bestellten hier sämtliche Fachliteratur, Bücher und Zeitschriften. „Wir haben beraten, bestellt, geliefert“, sagt Pichotta. Zuletzt mit zweieinhalb Stellen, seit Januar sogar nur noch mit eineinhalb. Die Buchhandlung wäre gut zu halten gewesen, schätzt die Fachfrau, wenn man ihr Wachstum und Entwicklung zugebilligt hätte. Aber dafür hätte es mehr Fachpersonal gebraucht.

Kündigung aus betrieblichen Gründen

„Das war unsere Kernkompetenz: die persönliche, qualifizierte Beratung von Pfarrämtern, diakonischer Einrichtungen, Schulen und Kitas“. Sie selbst hatte ein Konzept zur Lese- und Literaturförderung entwickelt, um die Zusammenarbeit vor allem mit den zahlreichen Bildungseinrichtungen der Hoffbauerstiftung zu vertiefen. Es half alles nichts. „Die Stiftung hat das zur Kenntnis genommen, ebenso wie unsere Bitte um personelle Aufstockung und zusätzlichen Lagerraum. Aber es passierte nichts.“ Bis die Kündigung aus betrieblichen Gründen kam.

Frank Hohn, Vorstandsvorsitzender der Hoffbauerstiftung, bestätigt das. „Es geht der Stiftungsbuchhandlung nicht anders als anderen Buchläden, weil die Menschen mehr im Internet kaufen. Der Umsatz war schon am alten Standort rückläufig und hat sich hier nicht signifikant verbessert.“ Dabei habe man sich bewusst den Luxus geleistet, ausschließlich Fachkräfte zu beschäftigen. Dass jetzt die lange Tradition der Stiftungsbuchhandlung, die 1929 gegründet wurde und immerhin zwei Diktaturen überlebte, endet, sei zwar bedauerlich. Aber die gemeinnützige Stiftung dürfe nicht in eine gewerbliche Buchhandlung investieren. „Wir haben allerdings versucht, einen Käufer zu finden. Das ist uns nicht gelungen.“ Auch Friederike Pichotta hätte Lust gehabt – kann das finanzielle Risiko unter den gegebenen Mietbedingungen aber nicht alleine schultern. Zumindest sei es gelungen, so Hohn, einen Nachmieter für das Objekt zu finden. Wer das ab April sein wird, dazu gab es keine Auskunft.

Literaturladen hilft aus

Die Kunden können noch bis 28. Februar bestellte Ware im Laden in der Wilhelmgalerie abholen, ab März im Literaturladen Wist. Zu ersetzen ist „die Stifte“, wie der Laden von den Potsdamer Kunden durch die Jahrzehnte liebevoll genannt wurde, nicht. Die Buchhandlung wurde 1929 gegründet und gehörte unter anderem zur Frauenhilfe und zum Evangelisch-Kirchlichen Hilfsverein. Hier gab es theologische Fachbücher, Literatur und Kalender aus christlichen Verlagen, Belletristik, Kinder- und Sachbücher. Auch wenn zu DDR-Zeiten die Lieferungen immer knapp ausfielen, gelang es, ein besonderes Sortiment zu halten. Die Kunden kamen nicht nur aus Potsdam, auch von weiter her. Man kannte sich, die Stifte war auch ein Ort des Austauschs.

Zudem unterhielt die Buchhandlung ein exzellentes Antiquariat. „Wir bekamen oft komplette Nachlässe von Pfarrern. Bei uns fand man Bücher, die es sonst nirgends gab“, erinnert sich Rüdiger Gohr, der von 1981 bis 2001 in der Stifte arbeitete, seit 1991als Leiter. Gohr hat auch die schwierigen Wendejahre mitgemacht. „Plötzlich gab es alles zu kaufen, das war toll, dafür wurden wir von Vertretern, die oft ihren bunten Schrott bei uns abluden, überrannt. Dazu kam, dass wir keine moderne Technik hatten und zu viele Mitarbeiter.“ Nach drei Jahren hatte man sich stabilisiert, von 16 auf drei abgespeckt. Und viele Kunden, die sich zunächst neu orientiert hatten, kamen zurück. „Die schätzten die Stifte als vertrauten Ort.“ Der Wegzug aus dem Holländerhaus in der Gutenbergstraße sei der Anfang vom Ende gewesen, sagt Gohr mit Wehmut.

Steffen Reiche, Hoffbauer-Kuratoriumsmitglied, einst Brandenburgs Bildungsminister, Bundestagsmitglied und heute Pfarrer, sagt: „Ich bin mit der Stifte aufgewachsen. Wir haben getan, was wir konnten, aber ihr größter Feind war Amazon.“

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