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Poet. Cueneyt Göktekin, Geschäftsführer der Firma Beyo, zeigt die Kameraelektronik, das Herzstück des neuen Vorlesegerätes PoetP für Blinde und Sehbehinderte.

© M. Urban

Landeshauptstadt: Steffis Stimme lässt Blinde „lesen“ Potsdamer Informatiker entwickelten neuartiges Vorlesegerät für Blinde und Sehbehinderte

Ein leichter Druck auf die silberne Taste lässt Steffis Stimme ertönen: „Lesen ist für den Geist das, was Gymnastik für den Körper ist“, hört man klar und deutlich. Zugegeben, die Stimme klingt etwas künstlich.

Ein leichter Druck auf die silberne Taste lässt Steffis Stimme ertönen: „Lesen ist für den Geist das, was Gymnastik für den Körper ist“, hört man klar und deutlich. Zugegeben, die Stimme klingt etwas künstlich. Aber das ist so gewollt. Denn Steffi ist kein Mensch, sondern das Vorlesegerät „pr 100“ für Blinde und Sehbehinderte. Die Potsdamer Informatiker Cüneyt Göktekin und Oliver Tenchio haben das Gerät entwickelt und werden dafür als „Ausgewählter Ort 2009“ im bundesweiten Wettbewerb „Deutschland - Land der Ideen“ ausgezeichnet.

Allein die Konzeption eines Vorlesegerätes wäre wohl noch nichts Preisverdächtiges. Mit einem normalen Computer und einem Scanner konnten Texte auch bislang schon hörbar gemacht werden. Erstmals gibt es ein solches Gerät nun aber in einer kompakten, tragbaren Einheit, das auf Rezept auch von den Krankenkassen bezuschusst wird.

Auf den ersten Blick wirkt der „pr 100“ wie ein zu klein geratener Schuhkarton. Doch auf den zweiten Blick lässt sich erahnen, dass unter der robusten schwarzen Hülle jede Menge Technologie versteckt sein muss. Damit Steffis Stimme den Satz des Schriftstellers Joseph Addisons vorlesen kann, muss der schwarze Kasten zunächst in eine Vorlesestation verwandelt werden. Nur wenige Handgriffe sind dazu notwendig, und mit dem eingebauten Akku ist das Gerät überall einsatzbereit. Lediglich die an einem rund 30 Zentimeter langen Stativ angebrachte Kamera muss herausgezogen und ein Teil des Gehäusedeckels zum Ständer ausgeklappt werden.

Das Gerät kann aber noch mehr: Je nach Programmierung kann es 170 Sprachen vorlesen – und das nicht nur von oben nach unten. So erkennt das System eigenständig, in welcher Reihenfolge Textbausteine etwa in einem Brief vorzulesen sind und welche Abschnitte übersprungen werden können. Zudem lässt sich der „pr 100“ hinsichtlich des Lesetempos an seine Benutzer anpassen. „Geübte Blinde und Sehbehinderte hören sich die Texte am liebsten in doppelter oder gar in dreifacher Geschwindigkeit an“, sagt Göktekin.

Die Idee für das preisgekrönte Vorlesegerät hatte die beiden 33-Jährigen bereits während des Informatikstudiums an der Freien Universität Berlin. „Dort haben wir Robotern das Sehen beigebracht“, sagt Göktekin. Das Vorlese-Projekt lief damals nur im Hintergrund. Obwohl die Tüftler bereits sichere Jobs für die Zeit nach ihrem Studium in Aussicht hatten, ließ sie die Idee nicht los. Im März 2007 wagten sie den Schritt in die Selbstständigkeit und gründeten die beyo GmbH.

Während die Produktentwicklung im Juni 2007 im Zwei-Mann-Betrieb begann, beschäftigt das Unternehmen mittlerweile acht Mitarbeiter - Tendenz steigend. Nach dem Verkauf der Lizenz hat die Serienproduktion für den Vertrieb in Europa, Amerika und Skandinavien begonnen. „Es ist ein besonderes Gefühl, zu wissen, jetzt an diesem Punkt angekommen zu sein“, sagt Göktekin.

Trotz des Erfolges legen die beiden Informatiker nun nicht die Hände in den Schoß. Neben der Weiterentwicklung des Vorlesegerätes arbeitet das Team derzeit schon an weiteren „sehr, sehr interessanten Projekten“, wie Göktekin erklärt. „Unser Wissen im Bereich Bildverarbeitung ist vielfältig einsetzbar, mehr kann ich im Moment aber noch nicht verraten.“

Auf jeden Fall soll aber auch das „pr 100“ weiterentwickelt werden. Das Gerät soll künftig nicht nur bei einfachen Textdokumenten wie Briefen und Büchern einsetzbar sein, sondern auch ganze Zeitungsseiten vorlesen können. „Die Struktur einer Zeitung ist sehr komplex und nicht so einfach zu verarbeiten“, sagt Göktekin. Die Verarbeitung müsse sehr schnell gehen. Marco Hadem

Marco Hadem

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